Wachstumsschub für lebenswichtige Zellen

Organe aus dem Labor: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Berlin entwickeln derzeit einen Bioreaktor, der menschlichen oder tierischen Zellen ideale Wachstumsbedingungen bietet.

„Damit könnte man beispielsweise Medizinern helfen, passendes Zellgewebe für ihre Patienten zu züchten“, sagt Prof. Dr. Rudibert King, der das Forscherteam koordiniert. „Solche Reaktoren lassen sich auch nutzen, um Wirkstoffe für Arzneien herzustellen.“

Der Hintergrund: Zwar wissen Ärzte, Biotechnologen und Pharmazeuten heute viel mehr über die Bildung und das Wachstum von Zellen in Organismen. Doch die technische Nutzung dieser Erkenntnisse lässt auf sich warten. „Für die TU Berlin bot sich damit die Gelegenheit, den technologischen Unterbau systematisch zu schaffen“, erzählt King. „Wir haben ein interdisziplinäres Verbundprojekt initiiert, das vier Fachgebiete unserer Universität vereint.“

Vier Forscherinnen, Forscher und mehr als 20 Doktorandinnen, Doktoranden sowie Studierende sind damit befasst, einen Brutkasten für Zellen zu entwickeln.

Die Forschungen zielen vor allem auf Schäume aus Aluminiumoxid, einer Keramik, die sich anfühlt wie ein harter Zigarettenfilter. Experimente ergaben, dass sich beispielweise blutbildende Stammzellen auf diesem Material sehr wohl fühlen.

Vorbild für diese Idee ist die Natur selbst: Denn auch der menschliche Knochen besteht im Innern aus einer lockeren, schaumartigen Substanz, aus Hydroxilapatit und Kollagen, in dem sich das Knochenmark befindet. Dort siedeln die Zellen, die zu weißen oder roten Blutkörperchen ausreifen. „Das von uns verwendete Aluminiumoxid erwies sich als ideale Kinderstube für solche Zellen“, erläutert King.

„Ähnlich wie im Knochen vermehren sich die Zellen, wenn man sie mit Nährlösung versorgt und die Abfallprodukte des Stoffwechsels abführt.“

Die Poren des Keramikschaums sind offen, das heißt, die unzähligen Nischen und Höhlen für die Zellen lassen sich gut durchspülen. Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass sich die Zellen an der Keramik viel wohler fühlen, als beispielsweise in einer Nährlösung im Reagenzglas.

Bislang gibt es einige kleine Prototypen des Schaums im Labor. „Es kommt darauf an, unsere Ergebnisse in großem Maßstab umzusetzen“, sagt King. Upscaling nennt die Wissenschaft dieses Verfahren, aus kleinen Labormustern große Reaktoren zu machen. Das ist nicht immer einfach: Bei den Keramikschäumen stellte sich bald heraus, dass es nicht genügt, größere Schäume herzustellen, um mehr Zellen wachsen zu lassen. „Ab einer bestimmten Größe wird es schwierig, die Keramik so zu schäumen, dass weiterhin alle Poren offen und durchströmbar bleiben“, sagt King. „Wir können die im Innern liegenden Poren dann nicht mehr mit Nährlösung versorgen und reinigen. Dadurch sinkt die Zellenausbeute.“

Deshalb setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU Berlin jetzt auf ein modulares Konzept: In dem Bioreaktor werden Hunderte kleine Schwämme miteinander kombiniert. Das Nestchen für die Laborzellen gerät zu einem Bettenhaus. fw

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Dipl.-Ing. Margrit Valentin, Institut für Prozess- und Verfahrenstechnik, Fachgebiet Mess- und Regelungstechnik, Technische Universität Berlin, Hardenbergstr. 36a, 10623 Berlin, Tel.: 030/314 79569, Fax.: 030/314 21129, E-Mail: margrit.valentin@tu-berlin.de

Hinweis: Dieser Beitrag ist das „Thema der Woche – EIN-Blicke für Journalisten“ auf dem TUB-newsportal. Sie finden dort neben dem Beitrag eine Fotogalerie, einen Expertendienst sowie weiterführende Links:

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