Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) richtet 13 neue Sonderforschungsbereiche ein

Zum 1. Januar 2003 wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 13 Sonderforschungsbereiche einrichten – darunter vier Transregio/SFB – sowie einen Transferbereich. Dies beschloss der zuständige Bewilligungsausschuss in seiner Sitzung am 26. und 27. November. Insgesamt wird die DFG ab Januar 2003 an 61 Hochschulen 275 Sonderforschungsbereiche fördern, für die rund 353 Mio. Euro zur Verfügung stehen.

Abweichend von der weiterhin bestehenden Form des ortsgebundenen Sonderforschungsbereichs, der einer lokalen Profilbildung dient, sind Transregio durch mehrere, in der Regel zwei bis drei Standorte gekennzeichnet. Hier werden Kooperationspartner zusammengeführt, deren Beiträge sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau zwingend ergänzen. Transferbereiche dienen der Umsetzung der in einem Sonderforschungsbereich erzielten wissenschaftlichen Ergebnisse in die Praxis durch die Kooperation der Forschungsinstitutionen mit Anwendern.

Die von der Bundesregierung unerwartet beschlossene „Nullrunde“ für die Haushalte der Forschungsorganisationen, darunter auch den der DFG, für das Jahr 2003 hatte Auswirkungen auf die Entscheidungen in der Ausschusssitzung. Noch im Juni hatte die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) eine Steigerung des DFG-Haushalts für das Jahr 2003 um 3,5 Prozent beschlossen. Auf dieser Grundlage wurden die Finanzberechnungen auch für die Sonderforschungsbereiche durchgeführt.

Nach den neuesten Zahlen würden damit allein für die Förderung der Sonderforschungsbereiche im Jahr 2003 rund 25 Millionen Euro fehlen. Diese drohenden Mindereinnahmen könnten nur aufgefangen werden, wenn zusätzlich zu einer ungewöhnlich hohen Ablehnungsquote – auch durch Streichung von Teilprojekten – eine pauschale Mittelkürzung für alle Sonderforschungsbereiche von drei Prozent im Jahr 2003 verhängt werde, so der DFG-Präsident. Der Ausschuss nahm diese unter den Umständen notwendige Entscheidung zur Kenntnis, ohne sie zu billigen.

Der DFG-Präsident appellierte in der Sitzung erneut an die Verantwortlichen von Bund und Ländern, es nicht so weit kommen zu lassen und im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschaft und des wissenschaftlichen Nachwuchses der Spitzenforschung weiterhin die notwendige Unterstützung zu gewähren.

Sonderforschungsbereiche ermöglichen bei zeitlicher Begrenzung – in der Regel zwölf Jahre – und regelmäßiger strenger Begutachtung die Durchführung aufwändiger Forschungsvorhaben an den Hochschulen. Die Wissenschaftler können mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und auch mit der Wirtschaft kooperieren. Die Vielzahl der Initiativen für die Einrichtung von Sonderforschungsbereichen führt dazu, dass der Wettbewerb nach wie vor sehr groß ist.

Die neuen Sonderforschungsbereiche im Einzelnen:

Geistes- und Sozialwissenschaften

Mit aktuellen Tendenzen der Entwicklung von Staaten westlicher Prägung befasst sich der Sonderforschungsbereich „Staatlichkeit im Wandel“, der an der Universität Bremen eingerichtet wird. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht nicht nur die systematische Beschreibung des Wandels von Staatlichkeit, sondern auch die Frage, ob es einen grundlegenden Veränderungstrend gibt, welche Kräfte die Veränderung auslösen und wie sich die Veränderungsprozesse auswirken. Neben der Universität Bremen sind die neue International University of Bremen, die Hochschule Bremen, die Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin) und das European University Institute in Florenz mit Projekten an dem Sonderforschungsbereich beteiligt.
Sprecher: Prof. Michael Zürn, Bremen, Tel.: 0421 / 218 2098

Die Entwicklung der modernen Kunst wird geprägt durch die Vernetzung der Künste untereinander und die Aufhebung der Grenze zwischen Kunst und Nichtkunst. Vor diesem Hintergrund will der neue Sonderforschungsbereich an der Freien Universität Berlin die „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“ erforschen. Im Mittelpunkt steht die künstlerische Moderne in all ihren Ausdrucksformen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Gefragt wird dabei sowohl nach den Transformationen und Eigenarten ästhetischer Erfahrung als auch nach den spezifischen Erfahrungen in den einzelnen Künsten. In diesem Rahmen werden Literatur- und Kunstwissenschaftler sowie Philosophen, Musik-, Theater- und Filmwissenschaftler interdisziplinär zusammenarbeiten. Dabei wird auch ein Blick fallen auf frühere Phasen der abendländischen Geschichte der Künste sowie auf die nichtwestliche Kunst.
Sprecher: Prof. Werner Busch, FU Berlin, Tel.: 030 / 838 53849

Biologie und Medizin

Die Haut ist nicht nur das größte Organ des menschlichen Körpers, sondern auch eine wichtige Schutzbarriere gegen Verletzungen und Infektionen. An der Universität Köln wird der Sonderforschungsbereich „Molecular basis of structural and functional barriers in the skin“ untersuchen, welche zellulären und molekularen Prozesse der Schutzfunktion der Haut zugrunde liegen. In verschiedenen Schwerpunkten werden unter anderem die Wundheilung des Gewebes und die Reaktion der Haut auf Schäden durch UV-Strahlen untersucht. Angesichts wachsender Umwelteinflüsse auf die Haut sollen die Ergebnisse dieser Untersuchungen neue Erkenntnisse über die Abwehrmechanismen der Haut liefern.
Sprecher: Prof. Thomas Krieg, Köln, Tel.: 0221 / 478 4500

Der neue Sonderforschungsbereich „Mechanismen der zellulären Kompartimentierung und deren krankheitsrelevante Veränderungen“ an der Universität Marburg hat sich zum Ziel gesetzt, die molekularen Grundlagen der zellulären Kompartimentierung, also der Aufteilung der Zelle in Abteilungen, umfassend zu untersuchen. Das Verständnis dieser Vorgänge ist notwendig, um den Ablauf und die Steuerung spezifischer biologischer Prozesse zu verstehen. An unterschiedlichen Beispielen und Organismen soll untersucht werden, wie die Kompartimentierung in der gesunden und der krankhaft veränderten Zelle abläuft und wie sich Störungen auf die Zelle und den Gesamtorganismus auswirken. Von den Forschungsarbeiten werden wichtige Erkenntnisse über zentrale Fragen der Zellbiologie und der Humanmedizin erwartet.
Sprecher: Prof. Roland Lill, Marburg, Tel.: 06421 / 28 66449

Eine Vielzahl von Menschen lebt mit Hüft- oder Kniegelenksprothesen oder anderen Arten von Implantaten. Die Verträglichkeit und Funktionalität der körperfremden Materialien stellt jedoch nach wie vor ein Problem dar. Die Grundlagenforschung für die Entwicklung von besseren Implantaten steht im Mittelpunkt des Sonderforschungsbereichs „Zukunftsfähige bioresorbierbare und permanente Implantate aus metallischen und keramischen Werkstoffen“, der an der Medizinischen Hochschule Hannover unter Beteiligung der Universität Hannover und der Tierärztlichen Hochschule Hannover eingerichtet wird. Dieses Projekt will neue Wege für die Entwicklung von Implantaten ausloten. Zu diesem Zweck sollen die Wechselwirkung von Materialien mit ihrem biologischen Umfeld geprüft und neue, besonders belastbare und verträgliche Werkstoffe entwickelt werden.
Sprecher: Prof. Thomas Lenarz, Hannover, Tel.: 0511 / 532 6565

In der lebenden Zelle sind Membranproteine an vielen essentiellen Reaktionen beteiligt. Trotz ihrer überaus großen Zahl ist bislang lediglich die Struktur von weniger als dreißig Membranproteinen aus verschiedenen Organismen aufgeklärt worden. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Functional Membrane Proteomics“, eingerichtet an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, sollen die Eigenschaften, die Struktur und die Funktionsweisen unterschiedlicher Gruppen von Membranproteinen erforscht werden. Das Neue des Forschungsverbundes ist, strukturelle und funktionelle Aspekte der Membranproteine zu untersuchen. Dabei werden verschiedene Untersuchungsansätze und -methoden der Proteinanalyse eingesetzt.
Sprecher: Prof. Robert Tampé, Frankfurt, Tel.: 069 / 798 29475

Naturwissenschaften

An der Universität Bochum wird der Sonderforschungsbereich „Universelles Verhalten gleichgewichtsferner Plasmen: Heizung, Transport und Strukturbildung“ eingerichtet. Mit diesen im Wesentlichen noch unverstandenen Themenbereichen aus der Plasmaphysik beschäftigt sich ein Team von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Der neue thematische und methodische Ansatz dieses Projekts schlägt in der Plasmaforschung erstmals den Bogen zwischen Astrophysik und klassischer Plasmaphysik und lässt neue Erkenntnisse und Synergien erwarten, die nicht nur für die Teildisziplinen relevant sind, sondern übergreifende Bedeutung haben.
Sprecher: Prof. Reinhard Schlickeiser, Bochum, Tel.: 0234 / 3222032

„Gravitationswellenastronomie: Methoden – Quellen – Beobachtung“ ist das Thema des neuen Transregio, an dem sich die Universitäten Jena, Tübingen und Hannover sowie die Max-Planck-Institute für Gravitationsphysik, Golm, und für Astrophysik, Garching, beteiligen. Zentrales Anliegen der Wissenschaftler ist das theoretische und zugleich experimentelle Studium der Graviationswellen. Ihre direkte Beobachtung ist Forschern bislang nicht gelungen. Sollten die Signale von Gravitationswellen in diesem Forschungsverbund erstmals mit Hilfe eines Detektors nachgewiesen werden, könnte eine fundamentale Naturkraft für die Astrophysik erschlossen werden – auch für ein neues Verständnis solcher Phänomene wie Supernova-Explosionen oder das Verschmelzen von Doppelsternen. Sprecher: Prof. Gernot Neugebauer, Jena, Tel.: 03641/ 947110

An dem neuen Sonderforschungsbereich/Transregio „Computergestützte Theoretische Teilchenphysik“ beteiligen sich die Universität Karlsruhe, die Humboldt-Universität zu Berlin, die RWTH Aachen und das Deutsche Elektronen-Synchrotron, Zeuthen. Durch den Einsatz computergestützter Methoden in der theoretischen Teilchenphysik ist es mittlerweile möglich, komplexe Quantenfeldtheorien numerisch zu simulieren. Die numerische Simulation unterstützt dabei die Interpretation von Daten aus Experimenten an Hochenergiebeschleunigern und soll damit zu einem tieferen Verständnis des Standardmodells der Teilchenphysik beitragen. Der Transregio wird die damit verbundenen wissenschaftlichen Grundfragen durch Berechnungen und theoretische Weiterentwicklungen in neuer Präzision aufgreifen. Sprecher: Prof. Johann Kühn, TH Karlsruhe, Tel.: 0721 / 608 3372

Ingenieurwissenschaften

Funktionswerkstoffe sind verwendungsspezifisch konzipierte Materialkompositionen, die in vielen Lebensbereichen Verwendung finden, beispielsweise in Batterien oder künstlichen Gliedmaßen. Wie alle anderen Materialien weisen sie jedoch im Laufe der Zeit Ermüdungserscheinungen auf, die zu einer schlechteren Funktion des Materials führen. Der Sonderforschungsbereich „Elektrische Ermüdung in Funktionswerkstoffen“, der in Darmstadt eingerichtet wird, hat sich zum Ziel gesetzt, in diesem interdisziplinären und international vernetzten Projekt die Mechanismen der Ermüdung für unterschiedliche Werkstoffe aufzuklären und damit die Grundlage für eine Verbesserung von Materialeigenschaften in Funktionswerkstoffen zu leisten.
Sprecher: Prof. Jürgen Rödel, Darmstadt, Tel.: 06151 / 16 6315

Die Entwicklung moderner Kommunikationstechnologien, insbesondere die globale Verbreitung der Mobilkommunikation, macht die Entwicklung und Erprobung innovativer Anwendungen erforderlich. An der Universität Stuttgart befasst sich der neue Sonderforschungsbereich „Umgebungsmodelle für mobile kontextbezogene Systeme“ mit Zukunftsvisionen für Informationsnetzwerke; UMTS ist dafür ein Beispiel. Ziel des Sonderforschungsbereichs ist, neben der Grundlagenfor-schung in diesem Feld der Informatik auch eine übergreifende Kommunikations-Plattform zu entwickeln, die es Anwendern zukünftig ermöglichen soll, Umgebungsmodelle effektiv zu nutzen. Dabei rücken auch Fragen nach der gesellschaftlichen Akzeptanz der neuen Technologien in das Blickfeld. Sprecher: Prof. Kurt Rothermel, Stuttgart, Tel.: 0711 / 7816 434

Rauminformationen und räumliche Umgebungen spielen für Menschen eine zentrale Rolle – zum Beispiel für ihre Orientierung. Die zugrunde liegenden geistigen Prozesse sind mentale Operationen des räumlichen Schließens, deren Untersuchung und computergestützte Nachbildung für eine gelungene Mensch-Maschine-Interaktion unerlässlich sind. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio „Raumkognition – Schließen, Handeln, Interagieren“ kooperieren Wissenschaftler der Universität Bremen und der Universität Freiburg/Br. Das Ziel des Forschungsverbundes ist, die kognitiven Fähigkeiten des Menschen modellhaft abzubilden, in Robotermodelle umzusetzen und damit das Wissen über die Repräsentation und Verarbeitung räumlicher Informationen aufzuklären. Sprecher: Prof. Christian Freksa, Bremen, Tel.: 0421 / 218 8621

In der industriellen Produktionstechnik spielen leichte Tragwerkstrukturen, etwa beim Fahrzeugbau, eine große Rolle. Wie lässt sich eine neue, idealisierte Prozesskette zur flexiblen Fertigung leichter Tragwerkstrukturen entwickeln? Diese Frage steht im Mittelpunkt des ingenieurwissenschaftlichen Sonderforschungsbereichs/Transregio „Integration von Umformen, Trennen und Fügen für die flexible Fertigung von leichten Tragwerkstrukturen“, in dem sich Forscher an drei Standorten – der Universität Dortmund, der Technischen Hochschule Karlsruhe und der Technischen Universität München – zu interdisziplinärer Kooperation zusammenschließen. Das Besondere ist, dass sowohl neue technologische Prozesse und deren Verknüpfung als auch die Simulation der Verfahrensabläufe und deren Auswirkungen auf die Produkteigenschaften untersucht werden sollen.
Sprecher: Prof. Matthias Kleiner, Dortmund, Tel.: 0231 / 755 2680

Der Transferbereich „Datenbasierte Generierung und Optimierung von Modellen mit Methoden der Computational Intelligence zur Lösung industrieller Anwendungsprobleme“ an der Universität Dortmund geht aus einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs „Design und Management komplexer Prozesse und Systeme mit Methoden der Computational Intelligence“ hervor, der zum Ziel hat, die methodischen Grundlagen der Computational Intelligence zu verbessern und deren Anwendung für praktische Aufgaben mit realistischen Komplexitätsgraden auszubauen. Die im Sonderforschungsbereich neu entwickelten Methoden sollen nun im Rahmen des Transferprojekts für die Anwendung vorbereitet werden.
Sprecher: Prof. Schwefel, Dortmund, Tel.: 0231 / 9700952

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