Verstehen leicht gemacht

Innovatives Wissensmanagementsystem WIDE vereinfacht interdisziplinäre Zusammenarbeit

Mittwoch morgen: Die Münchner Industrie-Designerin Karla R. schaltet ihren Computer ein. Sie erwartet die Rückmeldung ihrer Kollegen aus der Konstruktion; das Team arbeitet gemeinsam am Entwurf eines neuen sportlichen Kleinwagens. Zu ihrem Ärger stellt sie fest, dass sie die Informationen, die sie erhalten hat, nur teilweise versteht: Die Dokumente sind im ingenieurwissenschaftlichen Fachjargon verfasst. Damit sie die Vorgaben der Ingenieure in die weitere Planung einbeziehen kann, muss die Designerin jedoch genau wissen, worum es geht. Karla R. beginnt daher sofort mit der Recherche in Unterlagen, speziellen Datenbanken und im Internet. Da sie nicht nur einzelne Fachwörter recherchiert, sondern den Sinn komplexer Begriffsketten herausfinden muss, ist die Suche langwierig. Nach mühevoller Kleinarbeit und etlichen telefonischen Rücksprachen wendet sich die Designerin einige Tage später endlich wieder ihrem Entwurf zu.

Dank einer neuen benutzerfreundlichen Wissensmanagementsoftware gehören solche zeitlichen Verzögerungen in der Produktentwicklung bald der Vergangenheit an. Mit der Entwicklung von WIDE entsteht ein System, das den Informationsaustausch zwischen unterschiedlichen Fachbereichen wesentlich vereinfacht. WIDE lässt sich individuell an fachliche und spezifische Bedürfnisse seiner Benutzer anpassen und ermöglicht damit einen intuitiven und effizienten Zugriff auf gemeinsam verwendete Informationsquellen.

Das System WIDE ist in separate Komponenten untergegliedert, die bei der Beantwortung einer Suchanfrage zusammenarbeiten: Über die eigens für WIDE entwickelte Benutzeroberfläche (User Interface) interagiert der Benutzer mit der Anwendung. Hierbei passt sich das Menü seinen individuellen Ansprüchen an und liefert die Informationen im gewünschten thematischen Kontext, ordnet diese also semantisch zu. Treffer einer Suchanfrage gruppiert WIDE nach Themenbereichen, wobei das System die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten eines Begriffes aufschlüsselt. Diese Zuordnung, die sogenannte Ontologie, erschließt sich dem Benutzer auch graphisch: WIDE visualisiert sie als Informationsbaum.

Innerhalb seiner „Themenäste“ kann der Benutzer intuitiv navigieren und detailliert recherchieren. Die strukturierte Darstellung der Informationen ist ein Vorteil von WIDE im Vergleich zur Recherche in herkömmlichen Datenbanken und im Internet. Der Anwender erkennt auf einen Blick, in welchem Zusammenhang der jeweilige Begriff verwendet wird und kann den gewünschten Bezug wählen.

Die Suchanfrage eines Benutzers bearbeitet WIDE auf verschiedenen Ebenen: Nachdem der Benutzer einen Suchbegriff eingegeben hat, interpretiert das System seine Anfrage und übersetzt sie in die Sprache, die die untergeordneten Informationsquellen „verstehen“. Umgekehrt verfährt es mit den Ergebnissen. Es überträgt sie in die Fachterminologie, die der Benutzer in der Anfrage verwendet hat. Möglich ist diese Form der Wissensverarbeitung durch die Semantic Web Technologie, die beispielsweise HTML-Seiten und andere Dokumente mit ergänzenden Informationen versieht. Anhand dieser Metadaten erkennt ein Computersystem automatisch, in welchen thematischen Zusammenhang der eingegebene Suchbegriff eingebunden ist. Eine der Informationsquellen ist die interne Datenbank, in die per XML-Schnittstelle unkompliziert weitere Informationen importiert werden können. Darüber hinaus greift WIDE auch auf externe Datenpools zu, denn eine Informationsquelle reicht häufig nicht aus. Um die Suchanfrage in jedem Fall zufriedenstellend zu beantworten, tritt in WIDE ein innovatives Agentensystem in Aktion: Die sogenannte Agency verteilt die Anfrage auf verschiedene Informationsquellen. Als Verbindungsglied sämtlicher WIDE-Teilsysteme selektiert die Agency die Ressourcen hierbei nach potenziellem Erfolg.

Das EU-Projekt WIDE startete im April 2002. Die Forscher vom Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt entwickelten gemeinsam mit Partnern aus Italien, Spanien und Portugal einen ersten integrierten Prototypen, der die Funktionalität des WIDE-Systems demonstriert. „Derzeit modellieren wir eine Ontologie für den Bereich Design und Engineering in der Automobilbranche“, erklärt Projektleiter Dr. André Stork. „Prinzipiell ist diese aber austauschbar und kann durch modelliertes Wissen in einem beliebigen anderen Bereich ersetzt werden.“ Damit ist das Wissensmanagementsystem vielseitig einsetzbar und kann auf die Bedürfnisse jeder Branche zugeschnitten werden. Zur weiteren Unterstützung der interdisziplinären Zusammenarbeit planen die Forscher ein erweitertes User Interface zu entwickeln. Mit seiner Hilfe könnten sich Konstrukteure und Ingenieure online austauschen und direkt auf die Ergebnisse ihrer Kollegen zugreifen. Der unmittelbare Dialog erleichtert die Kooperation unterschiedlicher Fachabteilungen zusätzlich und beschleunigt damit den Produktentwicklungsprozess.

Kontakt:
Fraunhofer IGD
Dr. Ing. André Stork
Fraunhoferstr. 5
64283 Darmstadt
Telefon +49-6151-155-469
Fax +49-6151-155-299
E-Mail: andre.stork@igd.fraunhofer.de

Media Contact

Bernad Lukacin idw

Weitere Informationen:

http://www.igd.fraunhofer.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Kommunikation Medien

Technische und kommunikationswissenschaftliche Neuerungen, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der medienübergreifenden Kommunikation.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Interaktive Medien, Medienwirtschaft, Digitales Fernsehen, E-Business, Online-Werbung, Informations- und Kommunikationstechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer