Chancen erkennen und nutzen

Erfolgsteam mit Zertifikat (von links): DMT-Geschäftsführer Jürgen Häberle, Projektleiter Wolfgang Frey und Mitarbeiter Stefan Mahlich von der Fraunhofer TEG, QM-Beauftragter Michael Labinsky, DMT-Geschäftsführer Siegfried Kopp.

Die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems ist heute vor allem bei großen Firmen Standard. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) schrecken häufig davor zurück. Man fürchtet hohe Kosten, starre Regeln und weniger Spielraum bei der Kreativität. Die Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe in Stuttgart hat jetzt mit einem QM-System für ein mittelständisches High-Tech-Unternehmen bewiesen, dass dies keineswegs der Fall sein muss.

„Wer sich mit viel Papier zuschüttet und sich durch überzogene Regelungswut selbst am Geldverdienen hindert, hat die Funktionsweise eines modernen Qualitätsmanagementsystems nicht verstanden.“ Mit dieser Aussage erklärt Dipl.-Ing. Ernst Wolfgang Frey von der Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe das Scheitern vieler Unternehmen bei der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS). Denn leider stünde oftmals lediglich die Erlangung des Zertifikats im Vordergrund. Um dies möglichst schnell zu erreichen, kauften manche Unternehmen standardisierte Handbuchvorlagen und erstellten zahllose Formulare.
Bei einer solchen Schnellschuss-Vorgehensweise bleiben jedoch langfristige, zielführende Änderungen in der Organisation sowie die Einbeziehung der Mitarbeiter auf der Strecke. Die Folge ist ein QM-System, das bei den Menschen im Unternehmen auf wenig Akzeptanz stößt und daher auch nicht umgesetzt wird. „Dabei bietet funktionierendes Qualitätsmanagement enorme Chancen, die Effizienz und Effektivität betrieblicher Abläufe zu optimieren und die Mitarbeiter zu motivieren. Diese müssen nur erkannt und auch genutzt werden“, weiß der Qualitätsmanagementbeauftragte und Gruppenleiter Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme der Fraunhofer TEG. „Wir haben uns deshalb von Anfang an der Herausforderung angenommen, effektive Qualitätsmanagementsysteme in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und deren Mitarbeitern zu konzipieren und zu implementieren“.

Wachstum braucht Struktur

Diese Vorgehensweise der Fraunhofer TEG überzeugte auch die Geschäftsleitung der DMT GmbH in Holzgerlingen bei Stuttgart. Das Unternehmen suchte für den Aufbau eines Qualitätsmanagements einen kompetenten Entwicklungsberater. „Wir wollten keine Standardlösung“, nennt Tim Schwegler, Geschäftsführer im Bereich Marketing und Vertrieb, eines der wichtigsten Kriterien, „sondern ein System, das sich an unseren Prozessen orientiert und somit unsere Flexibilität nicht einschränkt.“
Gegründet wurde das Unternehmen 1994 von drei Mitarbeitern des Technologiezentrums von Hewlett-Packard in Böblingen. Der Name DMT steht für „Design Manufacturing Technology“ und hat seinen Ursprung in der Welt der elektronischen Feinwerktechnik. Ausschlaggebend für den Schritt in die Selbstständigkeit war die Entwicklung von E-PAC, ein weltweit patentiertes Innenraumkonzept für die Anordnung elektronischer Bauteile in Gerätegehäusen. Inzwischen zählt DMT zu den technologieführenden Unternehmen im Bereich der Mechanikentwicklung für elektronische Geräte und beschäftigt ca. 30 Mitarbeiter. Erklärtes Ziel ist es, den Kunden komplette Lösungen von der Idee über die Entwicklung der Produkt-Mechanik, Simulation und Konstruktion bis hin zur Serieneinführung und Beschaffung von Gehäusen anzubieten. Als hochspezialisierter Dienstleister befindet man sich dabei in einem stark wachsenden Markt, „und deshalb war auch unsere Unternehmensstrategie von Anfang an auf ein gesundes Wachstum ausgerichtet“, erklärt Jürgen Häberle, Geschäftsführer im Bereich Engineering.
Ab einer gewissen Größe merkte man jedoch, dass ein geordnetes, überschaubares Wachstum ohne feste Strukturen nicht möglich ist. „Da das gesamte Wissen zwar in den Köpfen unserer Mitarbeiter vorhanden, aber nirgends dokumentiert war, bestand natürlich das Risiko, dass Know-how verloren geht“, so Häberle weiter. Zudem wurde es immer schwieriger, neuen Mitarbeitern den vorhandenen Erfahrungsschatz zugänglich zu machen. Die Unternehmensleitung entschloss sich daher Ende 2000 ein Qualitätsmanagementsystem zu implementieren und nach DIN EN ISO 9001 zertifizieren zu lassen. „Zum einen sahen wir darin die Möglichkeit einer geregelten Expansion, ohne dabei Know-how einzubüßen“, erläutert Siegfried Kopp, Geschäftsführer im Bereich Prototyping und Serie, die Entscheidung. „Zum anderen bietet ein derartiges System die Chance, das Vertrauen der Kunden in die Qualität unserer Produkte zu steigern. Im Ergebnis haben wir mehr zufriedene Kunden.“

Gelebte Prozesse dokumentieren

Dass die TEG schließlich den Auftrag erhielt, kommt nicht von ungefähr. Denn die Stuttgarter Experten verfügen durch zahlreiche Forschungsprojekte mit kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht nur über ein branchenübergreifendes und praxiserprobtes Know-how, sondern sind darüber hinaus Mitglied der European Foundation for Quality Management (EFQM). Das Ziel dieser Organisation ist, basierend auf dem EFQM-Modell of Excellence Unternehmen eine umfassende Management-Methode an die Hand zu geben, mit der sie nachhaltige Spitzenleistungen auf allen Managementebenen erreichen können. Darüber hinaus hat die Fraunhofer-Einrichtung ein eigenes QM-System entwickelt, das 1999 nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert wurde. „DMT war für uns dennoch eine Herausforderung, da der Kreativität ein hoher Stellenwert im Unternehmen eingeräumt wird“, schildert Projektleiter Frey seine Eindrücke. Und diese Kreativität galt es in geregelte Bahnen zu bringen, ohne sie zu beschneiden. Frey: „Wir mussten ein System kreieren, das die bereits gelebten Prozesse der Unternehmung in geeigneter Weise wiederspiegelt und dokumentiert“. Hinzu kam die Vorgabe, das Projekt „Einführung eines Qualitätsmanagementsystems“ in relativ kurzer Zeit – etwa innerhalb von sechs Monaten – auf die Beine zu stellen. Ein Zeitraum, der zwar eng, aber für die TEG-Ingenieure aufgrund ihrer streng strukturierten Methodik zu schaffen war.
Zunächst wurden gemeinsam mit den Geschäftsführern die Qualitätspolitik sowie Geschäftsziele wie Kundenzufriedenheit oder Wachstum genau definiert. „Die Bewertung der Ziele mittels Kennzahlen ist dabei ein äußerst wichtiger Punkt“, betont Dipl.-Ing. Stefan Mahlich, Projektmitarbeiter der Fraunhofer TEG, „denn nur so kann der spätere Grad der Zielerreichung festgestellt werden.“ Der nächste Schritt bestand im Herunterbrechen dieser übergeordneten Ziele auf verschiedene Teilbereiche wie Führung, Personalmanagement oder Prozesse. Schließlich erfolgte die Einweisung aller Mitarbeiter in die ISO-Norm sowie die Darlegung der zu erreichenden Ergebnisse. Unterstützt wurden die Stuttgarter Ingenieure während der gesamten Projektdauer von Michael Labinsky, dem Qualitätsmanagement-Beauftragten (QMB) von DMT. In so genannten Qualitätsteams erfasste er zusammen mit den Fraunhofer-Experten und den jeweils zuständigen Mitarbeitern sämtliche Tätigkeiten und Abläufe im Unternehmen. Anschließend wurden diese entsprechend der ISO-Anforderungen überprüft, gegebenenfalls modifiziert und dokumentiert. „Durch frühzeitige Information und Einbindung der Mitarbeiter soll gewährleistet werden, dass sie den Nutzen eines Qualitätsmanagements verstehen und sich selbst sowie ihr Wissen in die Entwicklung mit einbringen“, weist Dipl.-Ing. Stefan Mahlich auf die Besonderheit der Methode hin.

Prozessorientierte Vorgehensweise

„Wir sind von Anfang an prozessorientiert vorgegangen“, erklärt Dipl.-Ing. Wolfgang Frey. Das heißt, dass die einzelnen ISO-Norm-Kapitel zwar zur Überprüfung der jeweiligen Anforderungen herangezogen wurden. Als Grundlage für die Struktur diente jedoch der eigentliche Hauptgeschäftsprozess, der wiederum in die Kernprozesse Produktentwicklung, Musterbau, Serieneinführung bzw. NPI (New Product Introduction) und Produktion unterteilt wurde. Anschließend erfassten die Qualitätsteams die Nebenprozesse wie Beschaffung, Instandhaltung oder Kundenzufriedenheitsanalyse. Kern- und Nebenprozesse wurden schließlich in Ablaufdiagrammen dokumentiert. Diese legen nicht nur die Abläufe im Unternehmen fest, sondern bestimmen gleichzeitig Schnittstellen, erforderliche Prüfschritte sowie klare Zuständigkeiten unter mehreren Beteiligten. „Die Struktur entstand aus der Erkenntnis, dass sich ein gewünschtes Ergebnis auf effizientere Weise erreichen lässt, wenn zusammengehörende Mittel und Tätigkeiten als ein Prozess geleitet und gelenkt werden“, erklärt Dipl.-Ing. Mahlich. Die gesamten Aufzeichnungen wurden schließlich im Qualitätsmanagement-Handbuch festgehalten, welches neben dem Bereich „Prozesse“ auch „Formulare und Vorlagen“ sowie „Normen und Prüfmittel“ angibt. Darüber hinaus sind der Bereich „QM-System“ mit einer Gesamtbeschreibung, den definierten Qualitätszielen und der Qualitätspolitik, sowie Angaben zu „Organisation“ und „Management“ enthalten. Das Handbuch erfüllt im wesentlichen folgende Funktionen:

  • Ordnungsfunktion:
    Die Organisation und sämtliche Abläufe werden beschrieben und Verantwortlichkeiten sowie Tätigkeiten eindeutig koordiniert und festgelegt.
  • Sicherheitsfunktion:
    Durch die Dokumentation soll sichergestellt werden, dass Schwachstellen, Leistungslücken und falsche Prozesse erkannt und beseitigt werden.
  • Wirtschaftlichkeitsfunktion:
    Das QMS dient dazu, Kundenanforderungen besser zu erfüllen und damit auch die eigene Position und Wertschöpfung am Markt zu verbessern.
  • Qualitätsbewusstseinsfunktion:
    Das QMS macht den Zusammenhang und die Wechselwirkungen aller wesentlichen Aktivitäten in Bezug auf die geforderte Qualität deutlich und fördert das notwendige Qualitätsbewusstsein der Mitarbeiter.

Die Aufzeichnungen bzw. das QM-System sind jedoch nicht feststehend, sondern müssen im Rahmen eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) stetig angepasst werden. Die Zertifizierung darf also nur als ein Etappenziel gelten. Dipl.-Ing. Frey: „Ein Qualitätsmanagementsystem macht nur dann Sinn, wenn es gelebt wird und vor allem hinsichtlich der Zielerreichung weiterentwickelt und optimiert wird.“

Minimalprinzip statt Papierflut

Viele Unternehmen machen allerdings den Fehler, jeden kleinen Einzelschritt zu dokumentieren und schaffen damit einen Berg an Formularen und Verfahrensanweisungen, den kaum jemand überblickt. „Die Fraunhofer TEG arbeitet deshalb nach dem Minimalprinzip“, betont Projektleiter Frey, „das heißt, wir versuchen die gesamte Dokumentation so knapp und verständlich wie möglich zu halten“. Zudem nutzen die Stuttgarter Entwickler in Zeiten des modernen Kommunikationsalters verstärkt die Möglichkeiten der neuen Medien. Denn gerade das QM-Handbuch unterliegt immer wieder Änderungen, sei es durch neue Verfahrensanweisungen, um Prozesse noch effektiver zu gestalten, oder durch Formular-Änderungen. Bei Handbüchern in Papierform verursacht dies einen enormen Aufwand und nicht zuletzt die gefürchtete Papierflut. Um die Situation leichter zu handhaben, werden immer häufiger EDV-gestützte Dokumentationen erstellt. „Da wir als relativ junges Unternehmen vorwiegend im Datennetz arbeiten, erschien auch uns diese Lösung sehr effektiv und anwenderfreundlich“, so DMT-Geschäftsführer Schwegler. Über das Intranet ist somit jedem Mitarbeiter die aktuellste Ausgabe zugänglich. Änderungen erfolgen an zentraler Stelle durch den QM-Beauftragten.

Qualität durch zufriedene Mitarbeiter

Mit der Integration des QM-Systems und der inzwischen erfolgten Zertifizierung konnte DMT nicht nur die Zielvorgabe beim Know-how erreichen, sondern auch weitere positive Effekte verbuchen. Beispielsweise werden die Mitarbeiter durch vorgegebene Prozesse und Formulare erheblich entlastet. „Aufgrund des strukturierten Aufbaus weiß jetzt jeder, wo er was findet“, berichtet Geschäftsführer Jürgen Häberle. „Das erspart nicht nur Kommunikationswege, sondern reduziert den Aufwand und mindert die Fehlerquote beispielsweise im Bestellwesen.“ Der Überblick über sämtliche Prozesse und deren Zusammenhänge macht zudem sensibler bei der Definition von Anforderungen. Besonderes Augenmerk wurde darüber hinaus dem Personalmanagement gewidmet, denn die Mitarbeiter sind der wesentliche Faktor für die Qualitätsfähigkeit eines Unternehmens. Aus diesem Grund werden bei DMT verstärkt Maßnahmen zur Schulung, Qualifikation und Motivation durchgeführt. Ein wichtiger Bestandteil sind beispielsweise Mitarbeitergespräche, in denen die Unternehmensziele mit den individuellen Zielen abgeglichen werden, Leistungen anerkannt bzw. konstruktive Kritik zur Verbesserung geleistet wird. Dadurch werden Mitarbeiter besser ins System eingebunden und wirken aktiv an einer kontinuierlichen Verbesserung mit.
Doch auch der Werbeeffekt eines Qualitätsmanagements in der Außenwirkung ist nicht zu unterschätzen. Zwar ist das Zertifikat in der Industrie mittlerweile schon Standard – „bei der Vergabe von Aufträgen wird es manchmal sogar vorausgesetzt“, weiß Geschäftsführer Schwegler. Doch dass eine Firma der Größenordnung DMTs den Aufwand und die Kosten der Implementierung in Kauf nimmt, ist vielfach noch die Ausnahme. „Wir sahen gerade deshalb die Chance, das Vertrauen von Kunden und Lieferanten, die bereits selbst zertifiziert sind, weiter zu steigern“, so der Tenor der Unternehmensleitung.

Langfristiger Erfolg

Mit diesem Projekt hat die Fraunhofer TEG als industrienahe Forschungs- und Entwicklungseinrichtung bewiesen, dass sie auch im Bereich Management und Unternehmensführung als kompetenter Partner zur Seite steht. Die Stuttgarter Experten stellen dafür nicht nur ihr fundiertes und praxiserprobtes Wissen im Bereich ISO-Zertifizierung zur Verfügung. Sie arbeiten auch eng mit dem Kunden zusammen und berücksichtigen die spezifischen Anforderungen und Rahmenbedingungen im Unternehmen. Darüber hinaus gibt die externe Sicht der Berater neue Impulse und zeigt Handlungsbedarf auf, wo ihn die Menschen, die tagtäglich mit dem Kerngeschäft zu tun haben, oft nicht sehen. Auf diese Weise werden individuelle Lösungen im Bereich Qualitätsmanagement geschaffen, die auch nach Abschluss der Arbeiten den gemeinsam erarbeiteten Erfolg langfristig sichern.

Media Contact

Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Axel Storz idw

Weitere Informationen:

http://www.teg.fraunhofer.de

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