Elektrische Handlingmodule als Schlüssel zur wirtschaftlichen Automatisierung

Der Kostendruck in der Serienproduktion von Konsumgütern oder technischen Produkten zwingt die Hersteller entsprechender Fertigungs- und Montagesysteme dazu, ihre Konstruktionen zu überdenken. Die Kunden sind nicht mehr bereit, die Montage mittels High-End-Lösungen zu automatisieren, wenn dahinter nicht auch konkrete, nachhaltige Wirtschaftlichkeitsvorteile zu erkennen sind.

In der Praxis führt dies dazu, dass nicht mehr buchstäblich um jeden Preis automatisiert wird, obwohl so manches Projekt durchaus hoch automatisierungswürdig wäre — wenn die Automation sich denn als beherrsch- und bezahlbar darstellen ließe.

Letztlich kommt es auf die Kreativität der Sondermaschinen-Konstrukteure und der Anwendungstechniker an, mit welchen Mitteln sie die Anforderungen ihrer Kunden erfüllen wollen. Eine große Hilfestellung geben dabei die Hersteller von Montagetechnik-Komponenten wie Afag mit ihren Handlingmodulen und Greifereinheiten, die heute in vielen Montagezellen und Montageanlagen die Basis für das Material- oder Tool-Handling bei unterschiedlichen Zuführ-, Füge-, Schraub- oder Prüfprozessen darstellen.

Im Gegensatz zu früher würde heute kaum noch ein Sondermaschinenhersteller solche Komponenten selbst anfertigen, zumal der Markt ein breites Spektrum an pneumatisch oder elektrisch betriebenen Handlingmodulen bietet.

Pneumatisch betriebene Handlingmodule bieten zu wenig Flexibilität

Grundsätzlich werden heute überwiegend die pneumatisch betriebenen Handlingmodule für X-, Y-, Z- und Dreh- oder Schwenk- sowie Greifbewegungen installiert und das bleibt, je nach Anforderungen, Bewegungsabläufen und Taktzeiten bis auf weiteres auch so.

Allerdings kommen parallel oder in Kombination dazu verstärkt elektrische Handlingmodule zum Einsatz, vor allem dann, wenn eine höhere Ablauf- und Positionier-Flexibilität gefragt ist, wenn öfters umgerüstet werden muss, wenn Rüstvorgänge automatisch vorgenommen werden sollen oder wenn komplexere Mehrfachfunktionen innerhalb eines teilweisen oder ganzen Montageprozesses unterschiedliche Abhol-, Umsetz- und Fügepositionen erfordern.

Von den technischen Vorteilen bei der Verwendung elektrischer Handlingmodule oder größerer Portalachsen profitieren aber nicht nur die Endkunden, sondern auch die Sondermaschinenhersteller. Nämlich dahingehend, dass die Funktionen eines elektrischen Handling- oder Portalmoduls oftmals aufwändige mechanisch-pneumatische Handling-Alternativen erübrigen, wodurch sich die Konstruktions-, Fertigungs-, Montage- und Installationskosten im Anlagenbau reduzieren. Das wiederum bringt mehr Kalkulationsspielräume und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit.

Montagezelle mit elektrischen Handlingmodulen bringt auch dem Hersteller Vorteile

Ein gutes Beispiel für eine solche Win-Win-Situation stellt eine Montagezelle für so genannte Flachdach-Abdichtungsbefestigungen der Harald Zahn GmbH dar. Dabei handelt es sich um Massenprodukte, die in verschiedenen Varianten in sehr hohen Stückzahlen gefertigt und für die automatische Verarbeitung am Schluss auf einem Magazinband gegurtet werden müssen. Die Kunststoff-Schraubkombinationen bestehen jeweils aus einer, je nach Variante verschieden langen Selbstbohrschraube sowie einer Kunststoffkopfplatte und diese Einzelteile werden in Massen vorgefertigt.

Die Montagezelle, konzipiert und hergestellt vom Vorrichtungs- und Sondermaschinen-Hersteller CRG Automationstechnik GmbH, hat die zunächst nur vermeintlich recht einfache Aufgabe, die Selbstbohrschraube und die Kunststoffkopflatte zusammenzufügen und zudem unverlierbar in ein Magazingurtband bestimmter Länge einzusetzen. Doch ganz so einfach gestaltete sich die Sache dann doch nicht.

Denn es gab klare Anforderungen bezüglich der gewünschten Ausstoßmenge pro Zeiteinheit, der Umrüstflexibilität für Produktvarianten und der Flexibilität zur Bestückung verschiedener Gurtbandlängen. Alternativ muss die Montage von Schraube und Kunststoffteil ohne Gurtung möglich sein, und es gilt N.i.O.-Teile vor der Gurtung zu erkennen und als fehlerhaft auszuschleusen.

Anwender und Anlagenbauer erstellen gemeinsames Konzept

In enger Zusammenarbeit des Anwenders und des Anlagenbauers wurde ein Konzept erarbeitet, wobei CRG als Lösung eine Rundtaktmaschine favorisierte. Im Wesentlichen besteht die Montageanlage aus dem Rundtaktsystem, diversen pneumatischen Handlingmodulen, zwei Vibrationsfördersystemen, elektrischen Portalhandlingmodulen, Greifern, Taktbandzuführungen und einer Rüststation.

Während die meisten Funktionen in der Anlage mit handelsüblichen Komponenten realisiert werden konnten, holte sich CRG bezüglich der aus mehreren Gründen unerlässlichen elektrischen Portalhandlingmodule die Handling-Spezialisten von Afag ins Haus.

Nach Analyse der verschiedenen zu bewältigenden Handling- und Positionieraufgaben empfahl Afag ein elektrisches Portalmodul mit 820 mm Hub, ausgerüstet mit Zahnriemenvorgelege und Servomotor, sowie ein weiteres elektrisches Portalmodul in Kompaktausführung mit 400 mm Hub, ebenfalls mit Zahnriemenvorgelege und Servomotor. In Kombination mit den anderen Komponenten ist die Montagezelle in der Lage, innerhalb kürzester Zeit bis zu 20 Befestigungssets komplett zu fügen, zu verpressen und in die Magazingurte einzusetzen.

Pneumatische und elektrische Handlingmodule arbeiten zusammen

Dabei gestaltet sich der Ablauf wie folgt: Sowohl die Kunststoffkopfplatten als auch die Selbstbohrschrauben werden lagerichtig aus einem Zentrifugalförderer oder einem Wendelförderer zugeführt. Das Fügen der Schraube und des Kunststoffteils erfolgt mit einem pneumatischen Handlinggerät. Anschließend wird die Schraube auf Maß in den Kunststoffhalter eingepresst.

Die fertig montierten Kunststoff-Schraubkombinationen werden zu wahlweise fünf (ovale Halter) oder vier Stück (runde Halter) aufgereiht, von einem elektrisch betriebenen Portalhandlingsystem mit Mehrfachgreifer aufgenommen und sukzessive in das bereitstehende Magazingurtband eingesetzt. Zum Takten in den Fünfer- oder Vierer-Schritten eignen sich die elektrischen, frei positions- und ablaufprogrammierbaren Portalhandlingmodule vor allem wegen ihrer Verfahr- und Positioniergeschwindigkeiten sowie der reproduzierbaren Positioniergenauigkeit.

Bei CRG sieht man die elektrischen Handlingmodule auch als eine Art Schlüssel für das Investment in die automatisierte Montage und Gurtung: Mit den elektrischen Portalmodulen konnten gleich mehrere Anforderungen erfüllt und anspruchsvolle Funktionen realisiert werden, was sonst nur mit einem hohen Mechanik-, Pneumatik- und Elektrikaufwand möglich gewesen wäre. Das aber hätte die Anlage derart verteuert, dass es womöglich gar nicht zur Realisierung gekommen wäre.

Edgar Grundler ist Fachjournalist in 78476 Allensbach. Reinhard Kissel ist tätig im Verkauf Außendienst bei der Afag GmbH in 71229 Leonberg.

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