Freundschaft und Verwandtschaft, Mystik und Moderne im Fokus der Forschung

1,4 Millionen Euro für „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“

Die VolkswagenStiftung bewilligt 1,4 Millionen Euro für zwei neue Vorhaben in dem Programm „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“. Diese Förderinitiative zielt auf die geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen. Wissenschaftler sind aufgerufen Projektthemen zu definieren, die aktuelle, in der Gesellschaft diskutierte Fragestellungen aufgreifen; Fragestellungen, die sich darüber hinaus nur im interdisziplinären Verbund bearbeiten lassen – nach Möglichkeit unter Einschluss naturwissenschaftlicher Fächer. Mit diesen beiden zentralen Anforderungen will die VolkswagenStiftung dazu beitragen, die Geisteswissenschaftler in ihren Forschungsaktivitäten aus dem sprichwörtlichen „Studierstübchen“ zu locken. Bewilligt wurden jetzt:

  1. 800.000 Euro für das Projekt „Freundschaft und Verwandtschaft: Zur Unterscheidung und Relevanz zweier Beziehungssysteme“ unter der Federführung von Privatdozent Dr. Peter Schuster, Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld – in Kooperation mit Professor Dr. Frank Rexroth (Universität Göttingen, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte), Professor Dr. Günther Schlee (Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung, Halle), Professor Dr. Rudolf Stichweh (Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie) und Professor Dr. Fritz Trillmich (Universität Bielefeld, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Verhaltensforschung);
  2. 600.000 Euro für das Vorhaben „Mystik und Moderne“ unter der Leitung von Professor Dr. Klaus Vondung vom Fachbereich für Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften der Universität Siegen – in Kooperation mit Professor Dr. Ludwig Pfeiffer (Universität Siegen, Fachbereich Anglistik), Professor Dr. Frederick Gregory und Professor Dr. Stephen A. McKnight (beide University of Florida, Gainesville, Department of History/USA).

zu 1: Das Thema Freundschaft hat derzeit Konjunktur in der öffentlichen Diskussion über die verschiedenen Modelle menschlicher Beziehungen. Dabei ist häufig zu hören, dass in der modernen, komplexen und flexiblen Gesellschaft Freundschaft die zentrale Form persönlicher Beziehungen ist. Diesem aktuellen Loblied auf „die Freundschaft“ steht die bereits im 19. Jahrhundert formulierte Angst vor dem Zerfall familiärer Bindungen in der modernen Gesellschaft gegenüber. Vor dem Hintergrund dieser Diskussion setzt sich das oben genannte Wissenschaftlerteam um Privatdozent Dr. Peter Schuster von der Fakultät für Geschichtswissenschaft und Philosophie der Universität Bielefeld in den kommenden drei Jahren mit Struktur und Bedeutung von Verwandtschaft und Freundschaft aus soziologischer, historischer, ethnologischer und biologischer Perspektive auseinander. Verwandtschaft ist dabei nicht genetisch definiert, sondern gemeint als eine Sozialbeziehung, unabhängig vom individuellen Wollen und Wünschen, der man „nicht entkommen kann“. In dem biologischen Teilprojekt stehen – ausgehend von der Frage: Ist „Kooperation“ in Tierverbänden mit „Freundschaft“ unter Menschen gleichzusetzen? – die sozialen Binnenstrukturen in Robben-kolonien und Kooperationsmuster in Vogelschwärmen im Mittelpunkt. Zu den insgesamt sehr weit reichenden Themenfeldern planen die Forscher neben wissenschaftlichen Veröffentlichungen auch interdisziplinär ausgerichtete Seminare und Sommerkurse sowie eine projektbegleitende Ausstellung.

zu 2: Wenn man die Moderne inhaltlich bestimmt sieht durch cartesianisches Weltbild, rationalistische Denkmethode, Verweltlichung und das dominierende Auftreten der Naturwissenschaften, so hat es doch innerhalb der Moderne stets auch dem entgegengesetzte Weltbilder gegeben – von den Wissenschaftlern des folgenden Projekts als „mystisch“ bezeichnet. Das Forscherteam um Professor Dr. Klaus Vondung vom Fachbereich für Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften der Universität Siegen will nun mystische Erfahrungsauslegungen und Weltdeutungen innerhalb von solchen Weltbildern untersuchen, die sich selbst mitnichten als „mystisch“, sondern als „wissenschaftlich“, „philosophisch“ oder „politisch“ verstehen.

In vier Teilprojekten – Geschichtsmystik, Naturmystik, Biomystik und Cybermystik – wird der Vielfalt des Mystischen in der Moderne nachgespürt: Die Forscher des Teilprojekts Naturmystik etwa wollen den in der Wissenschaft vorhandenen Streit aufgreifen, ob die Natur wenigstens theoretisch aus einem einheitlichen Ganzen besteht oder nicht. Die Untersuchungen dazu erstrecken sich auf vier Forschungsfelder: a. Die zerteilte Natur – Natur im Kleinformat; b. Natur im Großformat; c. Natur und Evolution; d. Die heilungsbedürftige Natur. Interessant erscheint auch das Teilvorhaben Cybermystik. Ausgangspunkt ist dabei die These der Forscher, dass die neue „Computer-Welt“ weder „ausschließlich technologisch definiert noch überhaupt profan“ sei. Welche Einheitsvisionen lassen sich hier ausmachen? Die Wissenschaftler denken da beispielsweise an die Vorstellung von der Vereinigung des individuellen Bewusstseins mit einem Datenuniversum oder auch an die Vereinigung der Menschheit unter einer neuen Humanität.

Kontakte VolkswagenStiftung

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Christian Jung, Telefon: 05 11/83 81 – 380, E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

Förderinitiative „Schlüsselthemen der Geisteswissenschaften“
Dr. Vera Szöllözi-Brenig, Telefon: 05 11/83 81 – 218, E-Mail: szoelloezi@volkswagenstiftung.de

Kontakt Universität Bielefeld
Privatdozent Dr. Peter Schuster, Telefon: 05 21/106 – 3216, Fax: 05 21/1 06 – 2966

Kontakt Universität Siegen
Professor Dr. Klaus Vondung, Telefon: 02 71/7 40 – 2131, Fax: 02 71/7 40 – 4507

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