Schweizer Forscher bauen Zelltaschenrechner

Zellrechner: Bio-Computer mit großen Potenzial (Foto: Wikipedia/ethz.ch)<br>

Forscher der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben einen Taschenrechner aus Säugetierzellen entwickelt. Dieser beherrscht die binären Grundrechenarten und könnte in Zukunft verschiedenste, medzinische Anwendungen finden. Der Biocomputer könnte beispielsweise den Stoffwechsel von Diabetespatienten überwachen. Die Wissenschaftler haben ihre Erkenntnisse mittlerweile im Journal „Nature“ veröffentlicht.

AND-Schalter lässt Zelle leuchten

Das vom Biotechnologen Martin Fussenegger geleitete Team hat ein künstliches Gen-Netzwerk auf Basis menschlicher Nierenzellen konstruiert, das als Ergebnis logischer Operationen nach der Boole'schen Logik mit vorgegebenen Stoffwechselvorgängen reagiert. Das System empfängt Inputsignale über das Apfelmolekül Phloretin und das Antibiotikum Erythromycin. „Die Nierenzellen sind für die Konstruktion genetischer Netzwerke besonders geeignet, da sie gut in der Lage sind, mehrere Komponenten aufzunehmen“, erläutert dazu Simon Ausländer, Doktorand an der ETH und Ideengeber des Forschungsunterfangens, gegenüber pressetext.

Für die Durchführung der binären Rechenoperationen wurden sogenannte „logische Gatter“ aus biologischen Bestandteilen erstellt, darunter etwa ein „AND“-Schalter, der sich bei der Erfüllung zweier Bedingungen umlegt – im konkreten Fall das Vorhandensein beider Stoffe. Als Ergebnis veranlasst das Gen-Netzwerk die Bildung eines fluoreszierenden Eiweißes, welches die Zelle zum Leuchten bringt.

Forschung noch im Frühstadium

Die Kombination mehrerer Gatter ermöglichte die Durchführung der verschiedenen Rechnungsarten. Der Zelltaschenrechner kann Binärzahlen aneinander addieren und voneinander abziehen. Binäre Logik liegt jedem Computersystem zugrunde, in ersten Testläufen lieferten die biologischen Rechenmaschinen stabile Ergebnisse. Im Gegensatz zu elektronischen Systemen kann der Bio-Computer mit zwei Input- und Output-Signalen gleichzeitig umgehen.

„Im Moment braucht der Rechner im Vergleich zu seinen elektronischen Pendants noch sehr lange, bis er ein Ergebnis liefert“, schildert Ausländer. Das Potenzial des Ansatzes zeigen ähnliche Systeme, wie ein lichtinduzierter Blutzucker-Regulationsmechanismus, der bereits erfolgreich an Mäusen getestet wurde. Bei menschlichen Patienten würden laut dem Forscher geeignete Körperzellen entnommen, manipuliert und in enkapsulierter Form in den Körper geschleust werden.

In Form eines Zellimplantates könnte der Bio-Rechner den Metabolismus Zuckerkranker monitoren und gegebenenfalls mit Insulinausschüttung auf problematische Veränderungen reagieren. Bis die Entwicklung erstmals zum praktischen Einsatz kommt, werden laut Ausländer allerdings noch einge Jahre vergehen. Der nächste Forschungsschritt besteht in der Erweiterung der Komplexität des Netzwerkes, um etwa unterschiedliche Zellen untereinander kommunizieren zu lassen.

Media Contact

Georg Pichler pressetext.redaktion

Weitere Informationen:

http://www.ethz.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung

Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Merkmale des Untergrunds unter dem Thwaites-Gletscher enthüllt

Ein Forschungsteam hat felsige Berge und glattes Terrain unter dem Thwaites-Gletscher in der Westantarktis entdeckt – dem breiteste Gletscher der Erde, der halb so groß wie Deutschland und über 1000…

Wasserabweisende Fasern ohne PFAS

Endlich umweltfreundlich… Regenjacken, Badehosen oder Polsterstoffe: Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften benötigen eine chemische Imprägnierung. Fluor-haltige PFAS-Chemikalien sind zwar wirkungsvoll, schaden aber der Gesundheit und reichern sich in der Umwelt an….

Das massereichste stellare schwarze Loch unserer Galaxie entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben das massereichste stellare schwarze Loch identifiziert, das bisher in der Milchstraßengalaxie entdeckt wurde. Entdeckt wurde das schwarze Loch in den Daten der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation,…

Partner & Förderer