Vivoäquivalenter Dummy zur Bestimmung der körperlichen Belastungen beim Fahren und beim Crash.

Dummyaufbau im Halsbereich

Der Erfolg bei einem Rennen hängt nicht nur vom Fahrzeug sondern auch von der Fitness des Fahrers ab. Um für ihn ein geeignetes Trainingsprogramm entwickeln zu können, müssen die Belastungen am Fahrer ermittelt werden. Dazu ist ein spezieller Dummy entwickelt worden, der mit vielen Sensoren und Aktoren ausgestattet ist und eine anatomische und funktionsgerechte Nachbildung im Halsbereich aufweist.

Der Anstoß zu dem an der Fachhochschule Kaiserslautern am Standort Zweibrücken entwickelten Dummy kam eigentlich aus der Medizin, denn es galt zu klären, wie es zu den sehr unterschiedlichen Auswirkungen eines Auffahrunfalls beim Menschen kommt. Besonders interessant ist dabei die Feststellung, dass ein gleichintensiver Aufprall mit einem Boxauto nie zu den schmerzhaften und eigentlich nicht nachweisbaren HWS-Schleudertraumas führt.
Die üblicherweise bei Crashs eingesetzten Dummies geben hier keine Auskunft, da sie das Bewegungsverhalten des Kopfes nicht realistisch genug widerspiegeln und auch keine Muskelinnervation zulassen.
Damit Ärzte gezielter ihren Patienten helfen können, Fahrzeug- und Sitzkonstrukteure mehr Kenntnisse über besonders kritische Frequenzen, Relativbewegungen etc. erhalten und sich Fahrer -insbesondere Rennfahrer- durch ein spezifisches Training auf solche Belastungen optimal vorbereiten können, ist ein Dummy entwickelt worden, der gegenüber herkömmlichen Testpuppen in seiner sog. „Vivoäquivalenz“ erheblich besser ausgelegt und bezüglich seiner Position und muskelanspannungsbezogenen Resistenz variabel gestaltet ist.
Die verbesserte Vivoäquivalenz wird dadurch erreicht, dass nicht wie üblich der nachgebildete Halswirbelsäulenbereich aus Gummi-Aluminium-Verbundteilen besteht, welche über ein zentral geführtes Drahtkabel mir der nötigen Vorspannung beaufschlagt werden, sondern aus repräsentativen Wirbelkörpern. Deren Geometrie ist aus einem Spektrum entsprechend großer weiblicher und männlicher Realperson ermittelt und mittels geeigneter Maßnahmen optimiert und symmetrisiert worden. In Zukunft werden die Bandscheiben, die nuclei pulposi, so wie die maßgebenden Bänder und der Weichteilmantel aus künstlichen Materialien nachgebildet, die das typische anisotrope nichtlineare elastische Verhalten wie beim Menschen aufweisen.
Die muskelspannungsbezogene Resistenz des Dummies wird dadurch realisiert, dass die künstliche Muskulatur durch regel- bzw. steuerbare Feder-Dämpfersystemen nachgebildet ist, so dass unterschiedliche statische und dynamische Muskelinnervationen (z.B. stark angespannt, angespannt und schlafend) so wie differente Kopf -und Körperpositionen einstellbar sind. Entsprechende mikrotechnische Kraft- Druck- und Positionssensoren, die teilweise speziell für den Dummy an der Hochschule entwickelt und aufgebaut worden sind, ermöglichen gut reproduzierbare Versuchsanordnungen und eine automatisierte Nachkalibration.
Ein erster Einsatz des Dummies hat auf der Rennstrecke Vallelunga stattgefunden. Die AM-Holzer Rennsport GmbH hat sich entschieden, nicht nur ihre Fahrzeuge in Topform zu bringen, sondern auch die Piloten bei ihren Fitness-Vorbereitung optimal zu unterstützen. Das von Frau Prof. Prof. Dr. Reuter von der Fachhochschule Kaiserslautern (Fachbereich Betriebswirtschaft am Standort Zweibrücken) ins Leben gerufenen und organisierte Projekt mit dem passenden Namen ’ERSTER’, zeichnet sich durch eine sehr angenehme und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Experten aus den Bereichen Technik (Prof. Prof. Dr. Gäng, Fachhochschule Kaiserslautern, Facbereich Informatik und Mikrosystemtechnik), Medizin (Prof. Dr. Münch, Unfallchirurg) und Sport (Prof. Dr. Felder, Olympia Stützpunkt, Uni Saarbrücken) aus. Bei den Testfahrten wurden die Herren Rennfahrer Michael Bartels und Timo Scheider so wie auch der Opel-Motorsportchef, Herr Strycek, mit 32 Sensoren ausgestattet, um die Belastungsdaten an den Fahrern zeitsynchron zu den am vivoäquivalenten Dummy und am Rennfahrzeug gemessenen Werten aufzuzeichnen. Die Auswertung der riesigen Datenmenge (es wurden rund 60 000 Messwerte pro Sekunde aufgezeichnet), dauert noch an.
Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass die Realisierung des inzwischen zum Patent angemeldeten Dummies nur durch das riesige Engagement der beteiligten Mitarbeiter und Studenten (insbesondere der Herren E.Engelmann, A.Jentsch, Ch.Rothdiener sowie die Herrn Ph.Jost, R.Klein, D.Müller und H.Welsch), so wie durch die freundliche Vorfinanzierung durch die Fachhochschule Kaiserslautern und die Unterstützung der Firmen Analog Divice; BIOVISION; Olympia Stützpunkt Saarbrücken; VALEO; ZSE-Instruments, Bietigheim; Porsche, Weissach; IBMT Fraunhofer Institut, St.Ingbert; Sinn&Lefer ZW; Winterberg Kliniken; Saarbrücken, Universität Mainz zu Stande gekommen ist.
Der vivoäquivalente Dummy wird natürlich permanent weiterentwickelt und soll insbesondere zur Verbesserung virtueller Dummies beitragen.

Prof. Dr. L.A. Gäng
Fachhochschule Kaiserslautern
FB I/MST
Amerikastr. 1
66482 Zweibrücken
Telefon:++49 (0) 6332 – 914 411
Telefax:++49 (0) 6332 – 914 405 
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