Präzise Großteilbearbeitung in Namen der Windenergie

Die Aufgabe, die Werksleiter Stephan M. Stuby und Fertigungsleiter Uwe Knäbel im Werk der SHW Casting Technologies GmbH in Königsbronn mit ihren Mannen lösen mussten, war nicht einfach. Es galt, rund 80 t schwere Maschinenträger aus hochwertigem Guss in zwei Aufspannungen mechanisch komplett zu bearbeiten. Darunter eine Lagerbohrung mit einem Durchmesser von 3200 mm innerhalb der Toleranz H7 sowie eine schwierig zugängliche schräge Fläche im Inneren des Maschinenträgers.

„Die Arbeitsfolgen und Schnittparameter der jeweiligen Aufspannung mussten sorgfältig geplant werden, damit das Schruppen keine thermisch bedingten Formabweichungen bewirkte und die Finishbearbeitung in der gleichen Aufspannung erfolgen konnte“, so Stuby. Gemeinsam mit einem Werkzeughersteller wurden die einzelnen Bearbeitungsschritte festgelegt und die dazu gehörigen Werkzeuge bestimmt.

Einrichten des Maschinenträgers geschieht auf dem Bohrwerk

Auf die sonst üblichen Anrisse für die Bearbeitung von solch großen Gussteilen wurde verzichtet. „Dazu hätte es einer großen Anreißplatte bedurft und die stand nicht zur Verfügung, deshalb entschieden wir uns, das Einrichten des Maschinenträgers auf der Maschine mit einem Messtaster durchzuführen“, so Knäbel.

Ausgehend von der Lagerbohrung wird das Gussteil per Messtaster so ausgerichtet, dass auf allen zu bearbeitenden Flächen das entsprechende Aufmaß vorhanden ist. „Stellt sich beim Abfahren der Flächen heraus, dass vorgegebene Aufmaße nicht eingehalten worden sind, muss entsprechend vermittelt werden“, erklärt Knäbel. Die Bearbeitung des Maschinenträgers übernimmt ein Pama-Bohr- und -Fräswerk mit Traghülse Speedram 3000 mit Verfahrwegen in X, Y und Z von 18 000, 6500 und 1400 mm. Der Axialverfahrweg der Bohrspindel (W-Achse) ist 1200, der Gesamtaxialverfahrweg (W- und Z-Achse) 2600 mm. Der Maschinentisch ist für Werkstücke bis zu einem Gewicht von 100 t ausgelegt.

Für permanente Fertigungsgenauigkeit beim Bearbeiten des Maschinenträgers sorgen Kompensationssysteme, wie Pama-Vertriebsleiter Kai Förster erläutert: „Die Durchbiegung der Traghülse, die hydrostatisch umschlossen ist, wird ebenso kompensiert wie die Schwerpunktverlagerung des Spindelkastens und die Neigung des Maschinenständers.“

Auf einem Plattenfeld neben dem Dreh-Verschiebetisch des Bohrwerks wird der in der ersten Aufspannung bearbeitete Maschinenträger nach dem Wenden für die Fertigbearbeitung auf einer Vorrichtung ausgerichtet und gespannt. „Eine schwierige Aufgabe war auch das Wenden des tonnenschweren Maschinenträgers mit dem Kran zur weiteren Bearbeitung nach der ersten Aufspannung. Anhand eines Modells im Maßstab 1 : 20 ist es uns gelungen, die exakte Lastverteilung zu ermitteln, um den Maschinenträger problemlos wenden zu können“, erläutert Knäbel.

Minimierung der Anzahl der Aufspannungen wird immer wichtiger

„Neben der Stabilität der Werkzeugmaschine spielt aufgrund der immer größer werdenden Bauteile, nicht nur für Windkraftanlagen, das Handling der Werkstücke ebenso eine zunehmende Rolle wie die Minimierung der Anzahl der Aufspannungen“, weiß Thomas Ulrich, Vertriebsleiter der Union Werkzeugmaschinenfabrik GmbH in Chemnitz. Dieser Trend zu größeren Werkstücken war für Union Anlass, die Fahrständer-Bohrwerke PR 200/250 zu entwickeln. Außer der Vergrößerung des Spindeldurchmessers von derzeit 160 auf maximal 250 mm bietet die Maschine auch eine deutliche Erhöhung der Antriebsleistung auf 130 kW und des verfügbaren Drehmomentes auf 17 000 Nm. Es können Werkstücke bis zu 8000 mm Höhe und 250 t Gewicht bearbeitet werden.

Schweres Schruppen und ultrapräzise Finishbearbeitung auf einer Maschine

Die Eilganggeschwindigkeiten dieser neuen Maschinenbaureihe betragen bis zu 25 m/min. „Einzigartig ist die Möglichkeit, mit der Maschine sowohl schwere Schrupp- als auch ultrapräzise Finishbearbeitung durchführen zu können“, rückt Ulrich die Vorzüge des neuen Fahrständer-Bohrwerks ins rechte Licht. Erreicht wird das durch hydrostatische Führungen in den Achsen X, Y und Z.

Dazu nutzt Union eine pfiffige Lösung, nämlich die lastabhängig geregelte Hydrostatik, wie Ulrich erklärt: „Bei Belastungsänderungen an den Führungsbahnen ermöglicht dieses Prinzip durch individuelle Druckregelung in jeder Hydrostatik-Tasche geringste Spalthöhenänderungen unter Lasteinfluss. Im Ergebnis sind höchste Bearbeitungsgenauigkeiten am Werkstück erreichbar.“

Getrennte Bearbeitung von Getriebegehäuse und Deckel in gleichbleibend hoher Genauigkeit

Auch die kleinen Toleranzen für die Form- und Lagegenauigkeit der Bohrungen von Bauteilen für Windkraftanlagen, beispielsweise von Getriebegehäusen, stellen hohe Anforderungen an die Bearbeitung. Üblicherweise werden deshalb die vorgefertigten Gehäuseteile im gefügten Zustand endbearbeitet. Denn eine separate Bearbeitung von Gehäuse und Deckel gilt bei Qualitätsforderungen nach ISO 6 als nicht prozesssicher realisierbar. „Bei der Feinzerspanung des montierten Gehäuses ergeben sich allerdings Randbedingungen, die den Prozess aufwändig und teilweise auch unsicher machen, schon das Aufspannen der Werkstücke ist durch unregelmäßige Außenkonturen sehr zeitraubend und birgt die Gefahr des Verspannens“, konstatiert Thomas Warnatsch, geschäftsführender Gesellschafter der Mikromat GmbH.

Für solche schwierigen Fälle hat der Dresdner Werkzeugmaschinenhersteller für seine Präzisions-Portal-Fräsmaschinen eine Lösung entwickelt, die auch bei der getrennten Bearbeitung von Getriebegehäuse und Deckel eine gleichbleibende hohe Genauigkeit gewährleistet und die Funktionssicherheit der Komplettbaugruppe sicherstellt. Mit einem patentierten Verfahren werden die an den vertikalen Spindelstock angedockten Horizontal-Fräsköpfe kalibriert, so dass Umschlagbearbeitungen mit Genauigkeiten besser als 5 µm erfolgen können. „Auch der Bezug zur Senkrechtspindel ist mit dieser Genauigkeit gegeben“, betont Warnatsch.

Einsatz eines Messtasters halbiert Lageabweichungen

Durch den Einsatz eines Messtasters können die Lageabweichungen sogar halbiert werden. „Grundvoraussetzung“, so der Mikromat-Chef, „ist eine in den drei kartesischen Hauptachsen hochgenaue Grundmaschine.“ Als Beispiele nennt er die Portal-Bearbeitungszentren Mikromat 12V und 20V, die nicht nur in der Positionsabweichung der einzelnen Achsen höchste Güte bieten, sondern auch in der Winkligkeit und im dynamischen Verhalten der Achsen zueinander. Damit wird im gesamten Arbeitsraum der Maschinen die Konturgenauigkeit 0,005 mm erreicht. „Mit derart exzellenten Voraussetzungen entfällt die Gehäusebearbeitung im montierten Zustand, Gehäuse und Deckel können separat fertig bearbeitet werden“, freut sich Warnatsch.

Nach dem Montieren liegen dann selbst Bohrungen in der Trennfuge innerhalb der geforderten Form- und Lagetoleranzen. Treibt man noch höheren Aufwand, beispielsweise durch klimatisierte Räume, kann die Genauigkeit weiter gesteigert werden. „Weil diese Klimatisierung wirtschaftlich oft nur schwer vertretbar oder aus anderen Gründen nicht durchführbar ist, haben wir eine andere Lösung zur Steigerung der Präzision in üblichen Werkhallen mit unvermeidbaren Temperaturschwankungen gefunden“, so der Mikromat-Chef.

Maschineninterne Kühlsysteme werden aktuellen Umgebungstemperaturen nachgeführt

Das Prinzip: Über Temperaturfühler werden die Maschinentemperatur und eine geglättete Lufttemperatur erfasst. Alle maschineninternen Kühlsysteme und Prozesskühlschmiermittel werden den aktuellen Umgebungstemperaturen nachgeführt, so dass zwischen Maschine, Werkstück und Umgebung eine relative thermische Homogenität hergestellt wird. Erreichen die Temperaturschwankungen eine Größenordnung, die eine Kompensation durch die Maschine nicht mehr zulassen, erhält der Bediener auf dem Bildschirm der CNC einen Hinweis zur aktuell erreichbaren Genauigkeit.

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Bernhard Kuttkat MM MaschinenMarkt

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