Mechanische Libellen – Wie Ingenieure von der Natur lernen

Die Ingenieure lernen von der Natur, wie sie zum Beispiel die Eigenschaften winziger Flugobjekte verbessern können. Zur Langen Nacht der Wissenschaften am 14. Juni 2008 sollten Besucher der Versuchshalle in der Ackerstraße auf dem TU-Campus in Wedding ihre Augen auch zur Hallendecke richten: Vielleicht kommt gerade eine Rotorlibelle vorbeigesurrt …

„Fliegen ist gar nicht so einfach“, stellt Prof. Dr.-Ing. Ingo Rechenberg lächelnd fest. Soeben ist seine Rotorlibelle seitlich abgeschmiert und hat die Landung auf dem vorgesehenen Platz verweigert. Vorsichtig birgt Rechenberg das künstliche, nur Handteller große Insekt. Der Akku ist vollständig entladen. „Wir profitieren von den Fortschritten der Handytechnik“, erläutert der kommissarische Leiter des Fachgebietes Bionik und Evolutionstechnik an der Technischen Universität Berlin. Erst seitdem Bauteile wie Lithium-Polymer-Akkus winzig sind und dennoch ausreichend Energie liefern, ist es möglich, so genannte Mikro-Air-Vehikel zu konstruieren, kaum größer als ein Skarabäus.

Wer könnte das besser als ein Modellflugweltmeister und -vizemeister (1954), der außerdem Flugzeugbau studiert hat? Seit seinem zwölften Lebensjahr ist Ingo Rechenberg begeisterter Modellflieger. „Mein Studienwunsch war klar: Flugzeugbau“, berichtet er. Bei den Miniaturflugzeugen hätten ihn schon damals wegen der vergleichbaren Größe Vögel inspiriert. Diese frühen Erkenntnisse kamen dem erfahrenen Wissenschaftler später zugute.

„Manchmal sind wir sogar besser als die Natur“, sagt Rechenberg. Dort findet sich aus nachvollziehbaren Gründen kein Flieger, der mit kreisenden Rotoren die Schwerkraft überlistet: Der Organismus könnte dabei die Flügel nicht mit Nährstoffen versorgen.

Seit zwei Jahren experimentieren die Bioniker und Modellbauer um Ingo Rechenberg mit ihren Rotorlibellen. Seit etwa einem halben Jahr sind sie auf nur 9,8 Zentimeter geschrumpft. Langfristiges Ziel ist es, die Mini-Flieger auch mit Kameratechnik oder Detektoren auszustatten. „Dann könnte man sie zum Beispiel zum Aufspüren von Erdbebenopfern in unzugänglichen Gebieten einsetzen oder Waldbrand gefährdete Flächen überwachen“, gibt Rechenberg Beispiele für den praktischen Nutzen der Rotorlibellen.

Die Mikro-Hubschrauber sind als Koaxial-Rotor-Helikopter konstruiert: Zwei Motoren treiben über zwei ineinander liegende Wellen zwei gegenläufig kreisende Rotorblatt-Duos an, die übereinander gestapelt sind. Ein Kreiselstabilisator krönt das Flügelquartett, dessen Form tatsächlich an die einer Libelle erinnert, und wirkt ähnlich wie die lange Stange eines Seiltänzers ausbalancierend. Der Antrieb wird mit einem Lithium-Polymer-Akku mit

Energie gespeist und per Bluetooth ferngesteuert.

„Je kleiner der Helikopter, desto schwerer ist er zu steuern“, sagt Prof. Rechenberg. Schon leichter Seitenwind kann zum Problem werden. Künftig sollen die Flieger programmiert werden, so dass sie sich ihren Weg allein bahnen können. Zurzeit beträgt die Flugdauer etwa zehn Minuten – dann muss der Akku wieder aufgeladen werden. Rechenberg und sein Team sind abhängig von der Entwicklung der Handy- und Computertechnologie. „Neulich habe ich eine Fliege beobachtet“, sagt er. „Da ist uns die Biologie noch überlegen.“

Weitere Informationen:
http://www.pressestelle.tu-berlin.de/medieninformationen/
http://www.pressestelle.tu-berlin.de/?id=4608
http://www.bionik.tu-berlin.de
http://www.lndw.tu-berlin.de/course/view.php?id=761

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Dr. Kristina R. Zerges idw

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