Zentrum für Adaptive Robotik gestartet

Roboterarm bei der Montage eines etwa 70 Kilogramm schweren Sitzes in ein Auto. Durch seine Hilfe werden die Arbeiter weder vom Gewicht des Sitzes noch von der komplizierten Einfädelprozedur belastet.<br>Bild: Uni Würzburg/Informatik VII<br>

Ob in der industriellen Produktion, bei der Bestrahlung von Tumoren oder in der Raumfahrt – Roboter unterstützen Menschen auf vielen Gebieten. Entsprechende Anwendungen haben Wissenschaftler der Universität Würzburg in der Vorlaufphase zur Einrichtung des Zentrums für Adaptive Robotik seit 2009 in zahlreichen Projekten weiterentwickelt. Meist geschah das in Kooperation mit Industriepartnern, so dass die neuesten Erkenntnisse direkt für künftige Produkte nutzbar waren.

Roboter unterstützen ältere Arbeiter

Im Projekt „Fit4Work“ zum Beispiel wurde eine Technik zur Entlastung älterer Industriearbeiter entwickelt. Diese Arbeiter verfügen über große Erfahrung, doch lassen ihre Reaktionszeiten ebenso nach wie ihre Fähigkeit, schwere Lasten zu tragen. Ihnen stellt die Robotertechnik eine „dritte Hand“ zur Seite. „Eine fortgeschrittene Sensortechnik garantiert dabei höchste Sicherheit, trotz der räumlichen Nähe zwischen Roboter und Mensch“, so Professor Klaus Schilling, Robotik-Experte von der Universität Würzburg.

Diese Entwicklungsarbeit lief im Rahmen des Projekts „Fit4Age“, das von zwölf Forschungsinstituten und 32 Industriebetrieben getragen wurde. Stellvertretender Leiter war Klaus Schilling, die Bayerische Forschungsstiftung hat das Projekt gefördert. „Ähnliche Aufgaben werden künftig vermehrt zu bewältigen sein, um Industriearbeitsplätze in Deutschland zu halten“, so Schillings Prognose. Denn das Durchschnittsalter von Industriearbeitern werde weiter steigen: 2006 lag es bei 41 Jahren, 2018 wird es schon bei 48 Jahren liegen.

Ziele des Zentrums für Adaptive Robotik

Solche und andere überzeugende Ergebnisse der Robotik haben die Leitung der Universität Würzburg dazu veranlasst, grünes Licht für die dauerhafte Etablierung eines Zentrums für Adaptive Robotik zu geben. Es strebt innovative Anwendungen für die Medizin, die industrielle Produktion und die Raumfahrt an. „Dazu müssen technische Systeme mit Ansätzen aus Sensorik, Regelungstechnik und Informatik kombiniert werden“, sagt Schilling.

Komplexe Aufgaben lassen sich laut Schilling auch in der Zukunft nur im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine durchführen. Darum spielen im neuen Robotik-Zentrum intuitive, interaktive Mensch-Maschine-Schnittstellen eine wichtige Rolle.

Verschiedene Disziplinen arbeiten mit

Der Schwerpunkt des neuen Zentrums liegt in der Informatik, angesiedelt ist es darum an der Fakultät für Mathematik und Informatik. Es wird aber auch Biologen, Neurologen, Psychologen und Mathematiker mit einbeziehen, um die Grundlagenforschung interdisziplinär weiterzubringen. Im Bereich der Anwendung bestehen intensive Kooperationen mit Medizin, Raumfahrt, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften. Dadurch sollen die verschiedenen Aspekte des Robotereinsatzes ganzheitlich betrachtet werden.

Gründungsversammlung in der Informatik

Klaus Schilling hat das Zentrum initiiert und wurde bei der Gründungsversammlung am 15. November 2011 einstimmig zum Vorsitzenden gewählt. Sein Stellvertreter ist der Biologe Professor Jürgen Tautz. An der Gründungsversammlung im Institut für Informatik nahmen 30 Wissenschaftler aus acht Fakultäten teil. „Diese große Bereitschaft zur interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeit berechtigt zur Hoffnung auf künftige spannende Robotik-Projekte aus Würzburg“, so Schilling.

Zur Homepage des Zentrums für Adaptive Robotik:
http://www.arc.informatik.uni-wuerzburg.de
Spitzenprojekte der Telemedizin
Mit spannenden Projekten konnte Schillings Lehrstuhl für Robotik und Telematik schon immer aufwarten. Im Spitzencluster „Medical Valley“, der vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 80 Millionen Euro gefördert wird, beschäftigen sich die Würzburger seit Anfang 2010 mit zwei Projekten der Telemedizin. Dafür wurden sie wegen ihrer innovativen Sensordaten-Fernerfassungsmethoden ausgewählt.

Die Idee: Patienten, die ständige Betreuung brauchen, sollen zu Hause ihr normales Leben weiterführen können. Das kann gelingen, wenn ihre Vitalfunktionen ständig gemessen, an ein Medizinzentrum weitergeleitet und dort von Computern überprüft werden. Bei Veränderungen wird sofort der Arzt verständigt – er kann dann frühzeitig reagieren und im Notfall schnell eingreifen.

Dieses System wird zurzeit für Menschen mit der chronischen Lungenkrankheit COPD und für Dialyse-Patienten realisiert. Bei diesen Projekten kooperiert die Würzburger Robotik unter Leitung des Zentrums für Telematik (Gerbrunn) mit den Firmen ERT (Höchberg), iWelt (Eibelstadt) und Fresenius Medical Care (Schweinfurt) sowie mit dem Universitätsklinikum Würzburg, dem Dialysezentrum Erlangen und der Missionsärztlichen Klinik GmbH (Würzburg).

Weitere Robotik-Projekte aus Würzburg

Die Würzburger Robotik hat bereits viele Projekte erfolgreich abgeschlossen. In der Klinik für Strahlentherapie zum Beispiel balanciert eine robotergesteuerte Liege die Lungenkrebspatienten so, dass die Strahlung immer haargenau den Tumor trifft. Das gelingt, weil das System die Atembewegungen des Brustkorbs erfasst und die Liege sofort so ausrichtet, dass die Strahlen nicht ins Leere laufen.

Entwickelt wurde auch eine miniaturisierte Magensonde, die lästige Magenspiegelungen ersetzen kann. Sie ist kleiner als eine Tablette, wird einfach geschluckt und liefert dann medizinische Daten an externe Lesegeräte. Hier wurden in Zusammenarbeit zwischen Medizin und Informatik Patente in Europa und USA auf den Weg gebracht.

Auch junge Mediziner in der Ausbildung profitieren von der Arbeit an Schillings Lehrstuhl. Mit einem einfachen Roboter können sie den Einsatz von Kathetern üben, bevor sie solche Eingriffe zum ersten Mal an Patienten durchführen.

Im Projekt „Fit4Age“ wurde auch der Scooter entwickelt, um Senioren bei der Mobilität zu unterstützen. Das rollstuhlartige Roboterfahrzeug verfügt über Fahrassistenzfunktionen, mit denen es autonom navigieren und Hindernisse umfahren kann. Ein Beirat aus 120 Senioren begleitete die Entwicklung.

Bei einem anderen Projekt geht es darum, Flugroboter und Roboterfahrzeuge so aufeinander abzustimmen, dass sie sich selbst organisieren und zusammenfinden – etwa um bei Katastrophen schnell die Lage zu analysieren und Verletzte zu finden. Denkbar sind solche Einsätze zum Beispiel nach Unfällen in Atomanlagen. Wenn große Naturflächen auf Schadstoffe zu untersuchen sind, kann das im Zusammenspiel zwischen Robotik und Bienen gelingen: Die Insekten tragen Pollen und Nektar ins Nest, dort erkennen Sensoren eine mögliche Belastung des Materials.

Schließlich ist die Würzburger Robotik auch in Richtung Weltraum orientiert. Die Wissenschaftler wollen Satelliten technisch so fit machen, dass sie Weltraumschrott aufspüren, festhalten und gezielt auf eine Absturzbahn schicken können, so dass er in der Atmosphäre der Erde verglüht.

Kontakt

Prof. Dr. Klaus Schilling, Lehrstuhl Informatik VII: Robotik und Telematik, Universität Würzburg, T (0931) 31-86647, schi@informatik.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-wuerzburg.de

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