Dissertation zur Organlebendspende: Organ – Geschenk oder Ware?

Die Ressource Organ ist ebenso knapp wie begehrt. Allein im Jahr 2000 warteten in Deutschland ca. 12.000 Menschen auf eine neue Niere. Wege aus diesem Dilemma durch Lebendspenden zeigt Dr. Corinna Iris Schutzeichel in ihrer im LIT Verlag erschienenen Dissertation „Geschenk oder Ware? Das begehrte Gut Organ. Nierentransplantation in einem hochregulierten Markt“.

Die Autorin fordert, das derzeit gültige Transplantationsgesetz zu erweitern – wenn man nicht Tausende von Nierenpatienten allein in Deutschland einer Chance auf eine Steigerung ihrer Lebensqualität und ein längeres Überleben berauben will. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet die immer noch tabuisierte Diskussion um finanzielle Anreize für Organlebendspender.

Lebendspenden von Nieren

Lebend gespendet werden können u. a. Blut, Knochenmark, Leberlappen bzw. Teile der Leber oder die Nieren. Die Lebendspende von Nieren ist in vielen Transplantationszentren mittlerweile zum Routine-Verfahren gereift, ihre Zahl ist von knapp 15 Prozent im Jahr 1998 auf immerhin 16,3 Prozent im Jahr 2001 angewachsen. Das bundesdeutsche Transplantationsgesetz schränkt allerdings den Kreis der möglichen Spender sehr stark ein. Eine Spende ist nur erlaubt, wenn zum Zeitpunkt der Organentnahme kein geeignetes Organ eines Verstorbenen zur Verfügung steht (Subsidiaritätsprinzip). Zum anderen darf eine Lebendspende nur erfolgen von Verwandten ersten oder zweiten Grades, Ehegatten, Verlobten oder Personen, die dem Organempfänger persönlich besonders verbunden sind, also beispielsweise Lebenspartnern.

Limitierter Spenderkreis

Schutzeichel plädiert hingegen für die Abschaffung der Subsidiaritätsregel und für eine Erweiterung des Kreises potenzieller Organlebendspender. Anders als in Deutschland ist in den meisten Staaten Europas der Spenderkreis nicht mehr pauschal gesetzlich limitiert. Damit könne der Kreis potenzieller Spender erweitert werden um altruistische nichtverwandte Spender sowie Spender, die eine Entschädigung erhalten, und Überkreuz-Lebendspender. Dies sind zwei Spender-Empfänger-Paare, die untereinander die Spenderorgane austauschen, wenn eine direkte Spende etwa aufgrund einer Blutgruppenunverträglichkeit medizinisch nicht möglich ist.

Entschädigungsmodell einführen

Die Autorin analysiert die internationale und deutsche medizinische, ethische und rechtliche Literatur zur Transplantation und diskutiert unterschiedliche ethische Modelle bei der Transplantation unter Lebenden. So fordert sie u. a., in Deutschland ein Entschädigungsmodell einzuführen, d. h. dem Spender die Kosten zurück zu erstatten, die ihm infolge der Spende entstanden sind. Dem gegenüber würde bei einem Anreizmodell der Spender für sein Organ eine Art Aufwandsentschädigung und Schmerzensgeld erhalten.

Unabhängige Kontrolle

Beim Entschädigungsmodell sollten die Organspenden von einer unabhängigen Institution kontrolliert und von einer breit angelegten Untersuchung begleitet werden. Die Anreize für den Spender könnten bei einem positiven Ergebnis sukzessive erweitert werden. Denkbar seien beispielsweise eine kostenfreie Krankenversicherung oder ein geringerer Einkommensteuersatz. Grundvoraussetzung hierfür sei, dass die Belohnung des Spenders von einer staatlichen Einrichtung kontrolliert werde und von der Krankenkasse des Organempfängers – und keinesfalls von dem Organempfänger selbst – übernommen werde. Der nötige finanzielle Spielraum sei bei den Krankenkassen vorhanden, da sich eine Nierentransplantation im Vergleich zur Dialyse meistens nach spätestens zweieinhalb Jahren amortisiert hat. Selbstverständlich müssten auch weiterhin die Organempfänger unabhängig von ihren finanziellen Verhältnissen Zugang zur Warteliste haben.

Organhandel die Existenzgrundlage entziehen

Es gibt mehrere Argumente, so die Autorin, die aus ethischer Sicht für das Belohnungsmodell sprechen. Zum einen erfülle der belohnte Spender das Prinzip der Wohltätigkeit, das er gegenüber dem Empfänger des Organs aktiv ausübt. Zum anderen sei bei einem belohnten Spender stärker noch als bei manchen Lebendspenden unter Verwandten der freiwillige Entschluss des Spenders gewährleistet. Durch das Belohnungsmodell könne langfristig sogar dem kommerziellen, ausbeuterischen Organhandel die Existenzgrundlage entzogen werden. Innerhalb eines hochregulierten Marktes, in dem der Spender durch Kontrollmechanismen des Staates geschützt werde, seien belohnte Lebendspenden zu begrüßen. Denn damit verbunden wäre „ein Prozess der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des mündigen Bürgers ohne ihn vollkommen dem Schutz staatlich-gesetzgeberischen Paternalismus zu entziehen“.

Dr. Corinna Iris Schutzeichel
E-mail: corinna.schutzeichel@cityweb.de

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Dr. Josef König idw

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