Wachstum jugendlicher Fingerabdrücke ist vorhersagbar

Fingerabdruck einer Person im Alter von zwölf Jahren; spezifische Merkmale sind blau markiert.<br>Foto: Uni Göttingen<br>

Wissenschaftler der Universität Göttingen haben gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Wachstum von Fingerabdrücken vorhersagen lässt. Die Software des BKA hatte bislang Probleme, die Fingerabdrücke eines Menschen im Jugend- und Erwachsenenalter als dieselben zu erkennen. Die Fehlerquote kann jedoch stark reduziert werden, wenn der jugendliche Fingerabdruck nach bestimmten Regeln vergrößert wird.

Welche Regeln das sind, fanden die Forscher nun heraus: Die Fingerabdrücke von Jugendlichen wachsen gleichmäßig und proportional zur Körpergröße. Ihr „Muster“ ändert sich dabei im Laufe der Jahre nicht wesentlich. Die Ergebnisse der Biometrie-Arbeitsgruppe an der Fakultät für Mathematik und Informatik werden in der Fachzeitschrift IEEE Transactions on Information Forensics and Security veröffentlicht.

Die Wissenschaftler untersuchten zunächst, ob Fingerabdrücke in alle Richtungen gleichmäßig wachsen. „Das war nicht von vornherein klar, da menschliche Knochen in der Regel verstärkt in die Länge wachsen, also schmaler werden“, erläutert der Statistiker Dr. Thomas Hotz. „Wir konnten es aber mit speziellen statistischen Verfahren der sogenannten Formenanalyse belegen.“ Anschließend musste noch der Faktor bestimmt werden, um den ein Finger sich vergrößert: Hierbei zeigte sich, dass Fingerabdrücke von Jugendlichen im Wesentlichen proportional zur Körpergröße wachsen. „Wir können ihr Wachstum also mithilfe von Wachstumstabellen für Mädchen und Jungen vorhersagen“, so der Informatiker Dr. Carsten Gottschlich.

Die Methode bestand den Praxistest mit Erfolg: Den Wissenschaftlern gelang es, die Fehlerquoten gängiger Fingerabdruck-Software deutlich zu reduzieren, wenn die Abdrücke zuvor um den entsprechenden Faktor vergrößert wurden. Das BKA testete 48 Fingerabdrücke in einer Datenbank von 3,25 Millionen Menschen. Die bisherige Software konnte in 38 Fällen den entsprechenden Abdruck des Jugendlichen zuordnen, die neue Methode in 47 Fällen – in einem Fall war die Bildqualität zu schlecht für die Wiedererkennung.

Das BKA will die Methode zukünftig in sein automatisches Fingerabdruck-Identifikationssystem (AFIS) integrieren. Um die Wachstumskorrektur anwenden zu können, muss lediglich bekannt sein, wie alt die Person war, als sie ihren Fingerabdruck abgegeben hat. „Mithilfe dieser Methode wird unser System im Umgang mit den Abdrücken Jugendlicher noch besser werden. Die gemeinsame Anstrengung hat sich gelohnt“, so Michael Hantschel, Leiter des Referats „Daktyloskopie (AFIS)“ des BKA in Wiesbaden. Der Leiter der Arbeitsgruppe an der Universität Göttingen, Prof. Dr. Axel Munk, sieht das Projekt als perfektes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis: „Wir haben mit einer Frage aus der Grundlagenforschung begonnen: Wie wachsen Fingerabdrücke? Diese Frage konnten wir mithilfe moderner Verfahren der mathematischen Statistik und anhand eines Datensatzes des BKA beantworten. Und die Antwort ermöglichte es uns, den Wachstumseffekt so zu modellieren, dass er wiederum zu relevanten Verbesserungen in der Praxis führt.“

Originalveröffentlichung: Carsten Gottschlich, Thomas Hotz, Robert Lorenz, Stefanie Bernhardt, Michael Hantschel und Axel Munk. Modeling the Growth of Fingerprints Improves Matching for Adolescents. IEEE Transactions on Information Forensics and Security 2011. DOI: 10.1109/TIFS.2011.2143406

Eine Vorabversion des Artikels ist im Internet unter der Adresse http://ieeexplore.ieee.org/xpls/abs_all.jsp?arnumber=5751684 zu finden.

Kontaktadresse:
Dr. Thomas Hotz
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Mathematik und Informatik
Institut für Mathematische Stochastik
Goldschmidtstraße 7, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-13517, Fax (0551) 39-13505
E-Mail: hotz@math.uni-goettingen.de
Internet: http://www.stochastik.math.uni-goettingen.de

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