PC-gesteuertes Feinpositioniersystem ermöglicht automatisiertes Drehen

Mit dem Transfer der Forschungsergebnisse zur Feinpositionierung von Werkstücken in den industriellen Fertigungsprozess befasst sich das Forschungsprojekt SFB 489-T4. Dabei wurde durch die Einbindung von Industriepartnern eine norm- und praxisgerechte Umsetzung bisheriger Forschungsergebnisse erzielt. Das Feinpositioniersystem besteht aus drei Teilsystemen: dem Feinpositionierspannfutter, der Messeinrichtung sowie einer Steuerbox. Beim Feinpositionierspannfutter wird darüber hinaus zwischen der Feinpositioniereinheit und der Spanneinheit unterschieden.

Nach dem Spannen eines Werkstücks über die Spanneinheit erfolgt der Hochlauf der Drehspindel der Werkzeugmaschine. Je nach Anwendung und Dynamik der Drehmaschine kann eine Messung dabei im Hochlauf selbst oder bei einer konstanten Drehzahl erfolgen. Aus der Verarbeitung der aufgenommenen Daten wird ein Korrekturvektor ermittelt, der an die Feinpositioniereinheit weitergegeben wird. Nachdem der Exzenter korrigiert wurde, erfolgt das Zerspanen des Werkstücks.

Funktion des Feinpositionierens darf nicht beeinträchtigt werden

Die Spanneinheit, also die Schnittstelle zwischen Feinpositioniereinheit und Werkstück, entwickelte das Unternehmen Schunk in enger Abstimmung mit der Leibniz-Universität Hannover. Die Spanneinheit muss alle Anforderungen an das Werkstück, die Maschine und die Bearbeitung in der automatisierten Serienfertigung erfüllen.

Zusätzlich darf die Funktion des Feinpositionierens nicht beeinträchtigt werden. Neben einer hohen Lebensdauer und einem möglichst großen Backenhub dürfen die Radialkräfte auf das Werkstück – verantwortlich für dessen Rundheit – ein Höchstmaß nicht überschreiten. Jedoch müssen die Schnittkräfte bei der Bearbeitung des Werkstücks sicher aufgenommen werden. Die entwickelte Lösung für diese Problemstellung ist die Membranspanntechnik, die außer den geforderten Eigenschaften nur wenig Platz benötigt und nur wenig wiegt. Dies ist wegen der durch die Feinpositionierung erzeugten Unwucht von großem Vorteil.

Mit 3D-Systemsimulation Bauteile dimensionieren und optimieren

Konstruktionsbegleitend wird bei der Schunk GmbH & Co. in Mengen mit dem FEM-Programm Ansys die Spannsituation und die Lebensdauer simuliert. Bei der Simulation wird die Spannmembran durch eine axial wirkende Druckkraft gezielt deformiert. Die Rückstellkraft wird über Trägerbacken übertragen, die auf der Spannmembran befestigt sind. Die auf den Trägerbacken befestigten verstellbaren Spannspitzen übertragen die Kräfte auf das Werkstück (Zahnrad).

Mit der 3D-Systemsimulation werden die Bauteile dimensioniert und optimiert. Dort lassen sich Erkenntnisse zur Bruchmechanik, Steifigkeit, Lebensdauer und zum Schwingungsverhalten treffen. Über Versuche an den durch das Unternehmen Schunk gefertigten Bauteilen sind die ermittelten Ergebnisse verifiziert worden.

Ein konoskopischer Lasersensor, der von der Messtechnik Schroth GmbH in Ebersbach bereitgestellt wird, erfasst das eingespannte Werkstück in der Werkzeugmaschine. Der punktförmige Abstandssensor funktioniert nach dem optischen Messprinzip der konoskopischen Holografie. Dabei enthält der Streifenabstand eines aufgenommenen Interferometermusters die Abstandsinformation zur Oberfläche.

Das Interferenzmuster beinhaltet selbst bei steilen Winkeln bis zu 85° zur Flächennormalen noch genügend Auswerteinformation. So können auch komplexe Oberflächengeometrien detailgetreu erfasst werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit dem Einsatz unterschiedlicher Linsen mit ein und demselben Sensor verschiedene Messbereiche und Genauigkeiten erzielt werden können. Aufgrund dieser Eigenschaften und der Messfrequenz von 3 kHz eignet sich dieser Sensor für dieses Feinpositioniersystem.

Exzentrizität des Werkstücks schnell und exakt bestimmen

Im automatisierten Prozess ist das Erfassen der steilen Flanken an den Zahnrädern für die schnelle und exakte Exzentrizitätsbestimmung des Werkstücks in der Maschine ein wichtiger Punkt. Weitere wichtige Eigenschaften des Sensors sind seine Kompaktheit, eine Ethernetschnittstelle sowie offene Programmierschnittstellen.

Abstandsmessdaten werden per Ethernet übertragen

Die Software zur schnellen und zuverlässigen Datenverarbeitung wird am Institut für Mess- und Regelungstechnik der Leibniz- Universität Hannover entwickelt. Kern der Datenerfassung sind die Signale des konoskopischen Sensors und des obligatorischen Winkelgebers der Drehspindel. Durch die Synchronisation beider Sensoren kann eine winkeläquidistante Abtastung des gespannten Werkstücks selbst bei schwankenden Winkelgeschwindigkeiten (Drehzahlen) erfolgen. Die Abstandsmessdaten des Sensors werden dabei über die Ethernetschnittstelle übertragen, die Winkelmessdaten werden über eine Encoderkarte aufgenommen.

Für eine (zeit-)effiziente Messung wird lediglich eine Umdrehung des Werkstücks, bei Zahnrädern ein Stirnschnitt der Verzahnung, aufgenommen [1]. Nach Fusion der Abstands- und Winkeldaten wird bezogen auf den Referenzwert (Nullwert) des Winkelgebers sortiert. Je nach Werkstück-Applikation werden Extraktionsfilter und/oder digitale Filter zur Messdatenaufbereitung verwendet.

Feinpositioniereinheit des Spannfutters mit Piezoaktoren als Stellglieder ausgerüstet

Zur schnellen Exzenterbestimmung bei Zahnrädern wird durch die Software der Fußkreis oder der Kopfkreis extrahiert, bei rotationssymmetrischen Werkstücken ist dieser Schritt nicht notwendig. Die Berechnung erfolgt über eine Einpassung (Least Square Fit) der extrahierten Messdaten. Der berechnete Mittelpunkt der Kreis-einpassung wird mit den Achsen des Feinpositionierspannfutters synchronisiert und daraus der Korrekturvektor errechnet und an die Feinpositioniereinheit übergeben.

Bei einer typischen Messung von 3000 Messpunkten pro Werkstück und einer Messfrequenz von 3 kHz werden Standardabweichungen des Exzenterfehlers von besser 0,3 µm bei einer Mess- und Auswertedauer

Am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz-Universität Hannover wurden die Grundlagen für das Feinpositionierspannfutter mit zwei Freiheitsgraden geschaffen [2]. Das Feinpositionierspannfutter wird durch eine Kegelaufnahme nach DIN 55028 über einen Adapter mit der Spindel der Drehmaschine verbunden. Die Feinpositioniereinheit des Spannfutters verwendet Piezoaktoren als Stellglieder, die sowohl über eine hohe Positioniergenauigkeit als auch über die notwendige hohe Steifigkeit verfügen.

Vier Piezoaktoren sind sternförmig um den in der Mitte liegenden, beweglichen Kern angeordnet. Einerseits werden diese gegen den nicht verstellbaren Basisring abgestützt, andererseits drücken sie auf den Kern, der werkstückseitig mit dem verstellbaren Basisring mithilfe einer Membran befestigt ist. Durch die Gegenspieleranordnung wird beim Ausdehnen des einen und beim Stauchen des anderen Aktors der Kern gekippt und somit der verstellbare Basisring bewegt.

Durch Gitterstrukturen wird eine spielfreie Führung erreicht. Der Aufbau der Feinpositioniereinheit wurde so ausgelegt, dass diese eine hohe Steifigkeit in Richtung der Bearbeitungskraft aufweist, dennoch nachgiebig in Stellrichtung ist. Die Spanneinheit befindet sich auf dem verstellbaren Basisring, die mit einer Druckstange hydraulisch betätigt wird und das Spannen eines Bauteils ermöglicht.

Feinpositionier-Spannfutter ist komplett abgedichtet

Die berührungslose Energieübertragung besteht aus zwei Spulenringen, wobei der eine stehend an der Drehmaschine fixiert ist und der zweite mit der Feinpositioniereinheit rotiert. Das Feinpositionierspannfutter ist komplett abgedichtet, so dass die innen liegenden elektronischen Komponenten vor Umgebungseinflüssen geschützt sind.

Nach analytischen Berechnungen beträgt der Stellweg der Feinpositioniereinheit ± 60 μm mit einer radialen Abtriebssteifigkeit von 25 N/µm. Durch den Leichtbau des Feinpositionierspannfutters wird eine Auswuchtgüteklasse von G6,3 bei 3000 min–1 nach DIN ISO 1940 angestrebt.Alle notwendigen Steuerungsaufgaben sowohl zum Betrieb des Feinpositioniersystems als auch zur Einbindung in das Maschinen- und Produktionsumfeld übernimmt die Steuerbox. Die hardwaretechnische Umsetzung für dieses Teilsystem übernimmt die Eras GmbH aus Göttingen.

Die Steuerbox basiert auf einem Industrie-PC für den Einbau in Maschinenschaltschränken. Als zentrale Recheneinheit bestimmt sie aus den Messdaten der Werkstücke die jeweiligen erforderlichen Stellgrößen zur Feinpositionierung und übermittelt entsprechende Steuerbefehle an das Feinpositionierspannfutter. Die Kommunikation mit dem konoskopischen Lasersensor erfolgt über eine Ethernetschnittstelle. Zur Erfassung des Drehwinkelsignals der Werkzeugmaschine über den Inkrementalgeber der Drehspindel ist eine Encoder-Schnittstelle implementiert.

USB-Bluetoothdongle überträgt Stellgrößen drahtlos

Über einen USB-Bluetoothdongle erfolgen das drahtlose Monitoring und die Übertragung der Stellgrößen für die Feinpositionierung an das Feinpositionierspannfutter. Zusätzlich bietet die Steuerbox eine Schnittstelle zur Maschinensteuerung (Profibus) und eine zweite Ethernetschnittstelle zu externen Instanzen wie dem Qualitätsmanagement oder einem Remote-Zugriff auf die Steuerbox für Set-up und Monitoring. Bei voller Maschinenintegration der Steuerbox laufen sämtliche Vorgänge über das LAN.

Literatur

[1] Pahlke, A., R. Gillhaus, M. Schroth, M. Kästner und E. Reithmeier: Mit scharfem Blick. Konoskopische Lasersensoren erfassen komplexe Bauteile. QZ – Qualität und Zuverlässigkeit, 54(2009)6, S. 43-45.

[2] Denkena, B., H.-C. Möhring, S. Rosen, E. Reithmeier, M. Kästner und A. Pahlke: Adaptronische Feinpositionierung – Lösungsansatz zur Produktivitätssteigerung. VDI-Tagung Automation 2009, 16.-17. Juni 2009, Baden-Baden, VDI-Berichte, S. 353-356.

Dipl.-Ing. (BA) Achim Pahlke M. Sc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mess- und Regelungstechnik der Leibniz-Universität Hannover; Dr.-Ing. Markus Kästner ist Arbeitsgruppenleiter am selben Institut; Prof. Dr.-Ing. Eduard Reithmeier ist dort Institutsleiter. Dipl.-Ing. Simon Rosen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz- Universität Hannover; Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena, ist dort Institutsleiter. Dipl.-Ing. (FH) Philipp Schräder ist Projektingenieur bei der H.-D. Schunk GmbH & Co. in Mengen, Martin Schroth ist Geschäftsführer der Messtechnik Schroth GmbH in Ebersbach, Dipl.-Ing. Martin Schiedewitz ist Projektingenieur bei der Eras GmbH in Göttingen. Die Autoren danken der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Unterstützung dieses Transferforschungsprojektes und des gesamten Sonderforschungsbereichs 489.

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