Forscher bauen Chip mit atmender Lunge

Einen Mikrochip mit lebenden menschlichen Zellen könnte die Erforschung der Lungenbläschen revolutionieren. Forscher der Harvard University haben im „Science“-Magazin ihre Nachahmung einer atmenden Lunge im Miniformat präsentiert, die Labortests zu Umweltgiften, Medikamenten oder Aerosolen erleichtern und billiger machen wird. „Unsere Lunge-auf-dem-Chip zeigt etwa, wie wir Nanopartikel der Luft aufnehmen und wie Krankheitserreger Entzündungen auslösen. Viele Tierversuche können somit erspart bleiben“, berichtet Forschungsleiter Donald Ingber.

Bei jedem Atemzug füllen sich in unserer Lunge die mikroskopisch kleinen Lungenbläschen mit Luft und sorgen dafür, dass Sauerstoff über mehrere Membranen an das Blut übermittelt wird. Gleichzeitig erkennen sie jedoch auch Eindringlinge wie Bakterien oder Gifte und aktivieren die Immunabwehr. Diese Funktionen stellten die Forscher nun in Chipversion nach. Zwei Schichten von lebendigem Gewebe – menschliche Epithel- und Endothelzellen – wurden dabei auf eine Silizium-Membran platziert, während ein Kulturmedium die Blutbahn nachahmt.

Einblicke in die Reaktion der Lunge

Der Chip ist dank eines neuartigen Gummimaterials biegsam und wird im Betrieb entsprechend der Atembewegung zyklisch mechanisch gedehnt. Ein Luftkanal führt an die Wand der Lungenbläschen und wird so beeinflusst, wie man dies für den Test braucht. So leiteten die Forscher etwa versuchshalber lebende Escherichia coli-Bakterien ein, die von den Lungenzellen rasch entdeckt werden konnten. Aktiviert wurden in Folge über die poröse Membran Blutzellen, die eine Immunreaktion hervorriefen und weiße Blutkörperchen in die Luftkammer schleusten. Diese zerstörten das Bakterium.

Deutlich wurden die Vorteile des Chips bei einem anderen Versuch, bei dem man verschiedene Nanopartikel aus der Luft einschleuste. Mehrere Arten davon drangen in die Lungenzellen ein und lösten dort eine Überproduktion von freien Radikalen sowie eine Entzündungsreaktion aus. Viele Partikel schafften es, bis in den Blutkanal vorzudringen – wobei die mechanische Bewegung des Chips diese Absorption zusätzlich verbesserte. „Wir haben gelernt, dass die Atembewegung die Absorption der Nanopartikel erhöht und somit ein wichtiger Faktor für die Toxizität dieser Partikel ist“, so die Forscher.

Organe als Chipversion

Mini-Labors im Chipformat erhalten in der Forschung immer größere Bedeutung. Das Konzept des „Lab-on-a-Chip“ nutzt die Mikrofluidik bereits für die schnellere Untersuchung von chemischen Reaktionen (pressetext berichtete: http://pressetext.com/news/090805004/ ). Doch auch im Bereich der menschlichen Organe ist der Lungenchip nicht der erste seiner Kategorie. Ein Herz in Chipversion gibt es bereits, und derzeit arbeitet man auch eifrig an Chips für Darm, Knochenmark und sogar Krebszellen. Interessant dürfte besonders die künftige Zusammenschaltung dieser nachgebauten Organismen werden.

Abstract der Forschung unter http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/328/5986/1662

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Johannes Pernsteiner pressetext.austria

Weitere Informationen:

http://www.harvard.edu

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