Endlosherstellung gebogener Profile öffnet Märkte für Faserverbundwerkstoffe

Die Thomas GmbH + Co. Technik und Innovation KG, Bremervörde, hat die Abläufe des Pultrusionsverfahrens zur Endlosherstellung faserverstärkter Kunststoffprofile umgedreht: Nicht das Profil wird durch das Formwerkzeug gezogen, sondern das Werkzeug schrittweise über das Halbzeug geführt. Diese Umkehrung ermöglicht die Herstellung gebogener, endlosfaserverstärkter Profile.

Dass ein kontinuierlich, kostengünstig arbeitendes Verfahren für zwei- oder dreidimensional gebogene Kunststoffprofile mit Endlosfaserverstärkung bisher am Markt nicht existierte, darin sieht der Prozessspezialist und -anwender eines der Haupthemmnisse für eine stärkere Verbreitung von Faserverbundwerkstoffen auf Massenmärkten (Bild 1).

Schnelligkeit und Automation ist Basis für Wirtschaftlichkeit der Pultrusion

Bei der Profilpultrusion handelt es sich grundsätzlich um ein Strangziehverfahren in offener oder geschlossener Ausführung. Die Verarbeitung erfolgt direkt von den Rollen.

Beim offenen Verfahren werden die Endlosfasern über eine Tauchwalze durch eine Harzwanne (Tränkwanne) gezogen. Ein Kadiergitter sorgt für die gewünschte Faserverteilung im herzustellenden Profil. Getränkt mit Kunstharz durchlaufen die Fasern mehrere Vorformstationen. In jeder Station wird das Faserharzgemisch immer näher an die endgültige Form herangeführt.

Beim geschlossenen Verfahren findet dagegen die Formgebung in einer Station statt – im Ziehwerkzeug, wo die Fasern bei erhöhtem Druck mit Harz getränkt werden. Das führt nicht nur zu einem höheren Benetzungsgrad der Fasern, auch lässt sich dadurch der Faservolumenanteil der Profile steigern.

Harz härtet im Werkzeug kontinuierlich aus

Einmal im Werkzeug angelangt, härtet das Harz bei Temperaturen von 100 bis 200 °C kontinuierlich aus. Das Ergebnis ist ein quasi endloses gerades Profil, das anschließend in beliebig lange Teile zersägt wird.

Kennzeichnend für das Verfahren sind vor allem die hohe Ziehgeschwindigkeit und der enorme Automatisierungsgrad. Das macht die Herstellung von Profilen aus Endlosfasern und duroplastischem Harz kostengünstig.

Jedoch lassen sich bei diesen Abläufen die Vorteile der Pultrusion nicht auf gebogene Profile übertragen. Darin sah der Prozessspezialist und -anwender Thomas den Entwicklungsansatz für das Verfahren Radius-Pultrusion – mit dem Ziel, die eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit von Faserverbundwerkstoffen bei Profilen im Vergleich zu Stahl und Aluminium zu beseitigen (Bilder 2 und 3 – siehe Bildergalerie).

Der Clou der Entwicklung besteht darin, die mit Harz getränkten Fasern während des Aushärtens durch ein gekrümmtes Formwerkzeug zu ziehen. Dass dabei das Werkzeug über das Halbzeug geführt wird, eröffnet die Möglichkeit, zwei- oder dreidimensionale Profilbögen mit konstanten Krümmungen herzustellen.

Beliebige Krümmungen der Profile in Zukunft möglich

Sollte es in Zukunft auch elastische Formeinsätze geben, hält man sogar beliebige Krümmungen für möglich. Jedoch auch ein gleichbleibender Krümmungsradius erweitert den Anwendungsbereich für Profile aus Faserverbundwerkstoffen erheblich.

In der Luftfahrttechnik benötigt man zum Beispiel kreisförmige Spanten für Flugzeugrümpfe aus CFK. Auch Rundbögen für isolierende Fenster lassen sich mit dieser Entwicklung herstellen. Weitere potenzielle Anwendungen hat man bei Brücken, Leitungsführungen und Tankbehältern ausgemacht.

Produktionstempo steigt mit zunehmendem Profilradius

Die Gründe für das große Anwendungspotenzial liegen in der Modifikation dieser Entwicklung. So ist damit die Endlosherstellung von Kreis- und Schraubenbögen mit praktisch beliebigen Radien und Steigungen möglich (Bild 4) – und somit auch die Herstellung von Federn. Kurzfristig sind laut Thomas Radien von 500 bis 1000 mm umsetzbar.

Je größer der Radius ist, desto schneller die Herstellungsgeschwindigkeit. Diese Abhängigkeit liegt an der limitierten Formlänge des gekrümmten Ziehwerkzeugs: Die Geschwindigkeit darf bei der Herstellung ebener Profilbögen ein Viertel des Kreisumfangs nicht überschreiten. Bei spiralförmigen Profilen wurde dagegen theoretisch keine solche Begrenzung lokalisiert: In diesem Fall sei eine auf die Anwendung bezogene Entwicklung erforderlich.

Bei einem ebenen Profilbogen mit 500 m Radius liegt die maximale Formlänge des Werkzeugs bei knapp 800 mm. Daraus ergibt sich eine maximale Herstellungsgeschwindigkeit die bei Polyester oder Epoxid als Kunstharz etwa 0,4 m/min, bei Polyurethan und PES als Mischharz etwa das Doppelte beträgt.

Verstärkungsfasern beeinflussen mechanische Eigenschaften der Profile

Der Grund dafür liegt im unterschiedlichen Aushärtungsverhalten dieser Matrixwerkstoffe, in denen die Verstärkungsfasern unidirektional, als Gewebe oder Geflecht eingebettet sind. Außer Carbon- und Glasfasern kann es sich dabei auch um Naturfasern handeln. Von der Art und Dichte der Verstärkungsfasern hängen die mechanischen Profileigenschaften ab.

Am Ende erhält man Profile, die laut Thomas stabil wie Stahl und leicht wie Aluminium sein können. Bezüglich der Steifigkeit und Festigkeit gelten den Angaben zufolge die gleichen Werte wie bei konventionell pultrudierten Profilen. Generell werden Anwendungen für gebogene, faserverstärkte Profile überall dort gesehen, wo leichte, aber stabile Strukturelemente erforderlich sind. Dieses breite potenzielle Anwendungsspektrum, das dieses Pultrusionsverfahren den Profilen aus Faserverbundwerkstoffen eröffnet, hat Fachleute in Europa überzeugt.

Ausdruck dafür sind verschiedene Auszeichnungen, die diese Entwicklung auf Messen inzwischen erhalten hat: wie den „Best of Materialica Design & Technology Award“ in München im vergangenen und den zweiten Platz beim „JEC Innovation Award“ in Paris in diesem Jahr. Vor kurzem ist die Verfahrensentwicklung Radius-Pultrusion – bei über 70 Einreichungen – bis in die Endausscheidung um den Hermes Award 2009 vorgestoßen.

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