Cannabis bessert Symptome des Tourette-Syndroms

MHH-Studie heute in der Fachzeitschrift Pharmacopsychiatry veröffentlicht

Der Wirkstoff d9-Tetrahydrocannabinol (d9-THC) aus der Cannabis-Pflanze hilft beim Tourette-Syndrom: Die Hauptmerkmale der Erkrankung – unwillkürliche Zuckungen (motorische Tics) und das unwillkürliche Hervorbringen von Geräuschen oder Wörtern (vokale Tics) – lassen deutlich nach. Dieses Untersuchungsergebnis veröffentlicht die Fachzeitschrift Pharmacopsychiatry in ihrer morgigen Ausgabe. Ein Team um Dr. Kirsten R. Müller-Vahl, Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hatte eine kontrollierte Studie mit 12 erwachsenen Tourette-Patienten durchgeführt. Sie fanden heraus, dass die Einmalbehandlung mit d9-THC, dem stärksten psychotrop wirksamen Inhaltsstoff der Cannabispflanze, für mehrere Stunden Tics und Zwänge reduziert – ohne bedeutende Nebenwirkungen. Eine noch unveröffentlichte Folgestudie mit sechswöchiger Therapiedauer und größerer Patientenzahl bestätigt diesen positiven Behandlungsbefund.

Das Tourette-Syndrom ist eine komplexe neurologisch-psychiatrische Erkrankung, an der in Deutschland rund 50.000 Menschen leiden. Eine Ursache ist bislang nicht bekannt. Die Behandlung erfolgt derzeit symptomatisch mit Neuroleptika und anderen Psychopharmaka, die jedoch nur sehr begrenzt wirken und häufig mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen. Daher besteht großer Bedarf, optimale Therapien zu entwickeln.
Aus der Cannabispflanze gewonnenes Marihuana und Haschisch wird seit Jahrhunderten in zahlreichen Kulturen als Heilmittel eingesetzt. In der modernen Medizin spielt Cannabis – wegen des missbräuchlichen Einsatzes als Rauschmittel und nicht zuletzt wegen der lange Zeit nicht bekannten chemischen Zusammensetzung – bis heute kaum eine Rolle. Anekdotischen Berichten zufolge besserte der Konsum von Marihuana bei einzelnen Tourette-Patienten deutlich und anhaltend die Symptome. Dies gab den Anstoß für die wissenschaftliche Untersuchung.
Die Ergebnisse werfen die Frage auf, inwieweit das zentrale Cannabinoid-Rezeptor-System des Gehirns an der Entstehung der Erkrankung beteiligt ist. Nach Ansicht von Dr. Müller-Vahl sollte die Studie ermutigen, die Wirkung von Cannabis beziehungsweise einzelnen darin enthaltenden Substanzen auch bei anderen Erkrankungen zu untersuchen.

Weiter Informationen gibt gern Dr. Kirsten R. Müller-Vahl, 
E-Mail: Mueller-Vahl.Kirsten@gmx.de

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Christa Möller idw

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