Marketing von Mund zu Mund

Florian von Wangenheim

Kunden anzureizen, Produkte oder Dienstleistungen weiterzuempfehlen, stellt für viele Unternehmer eines der wichtigsten Marketing-Instrumente dar. Doch bislang fehlte ein kalkulierbarer Nachweis für diese informellen Markt- und Werbemechanismen. „mundo“ – das Forschungsmagazin der Universität Dortmund berichtet in seiner neuesten Ausgabe über ein Forschungsprojekt des Dortmunder Juniorprofessors Florian von Wangenheim, der ein mathematisches Modell entwickelt hat, mit dem die ökonomische Bedeutung der Weiterempfehlung aus Unternehmersicht erstmals analysiert, gewichtet und prognostiziert werden kann.

Für diese praxisorientierte Forschungsarbeit erhielt er bereits viel Anerkennung: 2001 gab es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beim Nachwuchswettbewerb den ersten Preis für „Innovation im Dienstleistungsbereich“, beim Dissertationswettbewerb der Academy of Marking Science in Washington (USA) wurde er 2003 als „honorable mentioning“ ausgezeichnet, was so viel bedeutet wie das Erreichen des zweiten Platzes. Im Jahr 2004 platzierte er seine Dissertation unter die besten vier Arbeiten für den Wissenschaftspreis des Deutschen Marketing-Verbandes.

„Bitte empfehlen Sie uns weiter!“, wünscht sich der Autoverkäufer nach einem gelungenen Verkauf und setzt mit dieser Bitte auf eines der wichtigsten Marketing-Instrumente: die Mund-zu-Mund-Propaganda. Während manche Unternehmer Millionen in die Werbung pulvern, verlassen sich andere ganz auf die Kommunikation unter den Kunden. Das Phänomen hat bei google funktioniert und ebenso bei Amazon. Und auch Harry Potters Erfolgsgeschichte wurde zunächst allein durch Mund-zu-Mund-Propaganda in Gang gesetzt.

Also auf Anzeigen in Zeitungen, Fernsehen und Radio verzichten und sich ganz auf Weiterempfehlungen verlassen? „Auf gar keinen Fall“, meint Wirtschaftswissenschaftler Florian von Wangenheim. Doch statt wahllos Kampagnen zu fahren, sollten sich Unternehmer mit ihrer Werbung lieber auf die sogenannten „Meinungsführer“ konzentrieren. Denn die sind – überzeugender als jeder Werbespot – in der Lage, durch persönliche Empfehlungen andere Menschen für Produkte zu begeistern.

Unternehmer müssen wissen, wer für sie wichtige oder wertvolle Kunden sind. Sind es die, die am meisten kaufen? Oder sind es die, die zwar wenig kaufen, aber so überzeugt sind von ihrem Produkt, dass sie es ständig und erfolgreich weiterempfehlen? „Würde ein Unternehmer nur auf den Umsatz eines Kunden schauen, würden Konsumschwache möglicherweise gar nicht besonders ins Gewicht fallen. Dabei kann es sich bei diesen Kunden durchaus um Weiterempfehler mit einem großen Wert für einen Unternehmer handeln!“, erklärt von Wangenheim. „Es gibt Kunden, die ihren Umsatzwert durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf diese Weise verfünffachen.“

Kunden anzureizen, Produkte oder Dienstleistungen weiterzuempfehlen, stellt daher für viele Unternehmer eines der wichtigsten Marketing-Instrumente dar. Doch bislang fehlte ein kalkulierbarer Nachweis für diese informellen Markt- und Werbemechanismen. Florian von Wangenheim hat ein statistisches „Vorhersage-Modell“ entwickelt, mit dem die ökonomische Bedeutung der Weiterempfehlung aus Unternehmersicht erstmals analysiert, gewichtet und prognostiziert werden kann. Für diese praxisorientierte Forschungsarbeit erhielt er bereits viel Anerkennung: 2001 gab es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beim Nachwuchswettbewerb den ersten Preis für „Innovation im Dienstleistungsbereich“, beim Dissertationswettbewerb der Academy of Marking Science in Washington (USA) wurde er 2003 als „honorable mentioning“ ausgezeichnet, was dem Erreichen des zweiten Platzes gleichkommt. Im Jahr 2004 platzierte er seine Dissertation unter die besten vier Arbeiten für den Wissenschaftspreis des Deutschen Marketing-Verbandes.

Die persönliche Kommunikation über bestimmte Produkte und Dienstleistungen wird von unterschiedlichen Meinungsführern beherrscht. Von Wangenheim hat diese „psychologischen Größen“ analysiert und bestimmten Produkten und Segmenten zugeordnet. Da gibt es zum Beispiel die „Marktinvolvierten“ – wie von Wangenheim sie bezeichnet, ein Typus, der sich generell für Marktprozesse interessiert und stets gut informiert ist. Er findet sich quer durch alle Marktsegmente. „Das sind sehr praktische Menschen, wenn man sie fragt, wissen sie immer, was gut und günstig ist. Und Freunde und Bekannte vertrauen ihnen.“ Gerade bei Gütern, die öffentlich konsumiert werden, kommen die „Marktinvolvierten“ meist zum Zug, weil sie auch soziale Trends setzen: zum Beispiel in Produktbereichen, bei denen es besonders darauf ankommt, was andere denken. „Jeder sieht doch, welches Auto ich fahre! Bei welchem Telefonanbieter ich bin, sehen die anderen ja nicht.“ Dann gibt es noch die „Experten“. Sie interessieren sich zwar nur für bestimmte Produkte, doch hier verfügen sie meist über ein solides Fachwissen. Wenn es um schwer zu erklärende Produkte geht, hat dieser Typus mit seiner hohen Sachkompetenz die Nase vorn – etwa bei der Anschaffung komplizierter High-Tech-Geräte. Diese Fachleute zu umwerben lohnt für Unternehmen, die hochspezialisierte Produkte anbieten.

Geradezu unentbehrlich bei der Markteinführung von brandneuen Produkten dagegen sind die „Innovatoren“. Diese so genannten „Frühkäufer“ sind besonders konsumorientierte Käufer und wollen Pioniere am Markt sein. Sie entscheiden mit ihren ersten Urteilen wesentlich über den Erfolg eines jungen Artikels.

Sehr spannend findet von Wangenheim in diesem Zusammenhang auch die so genannten „Brand-Communities“: Clubs, in denen ein regelrechter Kult um bestimmte Marken betrieben wird. Harley Davidson stellt mit über 800.000 Mitgliedern in der 1983 gegründete Harley Owners Group die weltweit wohl stärkste und bekannteste „Brand-Community“. Eine ebenfalls weltweit verbreitete Fan-Gemeinschaft hat das virtuelle Aktionshaus „eBay“ hinter sich. Über zwei Millionen ständig gehandelte Produkte und Dienstleistungen sprechen für sich. „Diese Anhänger begeistern sich nicht nur gegenseitig, sondern stecken auch andere an.“

Eine Entwicklung, die vor allem durch das Internet beschleunigt und geradezu epidemieartig verbreitet wurde. Denn erst durch diesen technischen Fortschritt wurde es möglich, solche Kult-Communities über eine sehr breite geografische Distanz aufzubauen und aufrecht zu erhalten. Diesen Trend könnten Unternehmer bewusst fördern, in dem sie für ihre Produkte eigene Communities aufbauen und so dafür sorgen, dass ihre Marke noch mehr verbreitet wird. Doch dazu müssten Unternehmer ihre Zielgruppe schon sehr exakt eingrenzen.

Ein großer Stromanbieter wollte es genau wissen. Für ihn hat von Wangenheim daher mit Hilfe seines Modells – für eine großzahlige, repräsentative Stichprobe – eine Endverbraucher-Analyse durchgeführt und den individuellen „Weiterempfehlungswert“ jedes einzelnen Kunden ermittelt. „Wenn man die Formel einmal hat, kann man das rasch ausrechnen“, erklärt von Wangenheim.

Das Mühsame für ihn ist, die Parameter – wie beispielsweise Kundentypen, Kundenzufriedenheit, Produktinteresse, Marktinvolviertheit, Expertentum, Dauer der Kundenbeziehung, Qualität der Kundenbeziehung etc. – für die Formel zu entwickeln. Der Weiterempfehlungswert eines Konsumenten ist ein Produkt aus Weiterempfehlungspotenzial und realisiertem Wert, also das Resultat aus seiner Überzeugungskraft und der gesellschaftlichen Reichweite. Stellt sich eine Abweichung zwischen dem Weiterempfehlungspotenzial und dem realisierten Wert heraus, weiß der Unternehmer, dass es sich lohnt, dieses Segment zu verbessern. „Ein guter „Weiterempfehler“ ist beispielsweise eine Kombination aus „zufrieden“ und „hoch motiviert“, erklärt von Wangenheim. „Und nun kann der Unternehmer schauen, wie und wo er genau diesen Typus erreicht. Schaut er fern oder liest er Fachzeitschriften, nutzt er das Internet oder ist er ein typischer Kinogänger?“

Doch wie verlässlich sind die Ratschläge solcher „Weiterempfehler“ eigentlich für ihre Freunde und Kollegen? Sprechen sie immer die Wahrheit, wenn sie ein Produkt über den grünen Klee loben? Gemeinsam mit einem Psychologen aus Belgien erforscht von Wangenheim diese hochkomplizierte Materie. Die beiden Forscher wollen herausfinden, warum Meinungsführer ihre tatsächliche Einstellung zum Produkt mitunter verleugnen und sogar bereit sind, wider besseres Wissen eine schlechte Ware „schön zu reden“: „Ich möchte wissen, was Menschen dazu bewegt, ihre Konsumerfahrungen zu verschweigen oder zu verfälschen. Mit dem Thema Lügen haben sich zwar schon etliche Forscher beschäftigt, allerdings noch niemand bezogen auf das Verhalten von Konsumenten.“

Unter welchen Bedingungen lügen Konsumenten? Was denken sie sich dabei? Das sind Fragen, die sich von Wangenheim stellt: Ein typisches Beispiel ist der Autonarr, dessen Neuerwerb dauernd in der Werkstatt steht. Diesen Fehlkauf mag er aber nicht zugeben, weil er einen Verlust an Reputation fürchtet oder den Spott scheut.

Florian von Wangenheim und sein Kollege haben für ihre Fallstudien verschiedene Szenarien gewählt, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen Kunden die Unwahrheit erzählen. Diese Unsicherheitskomponente bei der Mund-zu-Mund-Propaganda ist besonders schwierig zu überführen, aber mit kleinen Tricks am Ende doch herauszubekommen. Noch komplizierter zu ermitteln ist, weshalb manche Ratsuchende den Meinungsführern das Vertrauen entziehen. Gehen sie davon aus, von ihm belogen zu werden, oder sprechen sie ihm die Kompetenz ab? Diese Seitenaspekte haben von Wangenheim seit seiner Dissertation nicht mehr losgelassen: „Kommunikation über Produkte und Dienstleistungen ist allgegenwärtig. Wie wir über sie reden, erweist sich immer mehr als wichtiger Bestandteil des täglichen Miteinanderumgehens!“ Die neuen Erkenntnisse von Florian von Wangenheim werden sich rumsprechen, denn auch wissenschaftliche Produkte entziehen sich nicht dem Mechanismus der Mund-zu-Mund-Propaganda.

Media Contact

Ole Lünnemann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-dortmund.de

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