Verfahren zur Bewertung von Datenschutzfolgen bei Überwachungssystemen

Im EU-Projekt SAPIENT hat ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Folgen von Überwachung für den Schutz personenbezogener Daten und anderer Grundrechte abschätzen lassen. Dieses Verfahren, das in einem Handbuch dokumentiert ist, kann Unternehmen und öffentlichen Stellen bei der Entscheidung helfen, ob eine neue Technologie oder Dienstleistung genutzt werden sollte.

Eine Vorabbewertung von Datenschutzfragen wird beim Einsatz von Überwachungstechnologien und -dienstleistungen bald gesetzlich verpflichtend sein: Die Europäische Union beispielsweise listet im Entwurf für die künftige europäische Datenschutzgrundverordnung mehrere Prinzipien auf, die bei der generellen Verarbeitung personenbezogener Daten beachtet werden müssen. Dazu gehören der begrenzte Einsatz von Überwachungsinstrumenten, die zeitlich beschränkte Speicherung der Daten sowie eine allgemeine Berücksichtigung von Bürgerrechten.

Um die möglichen Risiken für den Einzelnen ebenso wie für die ganze Gesellschaft zu eruieren, braucht es eine fundierte Prüfung, welche Auswirkungen eine neue Technologie oder Dienstleistung haben kann. Im Rahmen des EU-Projekts SAPIENT (Supporting fundamentAl rights, PrIvacy and Ethics in surveillaNce Technologies) hat ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI ein Handbuch zur Abschätzung der Auswirkungen von Überwachung (Surveillance Impact Assessment) entwickelt.

Oft ist in der Literatur und in Forschungsprojekten nur von einer Abschätzung der Auswirkungen für die Privatsphäre (Privacy Impact Assessment) die Rede, doch Projektleiter Dr. Michael Friedewald vom Fraunhofer ISI betont: „Überwachungssysteme haben nicht nur Auswirkungen auf die Privatsphäre. Es können auch andere Grundrechte betroffen sein, beispielsweise das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Versammlungsfreiheit. Ebenso besteht die Gefahr, dass sensible Informationen zu Herkunft, Religion, politischer Einstellung, Gesundheit und Sexualität zusammengeführt und genutzt werden. Der im Rahmen von SAPIENT entwickelte Fragenkatalog deckt gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische, rechtliche und ethische Aspekte ab.“

Zu den Fragen, die sich politische Entscheidungsträger, technische Entwickler und andere gesellschaftliche Akteure möglichst schon vor, spätestens aber während der Entwicklung des Produkts stellen sollten, gehören: Wird das neue Überwachungssystem wirklich gebraucht? Ist der Nutzen erklärbar? Für welchen Auftraggeber wird es entwickelt? Auf wen ist es gerichtet, wer ist davon betroffen? Überwiegen die Vor- oder die Nachteile? Ist es rechtlich in Ordnung? Ist es ethisch vertretbar? Welche Ressourcen werden gebraucht?

Anhand der Antworten auf diese und viele andere Fragen lassen sich der Einfluss und die Risiken der geplanten Technologien und Dienstleistungen einschätzen. Die identifizierten Risiken können hinsichtlich Konsequenzen und Wahrscheinlichkeit analysiert und priorisiert werden. Dann muss versucht werden, die wahrscheinlichsten und gravierendsten Risiken zu reduzieren beziehungsweise Lösungen dafür zu finden. Letztlich zielt der Fragenkatalog darauf ab, bei der Entscheidung zu helfen, ob das neue Produkt eingesetzt werden sollte – oder eben nicht. Die frühestmögliche Auseinandersetzung mit den Folgen ist wichtig, da so noch Einfluss auf die Produkt- oder Serviceentwicklung genommen werden kann.

Michael Friedewald weist in diesem Zusammenhang auf das Konzept von „Privacy by design“ hin, das von der künftigen europäischen Datenschutzverordnung vorgeschrieben wird: „Es ist entscheidend für die Wahrung von Grundrechten, sich frühzeitig Fragen zur Privatsphäre und zum Datenschutz zu stellen. Nur so können mögliche Risiken erkannt und entsprechende Lösungen bereits im Entwicklungsprozess gefunden werden, statt sie im Nachhinein zu implementieren. Ein gutes Beispiel für den Privacy-by-design-Ansatz ist die automatische Datenlöschung nach einer bestimmten Zeit.“

Aus dem Fragenkatalog ist ein Handbuch für Politiker, Entwickler und andere wichtige Akteure entstanden, wie und wann auf intelligente Überwachung zurückgegriffen werden sollte und wie sie sich in Einklang mit der Achtung von Privatsphäre bringen lässt. Das Handbuch präsentiert eine ausführliche Version für eine umfassende Analyse komplexer Systeme und eine Kurzversion, die eine rasche erste Bewertung erlaubt.

Das Handbuch mit dem Bewertungsverfahren und dem Fragenkatalog kann unter http://www.sapientproject.eu/SIA_Manual.pdf  heruntergeladen werden.

Weitere Informationen zum Projekt SAPIENT gibt es unter http://www.sapientproject.eu .

Kontakt:
Anne-Catherine Jung MA
Telefon: +49 721 6809-100
E-Mail: presse@isi.fraunhofer.de

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

Weitere Informationen:

http://www.isi.fraunhofer.de/isi-de/service/presseinfos/2014/pri-25-2014-sapient-ueberwachung-datenschutz.php
http://www.sapientproject.eu/SIA_Manual.pdf
http://www.sapientproject.eu

Media Contact

Anne-Catherine Jung Fraunhofer-Institut

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer