Pressverfahren machen Fertigung großer Elastomerteile wirtschaftlich

Was ist das optimale Produktionsverfahren für Großteile aus Elastomeren? Die Antwort darauf hängt von einer Reihe von Kriterien ab: Qualitätsbezogen sind das zum Beispiel die Maßgenauigkeit, das Gewicht und die Funktionalität der zu produzierenden Teile. Als weiterer Aspekt kommt die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens dazu. Folglich führt eine falsche Verfahrensentscheidung nicht nur zur Investition in eine nicht oder weniger geeignete Maschine, sie erhöht auch das Risiko einer unzureichenden Produktqualität und verteuert die Produktion.

Gruppierung großer elastomerer Formteile

Große elastomere Formteile lassen sich wie folgt gruppieren: in großvolumige Gummiformteile (ab etwa 8 l Bauteilvolumen), in großflächige Gummiformteile, in Endlosteile aus diskontinuierlicher Produktion, in Gummiformteile, die aus dem „Fell“ gestanzt sind, sowie in große Gummidichtungen (ab 800 mm Durchmesser). Großvolumige Gummiformteile gelten als Langheizer. Deren Produktion findet auf Kompressionsmaschinen statt. Produktbeispiele sind Vollgummireifen, Blockpuffer und Schiffskupplungen. Die Rohlinge werden vorgeheizt und in die Werkzeuge der Maschinen gelegt.

Spritzgießen nur begrenzt geeignet bei großvolumigen Formteilen

Im Gegensatz zum Kompressionsverfahren (Compression Moulding, CM) stößt die Produktion von Großteilen auf Spritzgießmaschinen an Grenzen. Technisch zeigt sich das bei großen Gummi-Metall-Verbindungen. Gerade bei diesen Teilen erzeugt das Spritzgießverfahren Haftungsprobleme, weil der Kautschuk den Haftvermittler von der Metalloberfläche schiebt und an diesen Stellen keine Haftung entsteht. Höchste Standzeiten werden bei Gummi-Metall-Teilen dagegen im Kompressionsverfahren erreicht. Produktbeispiele dafür sind Gleiskettenpolster, Pin-Bushings und Keilschieber für Wasserarmaturen.

Die wirtschaftlichen Grenzen des Spritzgießens großer Elastomerteile liegen in den Investitionskosten. Spritzgießmaschinen mit hohem Spritzvolumen sind überproportional teuer. Im Vergleich dazu kosten Kompressionsmaschinen etwa ein Drittel davon. Außerdem werden in den Anwendungsmärkten Maschinenbau und Verfahrenstechnik oft sehr kleine Stückzahlen benötigt.

Transferpressen bei kleinerern Stückhalen die beste Lösung

Transferpressen sind für diese Nischen die beste Lösung (Transfer Moulding, TM). Mit großen Transfertöpfen lassen sich Spritzvolumen von mehr als 100 l realisieren. Die „Einspritzung“ erfolgt über viele sehr kurze Angusskanäle und folglich mit wenig Druckverlust. Der Einspritzdruck wird über die voll geregelte Schließeinheit reproduzierbar in sehr engen Toleranzen gefahren.

Auch bei großflächigen Formteilen – zum Beispiel Platten aus Silikonkautschuk oder Zellkautschuk, aus denen später Teile gestanzt werden – kommt das CM-Verfahren zur Anwendung. Platten werden im Kompressionsverfahren produziert. Dieses Verfahren ermöglicht einen absolut homogenen Vulkanisationsgrad, beste Maßhaltigkeit und eine hohe Oberflächenqualität.

Verarbeitung expandierender Elastomere erfordert schnelle Werkzeugöffnung

Eine Besonderheit ist die Produktion von Formteilen aus expandierenden Elastomeren: Beim Öffnen des Werkzeugs nimmt das Volumen dieser Produkte um bis zu 200% zu. Damit der Elastomerschaum beim Expandieren nicht gegen das Werkzeug drückt und sich damit selbst zerstört, muss die Werkzeugöffnungsgeschwindigkeit über 500 mm/s betragen.

Planparallele Werkzeugschließung bei Endlosteilen notwendig

Handläufe für Rolltreppen sind ein Beispiel für die diskontinuierliche Produktion von Endlosteilen. Die Handläufe werden vorkonfektioniert und anschließend durch die Presse getaktet und Stück für Stück vulkanisiert. Damit die „Übergänge“ unsichtbar bleiben, muss die Presse auch unter Volllast sehr planparallel schließen. Für anspruchsvolle Produkte wird von der Presse eine Planparallelität von 0,2 mm auf 5 m Länge gefordert. Spezielle Heizplatten ermöglichen, die Einlaufzone zu kühlen. Damit wird eine saubere Trennung von vulkanisiertem und unvulkanisiertem Bereich gewährleistet.

Herstellung partikelfreier Stopfen wirtschaftlicher als beim Spritzgießen

Typische Beispiele für die Produktion von Gummiformteilen, die aus dem Fell gestanzt werden, sind Stopfen für pharmazeutische Verschlüsse. Diese Formteile werden hauptsächlich deshalb nicht spritzgegossen, weil dadurch die im pharmazeutischen Sinn partikelfreie Produktion von Gummiformteilen nicht möglich ist. Bei pharmazeutischen Verschlüssen gelten Partikel ab 0,3 μm Größe als Verschmutzung.

Diese Kleinstpartikel werden in der Regel vermieden, indem diese Produkte als Fell vulkanisiert und danach gestanzt werden. Dazu bietet sich das Compression Moulding an. Für die Produktion der Stopfen ist das CM-Verfahren oft wirtschaftlicher als das Spritzgießen, weil mit einer Pressung im Vergleich ein Vielfaches an Teilen produziert werden kann.

Große Profildichtungen oder große O-Ringe werden ausschließlich im Compression Moulding (CM) produziert. Um optimale Qualität zu gewährleisten, ist die Herstellung eins Rohlings erforderlich, der so weit wie möglich dem Endprodukt entspricht. So wird für die Produktion von großen O-Ringen eine extrudierte Rundschnur als Rohling eingelegt. Bei der eigentlichen Formgebung ist damit fast kein horizontaler Materialfluss notwendig. Bindenahtfehler oder ähnliche Fehlerbilder werden so zuverlässig vermieden und höchste Qualität sichergestellt.

Das Arbeiten an solchen Pressen lässt sich nur sehr schwer automatisieren. Aus diesem Grund kommt der Ergonomie eine zentrale Bedeutung bei. Wichtig dabei ist nicht nur eine vernünftige Bedienhöhe, sondern auch eine gute Zugänglichkeit zum eigentlichen Werkzeug. Weil für die Produktion großer O-Ringe fast ausschließlich runde Werkzeuge eingesetzt werden, bietet sich aus Ergonomiegründen der Einsatz runder Heizplatten und Schiebetischplatten an.

Pressen für diese Anwendung werden fast immer als Vakuumkammerpressen gebaut, um Lufteinschlüsse in der Dichtung zuverlässig zu vermeiden.

Lufteinschlüsse und Verschmutzung durch Vakuumkammer verhindert

Insbesondere bei der Produktion großer Dichtungen und Gummiformteile, die aus dem Fell gestanzt werden, hat das Vakuumkammersystem große Vorteile. Grund dafür ist eine immer komplexer werdende Formteilgeometrie. Eine integrierte Vakuumkammer hilft in idealer Weise nicht nur bei der Vermeidung von Lufteinschlüssen, sie verhindert auch das Eindringen von Schmutzpartikeln während des Pressvorgangs. Auch das Entlüften erfolgt nicht gegen atmosphärischen Druck, sondern unter Vakuumbedingungen und deshalb deutlich effektiver. Die Qualität der Gummiteile erhöht sich messbar.

Qualität und Wirtschaftlichkeit bestimmen Fertigungsverfahren

Art, Abmessung, Gewicht und geforderte Qualität der Produkte bestimmen das Fertigungsverfahren. Neben den Qualitätskriterien gibt die Wirtschaftlichkeit den Ausschlag für die Wahl eines der genannten Verfahren. Auf der Basis jahrzehntelanger Erfahrung können Maschinenhersteller schon im Vorfeld von Investitionsentscheidungen klare Empfehlungen geben. Wichtig dabei ist, Anbieter von Maschinen für unterschiedliche Verfahren zu fragen und nicht nur einen Hersteller von Spritzgießmaschinen. Was auf den ersten Blick „gehen“ mag, muss weder hinsichtlich der Qualität noch bezüglich der Produktivität die erste Wahl sein.

Dipl.-Wirtsch.-Ing. Stefan Herzinger ist Geschäftsführer der Wickert Maschinenbau GmbH in 76829 Landau/Pfalz.

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