Den Blick auf fremde Kulturen früh schulen


Kinder und Jugendliche lernen mit Unterstützung der VolkswagenStiftung den Umgang mit anderen Lebensweisen

Angesichts zunehmender Fremdenfeindlichkeit in Deutschland wird immer deutlicher, dass Kinder und Jugendliche möglichst früh auf ein Leben in einer multikulturellen Gesellschaft vorzubereiten sind. Oft lassen sich bereits in jungen Jahren Vorurteile gegenüber anderen Kulturen und Lebensweisen erkennen, doch diese beruhen meist schlicht auf Unsicherheit und Unkenntnis. Andererseits fühlen sich Jungen und Mädchen von der Vielfalt der sich ihnen bietenden Möglichkeiten durchaus angezogen: So integrieren sie in ihren Alltag Ausdrucksformen der Multikulturalität wie Rastazöpfe, Körperschmuck und Kleidung im Ethnolook – ganz zu schweigen von der Vorliebe für internationale Küche und Musik, der Begeisterung für Fernreisen in exotische Gegenden oder für fremde religiöse und esoterische Inhalte. Interessant ist für sie gerade das, was sich von der eigenen Kultur, dem Gewohnten und Bekannten, unterscheidet.

Nur selten jedoch wird das kulturell „Andersartige“ bewusst aufgenommen und wirklich erschlossen. Und das in einer Welt, in der immer größere Teile der nachwachsenden Generation den Informationsaustausch über alle Grenzen hinweg pflegen und – etwa über die Medien – Informationen von überallher beziehen. So fällt der kommende Weltkindertag am 9. September in eine Zeit, in der Jugendliche unterschiedlicher Kulturen immer häufiger Kontakt zueinander haben. Grund genug für die VolkswagenStiftung mit 432.000 Mark ein Projekt zu unterstützen, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Vereins Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung (ESE) e. V. und des Instituts für Ethnologie der Universität Münster die „Relevanz ethnologischer Themen für den Erwerb interkultureller Kompetenz in der schulischen Sozialisation“ untersuchen. Mit anderen Worten: Lässt sich bei Schülern eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen wecken, wenn sie sich frühzeitig – und unter professioneller Betreuung – mit diesen intensiv auseinandersetzen?
Ergebnisse aus vorhergehenden Untersuchungen der beteiligten Wissenschaftler deuten darauf hin, dass die Beschäftigung mit fremden Kulturen und mit Themen der interkulturellen Verständigung zumindest auf einen Teil der Schüler Eindruck macht. In dem nun seit März 2000 laufenden Projekt initiieren und begleiten die Forscher ein Jahr lang in zwei Realschulen ethnologischen Unterricht in insgesamt vier Schulklassen der Stufen 7 und 8. Die Schüler erhalten Informationen über andere Kulturen; sie sollen dabei für die Probleme der Völkerverständigung sensibilisiert werden und die eigene Voreingenommenheit gegenüber „dem Anderen“ erkennen lernen. Thematisiert werden die politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder religiösen Strukturen diverser Kulturen aller Kontinente. Diese Unterrichtsinhalte sind in die laufenden Curricula vornehmlich der Fächer Geografie, Geschichte, Sozialkunde und Religion integriert, werden daneben aber auch Fächer übergreifend gestreut.

Durch erste Erfahrungen sehen die Forscher ihre Vermutung bestätigt, dass viele Jungen und Mädchen nach nur wenigen Schulstunden ihr ursprüngliches Bild von fremden Kulturen überdenken und lernen, dass ihre Einstellungen sehr durch die eigene Weltsicht geprägt sind. Haben sie erst einmal neue Eindrücke gewonnen und etwa den Sinn bestimmter fremd erscheinender Verhaltensweisen verstehen gelernt, empfinden sie die Unterschiede nicht mehr als trennend, sondern als bereichernd. „Es nutzt viel, die Perspektive zu wechseln und die Sicht anderer anzunehmen. Diese Fähigkeit zu erlernen ist wichtig“, sagt Dr. Christiana Lütkes vom Institut für Ethnologie der Universität Münster. Wissenschaftlich erfasst werden die Einstellungen der Schüler im Verlauf dieses Unterrichtsjahres durch Erhebungen – Fragebogen, Aufsätze und Situationserläuterungen – zur jeweiligen interkulturellen Kompetenz der Jugendlichen vor und nach dem Unterricht.

Die Wissenschaftler hoffen, dass ihr Unterrichtsmodell dazu beitragen kann, bei der heranwachsenden Generation ein Bewusstsein zu formen für einen differenzierten und offenen Umgang mit anderen Lebensweisen. Durch den reflektierten Blick auf das Fremde dieses zu verstehen und dabei zugleich etwas über die eigene Kultur zu lernen, das „Andersartige“ letztlich zu respektieren; zu fragen: „Wie sehen wir andere, und wie sehen die uns?“ Darin sehen die Forscher den Weg hin zu einer toleranten, multikulturellen Gesellschaft von Morgen – umso mehr, als gerade Unkenntnis und mangelnde Auseinandersetzung mit dem Fremden sich im Extremfall in Gewalt entladen kann.

Kontakt: VolkswagenStiftung: Dr. Hiltgund Jehle, Tel.: 0511/8381-276, E-Mail: jehle@volkswagenstiftung.de

Kontakt: Institut für Ethnologie an der Universität Münster:
Dr. Christiana Lütkes, Tel.: 0251/9240118
E-Mail: lutkes@uni-muenster.de

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Dipl.Biol. Dipl.Journ. Christian Jung

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