Neuer Mutationstyp beim erblichen Dickdarmkrebs entdeckt

Etwa fünf Prozent aller Darmkrebsfälle beruhen auf erblichen Gendefekten, die unter dem Namen Lynch-Syndrom zusammengefasst werden. Ursache ist das Fehlen oder die eingeschränkte Funktion eines Proteins. Es korrigiert Kopierfehler, die unweigerlich bei der Weitergabe der Erbinformation von Mutterzelle zu Tochterzelle entstehen.

Auf diese Weise sammeln sich im Erbgut Defekte, die bei bis zu 80 Prozent der Betroffenen zur Entwicklung von Karzinomen des Dickdarms führen. Ein interdisziplinäres Forscherteam am Klinikum der Goethe-Universität hat nun einen neuen Typ von Keimbahnmutationen beim Lynch-Syndrom entdeckt. Die herausragende wissenschaftliche Arbeit wurde mit dem diesjährigen Preis der Rhein-Main-Arbeitsgemeinschaft für Gastroenterologie ausgezeichnet.

Dr. Angela Brieger, die am Biomedizinischen Forschungslabor der Medizinischen Klinik I schon seit einigen Jahren das Lynch-Syndrom erforscht, hat sich auf die Untersuchung der Ursachen des vielfältigen Tumorspektrums in Lynch-Syndrom-Familien spezialisiert. Neben Dickdarmkrebs können die Betroffenen nämlich auch bösartige Tumoren in anderen Organen entwickeln; beispielsweise in der Gebärmutterschleimhaut oder dem Dünndarm. Ob ein defektes Reparatur-Protein für die Tumorentstehung verantwortlich ist, ist für die Therapie von großer Bedeutung, denn Tumoren des Lynch-Syndroms sprechen auf einige der gängigen Chemotherapeutika nicht an.

Dass die bisher bekannten Protein-Defekte nicht die einzige Ursache für das Lynch-Syndrom sein können, vermutete Angela Brieger, als sie eine Familie mit ungewöhnlichem Tumorspektrum identifizierte. In dieser Familie fand sie gehäuft Brustkrebs, der sonst nicht als assoziiertes Karzinom des Lynch-Syndroms auftritt. Die Betroffenen sprachen auf die hierfür gängigen Therapieansätze nicht an. In Zusammenarbeit mit Dr. Claus Meyer vom Diagnostikzentrum für akute Leukämie konnte die Biologin das Rätsel jedoch lösen, indem sie fehlerhafte Chromosomen aufspürte. In der Leukämie-Forschung gehört diese Methode zur Routine. Bei der Diagnostik des Lynch-Syndroms fand sie jedoch bislang keine Anwendung, weil man sich auf den Nachweis defekter Reparaturproteine beschränkte.

Die beiden Wissenschaftler identifizierten bei allen betroffenen Familienmitgliedern ein mutiertes Chromosom 3, dem ein bislang nicht beschriebener, großer Abschnitt fehlte. Das hat zur Folge, dass fünf wichtige Proteine in den Tumoren nicht mehr funktionsfähig sind. Brieger und Meyer konnten bei den Mutationsträgern dieser Familie sogar ein völlig neues Genprodukt nachweisen, das nur durch den Wegfall des Chromosomenabschnitts entstehen kann. Wie die beiden Forscher vermuten, könnte dieses Protein die Entstehung der Tumoren zusätzlich begünstigen. Dies gilt es in weiteren Untersuchungen zu klären. Brieger und Meyer gehen davon aus, dass dieser neue Typ einer Keimbahnmutation kein Einzelfall beim Lynch-Syndrom ist. Durch ihre neue Methodik der Analyse des Erbgutes sind die Wissenschaftler sich sicher, künftig noch weitere ungeklärte Lynch-Syndrom Veränderungen detektieren zu können.

Informationen: Dr. Angela Brieger, Medizinische Klinik I, Universitätsklinik, Tel.: (069) 6301-6218, a.brieger@em.uni-frankfurt.de.

Dr. Claus Meyer, Diagnostikzentrum für akute Leukämie, Universitätsklinik, Tel.: (069) 6301-83971, claus.meyer@em.uni-frankfurt.de.

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