Direktgetriebene Handlingeinheit sorgt für Werkzeug- und Werkstücktransport

Um die Produktivität seiner Werkzeugmaschinen besonders im Hinblick auf mittlere bis große Serien zu steigern, stellte die Heller Automotive GmbH alle Maschinen und Anlagen des Werkzeugmaschinenherstellers Gebr. Heller Maschinenfabrik auf den Prüfstand und suchte nach Optimierungspotenzial. Dabei sollte das System flexibel bleiben und nicht teurer werden.

Viele Nebenzeiten in der Automation

Bei der Untersuchung fiel auf, dass sehr viele Nebenzeiten in der Automation – also dem Transport von Werkzeug und Werkstück – verloren gehen. Folglich galt es, die Transportwege zu verkürzen und dennoch so flexibel zu bleiben, dass die einzelnen Bearbeitungsmodule über Jahre hinweg einfach an neue Anforderungen angepasst werden können. Außerdem sollte das Gesamtsystem in der Lage sein, alles, vom Rohteil bis zur Fertigbearbeitung, zu erledigen.

Dieses umfangreiche Gesamtlastenheft konnte nicht mit einer klassischen Linienstruktur erfüllt werden. Die Idee, Maschinen parallel anzuordnen, links und rechts von einer Handlingeinheit, die für den Werkzeug- und Werkstücktransport zuständig sein sollte, war die Lösung. In Zusammenarbeit mit Siemens entstand das Module-Line-System (MLS).

Bei der Entwicklung des MLS berücksichtigte Heller alle Anforderungen der Automobilfirmen – besonders die Platzverhältnisse. Deshalb sind die Bearbeitungsmodule sehr schmal und benötigen nur kurze Verfahrwege im Automatisierungssystem. Zweireihig aufgebaut und mit einer 2 m breiten Handlingeinheit in der Mitte kommt das gesamte MLS auf 14 m Breite.

Die Länge des MLS ist abhängig von der Anzahl der Bearbeitungsmodule. Allein das verwendete Absolutmesssystem beschränkt das MLS zurzeit auf eine Länge von etwa 30 m.

Etwa mit diesen Maßen wurden bereits zwei MLS mit insgesamt 15 Bearbeitungsmodulen zuzüglich diverser Sondereinheiten ausgeliefert. Beide Projekte wurden vom Auftragseingang bis zur Auslieferung mit einer Durchlaufzeit von rund drei Monaten abgewickelt.

Vorteile bei mittleren und großen Serien

Das Module-Line-System von Heller spielt seine Vorteile primär bei mittleren und großen Serien aus. Durch den parallelen Aufbau mit linearer Materialtransporteinheit, der so genannten Module Handling Unit (MHU), sinkt der Platzbedarf um fast 30% im Vergleich zu konventionellen Anlagen. Außerdem sind alle Maschinen über sehr kurze Wege miteinander verkettet. Dennoch summieren sich die Verfahrwege der Handlinggeräte auf der Hauptfahrachse auf über 10 000 km pro Jahr.

Aus diesem Grund darf das integrierte Antriebssystem keinem mechanischen Verschleiß unterliegen. Schließlich kann es sich kein Automobilhersteller oder -zulieferer erlauben, dass die Handlingeinheit einer Bearbeitungsanlage mit mehr als 40 Maschinen in absehbaren Zeitabständen ausfällt.

Deshalb kamen Zahnstangen- oder Ritzelmodule nicht in Frage. Abgesehen vom größten Manko dieser Antriebskonzepte – dem Verschleiß – sind sie darüber hinaus im Betrieb relativ laut, und der Justageaufwand ist bei Dimensionen von 30 m erheblich.

Neuartiger Linearmotor bietet Preisvorteil

Heute treibt ein linearer Direktantrieb die MHU an. Er unterliegt keinem mechanischen Verschleiß, bewegt sich leise und ist zugleich crashunempfindlich.

Der Antrieb unterscheidet sich deutlich von konventionellen Linearmotoren, vor allem im Preis: Denn die teuren Magnetplatten befinden sich üblicherweise im Sekundärteil des Motors und erstrecken sich damit über die gesamte Verfahrlänge.

Lange Magnetbahn eines Linearmotors birgt Gefahren

Außerdem geht von der langen Magnetbahn, bedingt durch die hohen Anziehungskräfte, stets eine Gefahr aus. Bei Montage- oder Reparaturarbeiten wird diese oft unterschätzt und mitunter etwas leichtfertig mit Metallteilen wie Schrauben und Muttern umgegangen, was zu Problemen hinsichtlich der Arbeitssicherheit führen kann.

Mit dem neuen Lineardirektmotor 1FN6 konnte Siemens die bisherigen Nachteile bei Preis und Arbeitssicherheit beseitigen und gleichzeitig wichtige Vorteile für Anwender wie Verschmutzungsunempfindlichkeit, Robustheit und Alterungsbeständigkeit der Gesamtanlage verbessern. Die Idee, die Magnete in das Primärteil zu integrieren, führte dazu, dass erheblich weniger Magnete benötigt werden und der Linearmotor damit deutlich kostengünstiger wird.

Linearmotor-Sekundärteile kommen ohne Magnete aus

Die magnetlosen Sekundärteile des Linearmotors 1FN6 sind möglich, weil sich die für die Erregung zuständigen Permanentmagneten im Primärteil jeweils in der Mitte einer Polspule befinden. Die Nord-Süd-Ausrichtung wechselt dabei von einer Polspule zur nächsten. Als Sekundärteil kommt ein gezahntes und geblechtes Eisenprofil zum Einsatz, um die Wirbelstromverluste zu reduzieren.

Kostensparend wirkt sich auch aus, dass der bei Heller eingesetzte lineare 1FN6-Direktantrieb für diesen Einsatzfall kein externes Kühlsystem benötigt, sondern mit so genannter Selbstkühlung auskommt. Dies konnte durch die Antriebsdimensionierung und eine entsprechende Auswahl des für Selbstkühlung ausgelegten 1FN6-Linearmotors erreicht werden.

Bis zu vier Handlinggeräte bewegen sich mit 120 m/min

Bis zu vier Handlinggeräte können innerhalb des Module-Line-Systems gleichzeitig Werkzeuge und Werkstücke zu den Maschinen transportieren. Sie sind mit einer Geschwindigkeit bis zu 120 m/min unterwegs und transportieren Werkstücke sowie Werkzeuge innerhalb von etwa 30 s von einer Maschine zur nächsten.

Alle Bearbeitungsmodule haben einen Rüstplatz vor der Maschine und sind mit einem schnellen Werkstückwechsler ausgestattet, der den Arbeitsraum von der Automation entkoppelt. So werden jegliche Wartezeiten minimiert und die Gesamtproduktivität optimiert.

Dipl.-Ing. (FH) Bernd Zapf ist Entwicklungsleiter im Bereich Heller Automotive bei der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH in Nürtingen. Reinhard Knoll ist Global Account Manager bei der Siemens AG im Bereich Industry Automation und Drive Technologies in Stuttgart.

Media Contact

Bernd Zapf und Reinhard Knoll MM MaschinenMarkt

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