Friede, Freude, … Pfannkuchen? – Sprachforscher analysieren Wortverbindungen

Wortverbindungen können tückisch sein: Wer nicht Muttersprachler ist, der plagt sich mitunter sehr mit ihnen. Denn warum putzt man sich in Deutschland die Zähne, wo Italiener sie „waschen“ (lavare) und Engländer sie gar „bürsten“ (to brush)? Im Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim werden Wortverbindungen erforscht.

Richtig heißt es: Friede, Freude, Eierkuchen. Und in der Regel weiß jeder, was mit dieser idiomatischen Formulierung gemeint ist. Feststehende Verbindungen einzelner Wörter haben häufig einen übertragenen Sinn, der weit von ihrer buchstäblichen Bedeutung entfernt liegt. Am Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) gehen Sprachwissenschaftler der Entwicklung der Sprache auf den Grund. Die kommende 39. Jahrestagung des Instituts, das Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft ist, trägt das Motto „Den Nagel auf den Kopf treffen – Wortverbindungen mehr oder weniger fest“.

Schon Kinder erlernen Wortverbindungen

Man trifft eine Entscheidung, benimmt sich wie Katz und Maus – und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Aber Hunde werden nicht an der Schnur geführt, sondern an der Leine und niemand stellt sein Licht unter den Eimer – wie es wörtlich in der Bibel heißt -, sondern allenfalls unter den Scheffel. Klar ist: Wir verwenden beim Sprechen nicht einfach nur einzelne Wörter, die wir zu sinnvollen Sätzen oder Texten zusammenfügen. Zu einem Großteil benutzen wir, meistens unbewusst, allgemein übliche und beliebte Wortkombinationen. Solche Mehrwortverbindungen werden schon von Kindheit an als zusammenhängende Einheiten gelernt und abgespeichert. Deshalb stellen Muttersprachler intuitiv „richtige“ und stimmige Verbindungen her. Wer eine Fremdsprache erlernt, hat es hingegen schwer: Es besteht stets die Gefahr, Kombinationsregeln zu verletzen, denn diese sind von Sprache zu Sprache sehr unterschiedlich. Nicht-Muttersprachler kommen also nicht umhin, auch Wortverbindungen zu lernen, damit sie die passende Wortwahl treffen können und nicht darauf verfallen, etwas in nasse statt in trockene Tücher bringen wollen. Insbesondere Übersetzer und Fremdsprachenlehrer, aber auch professionelle Texter und Journalisten interessieren sich für die Forschungsergebnisse aus Mannheim.

Wortverbindungen können „aus der Mode kommen“

Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler daran, herauszufinden, wie in unseren Köpfen Sprache verarbeitet und damit in der Kommunikation einsetzbar wird. Ein Bereich der Sprachforschung widmet sich Fragen wie „Welche Wortverbindungen sind üblich?“, „Was bedeuten sie?“, „Wie und in welchem Kontext werden sie verwendet?“. Die Verfasser von Nachschlagewerken haben die Bedeutung von Wortverbindungen erkannt und bemühen sich mittlerweile, diese verstärkt in ihre Wörterbücher aufzunehmen. Um mehr über das Wie und Wo der idiomatischen Formulierungen herauszufinden, arbeiten Sprachwissenschaftler mit unterschiedlichen Methoden, wie Befragungen nach dem Bekanntheitsgrad von Wortverbindungen oder psychologischen Assoziationstests. Die moderne Computertechnologie – insbesondere beim Aufbau elektronischer Textdatenbanken – macht es möglich, Sprachgebrauch auch mit statistischen Methoden zu analysieren und so Aussagen zu aktuellen sprachlichen Phänomenen zu treffen. Für modische Wortverbindungen kann man auf diesem Weg nachweisen, wo sie zum ersten Mal schriftlich auftauchen, in welcher Periode sie am häufigsten benutzt werden und ab welchem Zeitpunkt ihr Gebrauch wieder abnimmt. Da zeigt sich, dass Sprache ein dynamisches System ist: Dass einen das Leben bestraft, wenn man zu spät kommt, werden in zehn Jahren vermutlich nur noch Wenige behaupten.

Mit den neuartigen, am IDS entwickelten Analysemethoden können die riesigen Textdatenbanken des Instituts durchforstet werden. Die IDS-Korpora bilden die weltweit größte Sammlung geschriebener deutschsprachiger Texte. Dort findet man unter anderem zahlreiche „Kollokationen“. Das sind typische und sehr gebräuchliche Verbindungen von Wörtern. Zum Wort „Kopf“ etwa sind die typischen Partnerwörter „schütteln“, „gesenkt“, „hochrot“, „klug“ und „führend“. Mit diesen Methoden, so erklärt Kathrin Steyer, die am IDS Wortverbindungen erforscht, könne man sehr viel über die „Verwendungsumgebung“ (den Kontext) eines Wortes und damit indirekt über das Wort selbst erfahren. So gehören zum Kollokationsfeld von „Globalisierung“ solche Partnerwörter wie „Zeitalter“, „Wirtschaft“, „Folgen“, „Märkte“, „Herausforderungen“, „Deregulierung“, „Liberalisierung“, „Angst“, „Chance“ oder „weltweite“. Diese Wörter bilden thematische Cluster, die Auskunft darüber geben können, auf welche Weise Sprecher über „Globalisierung“ reden.

Bei der Datenbank-Analyse finden sich aber auch Partnerwörter, die in Redewendungen gemeinsam auftreten. Sucht man zum Beispiel unter dem Substantiv „Mauer“, dann stößt man auch auf die „Mauer in den Köpfen“; beim „Sand“ ist es das „in den Sand stecken“ oder beim Nagel das „auf den Kopf treffen“. Kathrin Steyer: „Wir fanden übrigens auch heraus, dass der Ausdruck ’harter Hund’ auffällig oft auf Trainer, Wirtschaftsmanager und Politiker angewendet wird. Folgt man dem Sprachgebrauch, dann müssen alle drei also weit mehr gemeinsam haben, als man zunächst annehmen würde…. Ein dicker Hund wiederum ist etwas völlig anderes …

Kontakt:

Dr. Annette Trabold
Tel.: 0621 – 1581-119
Fax: 0621 – 1581-200
E-Mail: trabold@ids-mannheim.de

Media Contact

Dr. Frank Stäudner idw

Weitere Informationen:

http://www.ids-mannheim.de

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