Hohe Anforderungen an Bremsen der Regalbediengeräte

Servomotorisch angetriebene Regalbediengeräte sind als schienengeführte, einspurige Fahrzeuge zentrale Teilsysteme innerhalb eines Hochregallagers. Ihre Bauhöhe beginnt bei rund 6 m und endet bei etwa 46 m. Als Fahrantriebe kommen meist riemenbasierte Omegasysteme oder Radantriebe zum Einsatz.

Weil die Einheiten häufig vollständig automatisiert in Betrieb sind, folgen daraus hohe Ansprüche an die Regelung und Positioniergenauigkeit der Antriebe. Sie setzen sich aus den Hauptkomponenten Servomotor und Servoumrichter zusammen.

Der Umrichter wandelt die elektrische Leistung des Netzes geregelt in Leistung für den Motor. Er besteht seinerseits aus Leistungs- und Steuerelektronik zur Regelung, Sollwertgenerierung sowie Überwachung der Komponenten.

Servomotoren zeichnen sich insgesamt durch ihre schlanke Bauform mit hoher Leistungsdichte, geringer Trägheit und hohem Wirkungsgrad aus. Im Vergleich zu Standard-Drehstrommotoren sind sie wesentlich kompakter, sodass sie auf kleinem Raum die erforderliche Leistung für die Fahr- und Hubbewegungen zur Verfügung stellen.

Servomotoren für Regalbediengeräte

Ein Servomotor besteht aus dem Aktivteil zur Drehmomenterzeugung und dem Sensor zur Winkel- und Drehzahlrückführung. Damit erzeugt er die mechanische Leistung für das Regalbediengerät. Deshalb setzt Lenze als Antriebslösung für Regalbediengeräte Servomotoren der Reihe MCA/MQA mit Federkraftbremse in Verbindung mit Servo-Umrichtern der Typen Servo Drives 9400, ECS und 9300 Servo ein.

Einen typischen Aufbau für ein Regalbediengerät mit zwei Motoren für den Fahrantrieb und einem Motor für den Hubantrieb sieht man im Bild oben. Der Fahrantrieb arbeitet mit Rädern auf einer Stahlschiene, der Hubantrieb nutzt einen Zahnriemen zur Umsetzung der Motordrehung in die Hubbewegung.

Damit die Motoren ihre Position auch im stromlosen Zustand halten, sind Bremsen integriert. Sie sorgen auch für das sichere Stillsetzen des Antriebs im Falle eines Notstopps.

Regalbediengerät muss präzise halten

Die Regalbediengeräte fahren gezielt die Positionen im Regal für die Einlagerung und Entnahme der Waren an. Dazu beschleunigt das Regalbediengerät in kürzester Zeit auf Maximalgeschwindigkeit und bremst dann so ab, dass es genau an der vorgegebenen Position des Regals zum Stehen kommt. Dabei lassen sich drei Bremsarten definieren:

-betriebsmäßiges Bremsen, um eine Position des Regals zielgenau anzufahren,

-Halten der Position im Stillstand,

-Notstopp mit dem schnellstmöglichen Stillsetzen des Regalbediengeräts.

Beim betriebsmäßigen Bremsen regelt der Servo-Umrichter den Motor so, dass er als Generator arbeitet, dabei Energie aus der Bewegung in elektrische Energie wandelt und diese in den Spannungszwischenkreis der Servogeräte speist. Dieses Potenzial lässt sich von anderen angeschlossenen Verbrauchern effizient nutzen – beispielsweise vom Hubantrieb beim gleichzeitigen Heben von Lasten. Energie, die nicht von anderen Verbrauchern benötigt wird, wandelt ein Bremswiderstand in Wärme um. Ein zweiter Weg ist die Rückspeisung der Leistung über ein Rückspeisemodul in das Versorgungsnetz.

Kein zusätzlicher Verschleiß beim Regalbediengerät durch elektrisches Bremsen

Das elektrische Bremsen verursacht keinen zusätzlichen Verschleiß an den Antrieben. Immerhin treten bei einem Regalsystem mit maximal 120 Materialbewegungen je Stunde bei einer Jahresbetriebszeit von 5000 h und einer mittleren Auslastung von 25% pro Jahr rund 150000 Bremsungen auf, die die Antriebe problemlos meistern müssen.

Die Motoren sind ferner in der Lage, die Position im Stillstand – beispielsweise beim Ein- oder Auslagern von Waren – zu halten, benötigen dazu aber elektrische Leistung. Ist eine Position über einen längeren Zeitraum, zum Beispiel von mehr als 20 s, zu halten, übernehmen mechanische Bremsen diese Aufgabe.

In diesem Fall werden die Bremsen ohne Drehbewegung eingesetzt. Folglich wird keine kinetische Energie durch Reibung in Wärme umgesetzt, sodass der Verschleiß praktisch null ist.

Regalbediengeräte zuverlässig stoppen

Der Notstopp eines Regalbediengeräts erfordert hingegen das schnellstmögliche Stillsetzen der Hub- und Fahrbewegung. Dieser Fall kann dann eintreten, wenn beispielsweise herabgefallene Waren, ausgefallene Sensoren oder unterbrochene Kommunikationsleitungen den Ablauf stören. Zwei weitere Szenarien sind Stromausfall und das unberechtigte Öffnen eines Schutzgitters.

In allen drei Fällen müssen die mechanischen Bremsen – gegebenenfalls unterstützt durch das elektrische Bremsen – die gesamte kinetische Energie des Regalbediengeräts in Wärme umsetzen und die Antriebe – auch ohne Stromversorgung – zuverlässig stillsetzen.

Diese Bremsvorgänge sind durch die großen Energien der Regalbediengeräte verschleißbehaftet. So muss die Bremse des Fahrantriebs beispielsweise eine Energie von 45 kJ (ein Motor) oder 22,5 kJ (Doppelantrieb mit zwei Motoren) bei einem Regalbediengerät mit 2,5 t Masse und einer Maximalgeschwindigkeit von 6 m/s durch Reibung in Wärme umsetzen.

Dazu ist die Federkraftbremse bei Lenze direkt in die Motoren der Reihen MCA/MQA sowie die Drehstromasynchronmotoren MDXMA eingebaut. Bei Permanentmagnetbremsen stellen Permanentmagnete (zum Beispiel aus einer Neodym-Eisen-Bor-Legierung) die Normalkraft auf die Reibflächen zur Erzeugung des Bremsmomentes zur Verfügung.

Das Drehmoment resultiert aus der Normalkraft und dem Reibkoeffizienten der Reibflächen. Permanentmagnetbremsen nutzen üblicherweise die Werkstoffpaarung Stahl-Stahl. Federkraftbremsen erzeugen hingegen die Normalkraft mit Stahlfedern. Sie haben in der Regel einen organischen Reibbelag in Kombination mit Stahl als Werkstoffpaarung.

Werkstoffpaarung entscheidet über Bremsverhalten des Regalbediengeräts

Die Werkstoffpaarung ist ausschlaggebend für das Brems- und Verschleißverhalten. Die Kombination Stahl-Stahl hat das höchste Drehmoment im Stillstand und bei kleinen Drehzahlen. Mit zunehmender Drehzahl – und damit zunehmender Gleitgeschwindigkeit – nimmt das Drehmoment stark ab. Deshalb sind diese Bremsen nur bedingt geeignet, wenn auch bei hohen Drehzahlen hohe Bremsmomente erforderlich sind.

Die Kombination organischer Reibbeläge mit Stahl erreicht im Stillstand ein merklich kleineres Drehmoment als bei kleinen Drehzahlen. Bei höheren Drehzahlen nimmt das Drehmoment aber nicht so stark ab, wie bei Stahl-Stahl.

Auch das Verschleißverhalten hängt von den Reibpartnern ab. Die Kombination Stahl-Stahl erlaubt die Umsetzung sehr hoher Bremsenergien, ohne dass der Verschleiß überproportional ansteigt. Die Zahl der zulässigen Bremsungen bis zum Erreichen der Verschleißgrenze ist in etwa umgekehrt proportional zur Bremsenergie, solange die absolute Höchstenergie nicht überschritten wird.

Beim Einsatz organischer Reibbeläge nimmt die Zahl der zulässigen Bremsungen demgegenüber mit steigender Bremsenergie deutlich ab.

Sämtliche von Lenze in die Servomotoren eingebauten mechanischen Bremsen arbeiten so, dass sie bei Wegfall der Versorgungsspannung einfallen und das Regalbediengerät stillsetzen.

Für Fahr- und Hubantriebe bestehen unterschiedliche Anforderungen

Die Bremse der Fahrantriebe muss eine hohe kinetische Energie aufnehmen. Das Drehmoment entsteht rein aus dem Bremsvorgang. Maßgebendes Kriterium für Bremsweg und -zeit ist das mittlere dynamische Bremsmoment MBremsmittel. Die kinetische Energie errechnet sich dabei aus der Masse und der Maximalgeschwindigkeit des Regalbediengeräts.

Die Bremszeit tBrems und der Bremsweg sBrems errechnen sich aus der Regalbediengerät-Masse, dem Massenträgheitsmoment des Motors, der Geschwindigkeit beziehungsweise Drehzahl sowie dem Bremsdrehmoment: Die Bremse für den Hubantrieb muss nicht nur die kinetische Energie aufnehmen, sondern auch die Gewichtskraft der Last und den Verlust an Lageenergie in Wärme umwandeln. Folglich muss sie bei Maximaldrehzahl ein Drehmoment erzeugen, das deutlich größer ist als das Drehmoment aus der Gewichtskraft. Dazu sind Federkraftbremsen gut geeignet.

Bei der Konzeption von Antrieben für Regalbediengeräte ist ein besonderes Augenmerk auf die Auslegung der Bremsen zu legen. Sie übernehmen als Haltebremsen im Betrieb sowie für Notstopps wichtige Funktionen innerhalb einer reibungslosen Logistik oder zum Schutz vor Sachschäden. Folglich integriert Lenze bei den Servomotoren MCA/MQA-Bremsen, die auch ohne Stromversorgung hohe Bremsmomente und hohe zulässige Bremsenergien zur Verfügung stellen.

Dr.-Ing. Carsten Fräger ist Leiter Produkt-Management Servotechnik bei der Lenze AG in 31763 Hameln

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Carsten Fräger MM MaschinenMarkt

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