Der Partikeldetektor als Diagnostiker

Das BMBF fördert Forschungsvorhaben des Ulmer Laserinstituts

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte 2001 zum dritten Mal den mit 4,0 Mio. DM dotierten Innovationswettbewerb zur Förderung der Medizintechnik ausgeschrieben. Das Förderungsziel besteht darin, die Durchführung von »Schlüsselexperimenten« zu unterstützen, »die zum Nachweis der Machbarkeit einer neuen Technik oder eines neuen Verfahrens der Medizin erforderlich sind«. Die einzelne Zuwendung überschreitet in der Regel nicht DM 500.000. Da ein konkretes Produkt aus den Arbeiten hervorgehen soll, ist die Kooperation mit einem Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Bedingung, das die weitere Finanzierung bis zur Produktreife übernimmt. Am 22. November wurden 9 Projekte (aus 123 Bewerbungen) ausgezeichnet. Darunter ist ein Vorhaben von Prof. Dr. Rudolf Steiner, Direktor des Instituts für Lasertechnologien in der Medizin und Meßtechnik an der Universität Ulm (ILM), zur Erkennung von Krankheitserregern und genetischen Informationen. Es wird in den nächsten zwei Jahren mit DM 500.000 gefördert.

Steiners Ansatz beruht auf der Idee, die laserbasierte Partikeldetektion zum Beispiel für diagnostische Zwecke, für gentechnische Untersuchungen, für die Lebensmittelkontrolle u.ä. fruchtbar zu machen. Die mit ihm kooperierende Firma Klotz Analytische Meßtechnik, Bad Liebenzell, stellt lasergestützte Meßapparaturen zur Detektion von Partikeln zwischen 2 und 150 Mikrometern her. Mit der Fähigkeit zur Registrierung nur 2% betragender Größenunterschiede ist deren Auflösungsfähigkeit hoch. Die Partikel können aus Kunststoff, Glas, Metall oder anderen Stoffen bestehen. Eingesetzt werden die Geräte beispielsweise zur Kontrolle von Trinkwasser, zur Überprüfung der Reinheit von Flüssigkeiten und Lösungen in der chemischen und pharmazeutischen Industrie usw. Nun will Steiner dieser Technologie weitere Anwendungsfelder erschließen, so etwa die gezielte synchrone Suche nach bestimmten Krankheiten oder deren Erregern im diagnostischen Prozeß.

Hierfür sollen Partikel unterschiedlicher Größe mit jeweils spezifischen Erkennungssequenzen – Antikörpern, Antigenen – für verschiedene Krankheiten beschichtet werden. Dazu ein Beispiel: die 100-Mikrometer-Partikel werden mit einem Marker für Typhus, die 50-Mikrometer-Partikel für HIV, die 10-Mikrometer-Partikel für Malaria gekoppelt. In einer Blut- oder Plasma-Probe binden, sofern vorhanden, Antikörper bzw. Eiweiße, die die jeweilige Krankheit bzw. ihren Erreger anzeigen, an die »komplementären« Partikel, das heißt an die Träger der spezifischen Erkennungssequenz. In einem zweiten Schritt werden Antikörper der gesuchten Arten mit Fluoreszenzfarbstoff markiert und in das Medium eingeführt. Diese markierten Antikörper docken an die Tandems, die sich aus Partikeln und unmarkierten Antikörpern formiert haben, und nur an diese Tandems an, das bedeutet: »ledige« Partikel werden nicht markiert. Der Detektor des Lasermeßgerätes schließlich prüft – in einem einmaligen Durchlauf – sowohl die Größe der vorbeiströmenden Partikel als auch das Vorliegen einer Fluoreszenz. Wenn also in unserem Beispiel eine fluoreszierende 10-Mikrometer-Partikel registriert wird, ist das ein Hinweis auf eine Malaria-Infektion. Werden in dieser Kategorie keine Fluoreszenzen festgestellt, befinden sich in der untersuchten Blutprobe keine Malaria-spezifischen Antikörper. Dieses jetzt in der Entwicklung begriffene Meßgerät soll imstande sein, 200.000 Partikel pro Milliliter Testflüssigkeit zu detegieren.

Fluoreszenzverfahren, die bislang schon eingesetzt werden, beruhen auf denselben biochemischen Mechanismen. Jedoch benutzen sie als Trägermatrix starre Plastikoberflächen, zum Beispiel Mikrotiterplatten oder auch komplexe Chips. Die multiple und zugleich hochpräzise Partikelmessung rationalisiert die Nachweisverfahren erheblich. Zwischengeschaltete Wasch- und Pipettier-Schritte sind nicht erforderlich. Die Tests, die in einem einzigen Meßdurchlauf erfolgen können, sind beliebig kombinierbar. Das Verfahren wird sich auch zur Bestimmung von Genexpressionen eignen. Dazu können Partikel mit definierten DNA-Abschnitten (Oligonukleotiden) auf die Suche nach ihren Komplementen geschickt oder auch spezifische Eiweiß-Exprimate, für die bestimmte genetische Konfigurationen codieren, ausfindig gemacht werden. Darüber hinaus sind weitere Anwendungsfelder des Detektionssystems denkbar, so etwa der Nachweis von Schadstoffen in Lebensmittel. Dem Anwender soll die Möglichkeit gegeben werden, sowohl spezifisch beschichtete Partikel zu erwerben als auch freie Partikel nach Maßgabe seiner Untersuchungsziele selbst zu konfigurieren. Vorgesehen ist, das Meßgerät im Verlauf von etwa zwei Jahren zur Marktreife zu entwickeln. Die bevorstehenden Forschungsarbeiten sind auf die simultane und fehlerfreie Detektion der Partikelgröße und des Fluoreszenzsignals sowie auf die Differentiationsfähigkeit des Gerätes gerichtet, das in der Lage sein muß, die Fluoreszenzsignale frei schwimmender Marker von denjenigen zu unterscheiden, die von den Konglomeraten aus Partikel, Antikörper und Marker ausgehen.

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Peter Pietschmann idw

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