Mehr Sicherheit durch Design von Mensch-Maschine-Schnittstellen

In der Medizin basieren die immensen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten vor allem auf neuen Technologien. Diagnose und Therapien vieler Krankheiten werden durch moderne Geräte verbessert oder sogar erst möglich. Ärzte und das gesamte medizinische Personal müssen aus diesem Grund immer mehr und auch immer kompliziertere Apparaturen bedienen.

Da Bedienungsfehler schwere Folgen haben können, gilt seit 1. Juli dieses Jahres eine neue DIN-Norm, die die Nutzerfreundlichkeit der Oberflächen medizinischer Geräte definiert. „Das wird das Produktdesign verändern“, ist sich Prof. Ralph Bruder, der Leiter des Fachgebiets Arbeitswissenschaft, sicher. „Die Hersteller werden in Zukunft noch mehr auf Sicherheit durch bedienerfreundliches Design achten müssen. In diesem Bereich gibt es noch großen Handlungsbedarf.“

Sichere Nutzung auch ohne Vorwissen

„Die Bedieneroberfläche ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine, und sie ist ein entscheidender Sicherheits-Faktor“, erläutert der Arbeitswissenschaftler. „Nur zu oft erhalten die Nutzer der teilweise hochkomplizierten Geräte eine maximal einstündige Einweisung. Unser Ziel ist es daher, die Geräte auch bei geringer Vorerfahrung gut und sicher bedienbar zu machen.“

In seinem Team arbeiten neben Ingenieuren und Psychologen auch Designer. In Deutschland ist diese Kombination noch ungewöhnlich, wird aber zunehmend nachgefragt. Die fachübergreifende Zusammenarbeit ermöglicht menschbezogene Gestaltungslösungen, so dass sich die Funktionen des Gerätes dem Nutzer quasi von selbst erschließen. Das heißt: Das Gerät ist so beschaffen, dass sein Nutzer intuitiv die richtigen Felder wählt.

Derzeit optimieren die Darmstädter für den Medizingeräte-Hersteller Sirona AG ein Röntgengerät für Zahnarztpraxen. Die Wissenschaftler wollen ein Oberflächendesign schaffen, ein so genanntes Interface Design, das das unterschiedliche Wissensniveau der Nutzer berücksichtigt.

„Wenn ein Arzthelfer ein Röntgengerät nur einmal pro Woche bedient, fehlt ihm die Übung und er muss jedes Mal von Neuem überlegen, welche Knöpfe er bedienen muss“, erläutert die Psychologin Christina König. Andererseits gibt es Mitarbeiter, die das Gerät mehrmals am Tag bedienen und spezifische Funktionen nutzen wollen, die über die Grundfunktionen hinausgehen. Ein Beispiel wäre die räumliche oder farbliche Trennung von Bedienfeldern für Nutzer mit unterschiedlichen Vorkenntnissen.

Sicherheit im Flugbetrieb

Auch die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH hat die Bedeutung des Schnittstellen-Designs erkannt und ist eine Kooperation mit der TU Darmstadt eingegangen. In einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Projekt hat das Team um Bruder ein Interface für die im Tower arbeitenden Fluglotsen konzipiert, das im Herbst in einem Simulator getestet werden soll. Im Wesentlichen geht es bei dem neuen System um Vereinheitlichung und Vereinfachung.

Bislang müssen die Lotsen ihre Informationen zu abfliegenden und ankommenden Flugzeugen von unterschiedlichen Monitoren ablesen und im Kopf kombinieren. In Zukunft sollen sämtliche Informationen zu An- und Abflügen auf einem Monitor erscheinen und die Eingaben nicht mehr über die Tastatur, sondern nur noch über Touchscreen oder Maus erfolgen: „Wir wollen zeitintensive Bedienungen abschaffen. Fluglotsen müssen keine Texte schreiben, sondern lediglich bestimmte Angaben machen oder zuweisen. Zum Beispiel klicken sie an: Flugzeug A hat die Landebahn verlassen, Flugzeug B erhält Starterlaubnis. Eine Touchscreen-Bedienung ist hier direkter, schneller und daher wesentlich geeigneter“, berichtet König.

Intelligente Schnittstellen unterstützen die Nutzer

Ziel der Darmstädter sind „intelligente Schnittstellen“, die sich an unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse der Menschen, aber auch an die Nutzung in verschiedenen Kontexten anpassen können. „Schon in den nächsten Jahren werden die Geräte lernfähig sein“, sagt Bruder voraus. „Das heißt: Telefon, Computer oder auch intelligente Fahrerassistenzsysteme werden dann die Pläne und Charakteristika ihrer Benutzer speichern und proaktiv auf die Bedürfnisse reagieren können. Wir werden wie in einem Netz von miteinander kommunizierenden und auf unsere individuellen Bedürfnisse reagierenden Geräten leben.“ Mit diesem Szenario, das sie „AmbientWeb“ nennen, beschäftigen sich an der TU Darmstadt gleich eine ganze Reihe von Wissenschaftlern.

Die proaktive Unterstützung menschlicher Handlungen durch technische Systeme setzen die Wissenschaftler bereits im Towerprojekt für die Fluglotsen um: Das System wird Vorschläge machen, in welcher Reihenfolge gelandet und gestartet werden könnte. Dafür arbeiten die Wissenschaftler die vielfältigen Berufserfahrungen der Lotsen ein, zum Beispiel welcher Typ Flugzeug im Durchschnitt wie lange für den Start benötigt. Bis zum nächsten Jahr soll das intelligente System fertiggestellt sein.

Pressekontakt:
Wolf Hertlein, Referat Kommunikation der TU Darmstadt, Tel. 06151 / 16-3229

Media Contact

Jörg Feuck idw

Weitere Informationen:

http://www.tu-darmstadt.de/

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