Internet-Telefonie heizt der TK-Branche ein

Im Netz der Quasselstrippen

Nach der Musikindustrie bringt das Internet jetzt auch die Telefonbranche in Bedrängnis: Ferngespräche über Datenleitung sind konkurrenzlos billig. Das berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe.

„Das Prinzip ist einfach: Für herkömmliche Telefongespräche muss extra eine separate Leitung oder ein Kanal reserviert werden, was teuer ist. Voice over IP-Telefone dagegen sind eigentlich verkappte Internet-Rechner, die das Gespräch in winzige Datenpakete zerhacken und übers Netz verschicken wie gewöhnliche E-Mails. Dadurch passen zig Gespräche in einen einzelnen Kanal, was Bandbreite und Geld spart,“ so der Spiegel.

Großkunden nutzen die VoIP-Technik schon lange: Call Center und Unternehmen mit vielen Filialen können so ihre Telefonkosten um bis zu 80 Prozent senken. Auch die Telefonkonzerne selbst versenden intern zwischen großen Knotenpunkten die Gespräche ihrer Kunden per VoIP – ohne dass diese das merken. Rund ein Zehntel aller internationalen Gespräche läuft bereits übers Internet; ab 2007 dürfte es die Hälfte sein, schätzt der amerikanische Telefonanalyst Rich Tehrani. Irgendwann werden dann alle Telefonnetze komplett auf VoIP umstellen, glaubt er.

Der IT- und TK-Spezialist NextiraOne hat das am Beispiel einer mittelgroßen Sparkasse im ländlichen Gebiet dokumentiert. Die Sparkasse besteht aus einer Hauptstelle mit rund 200 Mitarbeitern und 35 Geschäftsstellen mit je zwei bis fünf Mitarbeitern. Jede dieser Geschäftsstellen ist mit einer Nebenstellenanlage für die Telefonie ausgestattet, die insgesamt zwischen 275 und 375 Arbeitsplätzen mit einem Telefonanschluss versorgen. Pro Monat und Geschäftsstelle verursachen die Telefonanlagen zwischen 50 und 100 Euro Wartungskosten, im Jahr ein fünfstelliger Betrag. Ähnlich deutlich schlagen die Telefongebühren für Gespräche der 36 Geschäftsstellen untereinander zu Buche: zwischen 1.500 und 2.000 Euro im Monat sind gängig. „Die Gesamtkosten für hausinternen Betrieb und Unterhalt der Telefonanlagen belaufen sich also schnell auf mehr als 50.000 Euro im Jahr“, so die Erfahrungen von Hermann Bockstette, Vertriebsleiter Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei NextiraOne Deutschland.

So jung die IP-Telefonie als Technologie noch sei, so sehr habe sie sich doch bereits zu einem ernsthaften Konkurrenten für herkömmliche Nebenstellenanlagen entwickelt. „Die Konvergenz von Sprach- und Datennetzen birgt enormes Einsparpotenzial und bringt neben einer deutlich flexibleren Erweiterbarkeit und Systemverwaltung auch Zusatzfunktionen, die im täglichen Umgang mit dem Telefon Arbeitsabläufe beschleunigen und den Nutzerkomfort steigern können. Das Sparkassenbeispiel belegt, dass es gerade für Unternehmen dieser Größenordnung mit vielen Geschäftsstellen Sinn macht, auf IP-Telefonie umzustellen,“ so Bockstette.

Es herrsche Aufbruchstimmung wie zu Zeiten der New Economy, frohlockt der Spiegel. Denn mittlerweile gäbe es genügend potenzielle Kunden, die über schnelle Datenleitungen wie DSL verfügen, mit denen VoIP einfach zu bewerkstelligen sei. „Wir kommen mit der Expansion kaum hinterher“, sagt Snom-Manager Pohland gegenüber dem Spiegel, dessen Firma in Taiwan und Indien produzieren lässt: „Unsere Stückzahlen haben sich dieses Jahr um das Zehnfache auf 100 000 Telefone erhöht, und unsere Umsätze haben sich verfünffacht.“

Befördert werde VoIP auch dadurch, dass Provider zunehmend die Internet-Nutzung zu monatlichen Pauschalpreisen anbieten – wodurch auch Telefonate übers Netz konkurrenzlos billig werden. So kündigte der Medienkonzern Time Warner vergangene Woche an, im großen Stil in die Internet-Telefonie einzusteigen: Bis Ende 2004 könnten fast 18 Millionen Kunden per Kabelfernsehanschluss zu Schleuderpreisen telefonieren.

„Das Angebot bringt die Branche in Zugzwang. Einen Tag nach Time Warner kündigte British Telecom ‚Broadband Voice’ an: Die Kunden stöpseln einen Adapter an ihren Breitbandanschluss und telefonieren abends und am Wochenende innerhalb Großbritanniens fast unbegrenzt – gegen eine Pauschale von rund elf Euro“, so der Spiegel.

„Millionen von Kunden telefonieren jeden Tag über das Internet, ohne es zu merken“, sagt Telegeography-Analyst Stephan Beckert nach einem Bericht der FAZ http://www.faz.net. Aufgrund des technischen Fortschritts merken die Telefonkunden den Unterschied gar nicht mehr.

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Gunnar Sohn NeueNachricht

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