"Halloween füllt ein kulturelles Vakuum"

Dr. Gunter Hirschfelder ist sich sicher: Der ausgehöhlte Kürbis stellt für die Münchner Weißwurst keine Bedrohung dar (Bild in hoher Auflösung: <a href=http://www.verwaltung.uni-bonn.de/presse/Bildgalerie/halloween.jpg>hier</a>)

Einmal pro Jahr trauen sich in den USA Werwölfe, Vampire und Hexen aus ihren Verstecken, belagern gleich rudelweise die Haustüren der braven Bürger und lassen sich nur durch kalorienreiche Bestechungsgaben von Schlimmerem abhalten. Am 31. Oktober werden auch in Deutschland wieder Lichterketten aus Kürbisköpfen zahllose Halloween-Parties in orangenes Licht tauchen. Dr. Gunther Hirschfelder vom Institut für Volkskunde an der Universität Bonn registriert die zunehmende Begeisterung für Halloween mit Interesse. Seiner Meinung nach füllt das Fest ein kulturelles Vakuum, das durch den Bedeutungsverlust hiesiger Traditionen entstanden ist.

Entstanden ist Halloween in Irland aus einem alten keltischen Erntedank-Brauch, dem so genannten „Festival of Samhain“ – Samhain war der Fürst des Totenreichs. Die Zeit nach der Ernte war eine Zeit des Überflusses, die gebührend gefeiert wurde. Im Zuge der Christianisierung Irlands übernahm die Kirche den „heidnischen“ Brauch, benannte ihn aber um in „All Hallows’ Eve“ – den Abend vor Allerheiligen. Verkürzt wurde daraus mit der Zeit „Halloween“.

Mitte des 19. Jahrhunderts zwangen Fehlernten zahlreiche Iren, ihr Land zu verlassen. Viele versuchten ihr Glück in Amerika und machten dort unter anderem auch das Halloween-Fest bekannt. In Amerika entstand der Brauch, Kürbisse auszuhöhlen, ihnen eine gruselige Fratze zu verpassen, sie mit einer Kerze von innen zu beleuchten und abends auf Fenstersims oder Balkon zu stellen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Halloween in den USA immer populärer, wozu auch geschäftstüchtige Medien nicht unerheblich beitrugen. „Das Fest hatte aber einen starken Bedeutungswandel durchgemacht“, betont Hirschfelder. „Halloween hat heute in den USA ungefähr den gleichen Stellenwert wie hier der Karneval. Wer sich nicht beteiligt, gilt als Partymuffel und wird ausgegrenzt – ein wesentliches Merkmal für einen Brauch.“

Im Gegensatz dazu sieht er die Halloween-Begeisterung in Deutschland. „Hier ist Halloween noch ein relativ unverbindlicher Termin, an dem man teilnehmen kann oder auch nicht – also streng genommen noch kein Brauch, obwohl sich das noch ändern kann.“ Dass das Fest in den letzten Jahren auch in Deutschland so sehr an Popularität gewonnen hat, schreibt er dem „kulturellen Vakuum“ zu, das durch den Bedeutungsverlust vieler Traditionen und religiöser Bräuche entstanden sei. „Der Mensch als soziales Wesen sehnt sich nach Traditionen, die sein Leben strukturieren.“ Andererseits seien Bräuche per se nicht unbedingt etwas Positives: „Häufig dienen sie der Unterscheidung zwischen ’uns’ und ’den Anderen’ und damit der Ausgrenzung.“

Der Volkskundler sieht im Phänomen „Halloween“ keine Bedrohung regionaler Eigenheiten. In vielen Gegenden sei sogar eine Rückbesinnung auf angestammte Traditionen zu registrieren. Auch die Industrie berücksichtige bei ihren Produkten regionale Unterschiede: „Es gibt mehrere verschiedene Sorten der ’5-Minuten-Terrine’, die jeweils nach ortsspezifischen Vorlieben gewürzt sind“, erklärt Hirschfelder und ist sich sicher: „Das Ende der Münchner Weißwurst ist noch fern.“

Ansprechpartner für die Medien: Privatdozent Dr. Gunther Hirschfelder, Institut für Volkskunde an der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-2573, E-Mail: g.hirschfelder@uni-bonn.de.

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Frank Luerweg idw

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