Schnell und präzise in die Lunge blicken

Beim Probelauf des optimierten Computerprogramms DICOM-Analyser (v. re.): Dr. Anja Braune, Prof. Dr. Ingrid Bönninger, Nico Gerhardt, Igor Nesterow, Tobias Steinmetzer. Foto: Robert Rietscher Foto: Robert Rietscher

Das Atmungsorgan automatisch und präzise zu erkennen und ungleich schneller als bisher von umliegenden Geweben und Strukturen mittels sogenannter Segmentierung abzugrenzen, das ermöglicht ein Computerprogramm, an welchem Studierende der Medizininformatik an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus–Senftenberg derzeit mitarbeiten.

Zunächst soll das Programm DICOM-Analyser im Rahmen der anästhesiologischen Forschung genutzt werden, indem es die Lunge in allen drei Dimensionen in nur wenigen Sekunden abgrenzt. Im Folgeschritt kann dann das jeweilige Maß der Schädigung des Organs abgeschätzt werden. Derzeitig sind für die Lungensegmentierung noch viele Stunden intensiver und überwiegend manueller Arbeit erforderlich.

Die Arbeit an realen Projekten mit Kliniken ist ein wesentliches Merkmal des Studiengangs Medizininformatik. Um Unterstützung wurden die Studenten aus dem in Senftenberg ansässigen Institut für Medizininformatik der BTU von Prof. Dr. med. Marcelo Gama de Abreu und Dr. Anja Braune vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden gebeten.

Sie arbeiten in der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie und forschen an der Optimierung der mechanischen Beatmung, insbesondere im Rahmen des akuten Lungenversagens. Somit stehen die BTU-Studenten Nico Gerhardt und Igor Nesterow den Wissenschaftlern bei der Lösung schwieriger Probleme zur Seite.

Aufnahmen der Lunge in 3D

„Um den Schädigungsgrad der Lunge erkennen zu können, werden dreidimensionale Aufnahmen des Körpers mit einem Computertomographen (CT) erfasst. Hierfür nehmen wir circa 200 bis 510 Schnittbilder auf. Diese Schnittbilder beinhalten jedoch nicht nur die Lunge, sondern auch alle umliegenden Organe und Strukturen, wie Herz, Rippen, Wirbelsäule, Zwerchfell sowie die Luft- und Speiseröhre“, erklärt Dr. Anja Braune. Für die Diagnose müssen die Wissenschaftler deshalb in jedem einzelnen Schnittbild die Lunge erkennen und kennzeichnen. Bei schwer geschädigten Lungen geschieht dies noch überwiegend per Hand und dauert bis zu sechs Stunden pro 3D-Aufnahme.

Die Studenten Nico Gerhardt und Igor Nesterow arbeiten an der BTU intensiv daran, dass diese Verfahrensweise bald der Vergangenheit angehört. Fachlich unterstützt werden die Studenten von Tobias Steinmetzer, der wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizintechnologie ist, sowie von Prof. Dr.-Ing. Martin Weigert und Prof. Dr.-Ing. Ingrid Bönninger, die im Studiengang Medizininformatik Grundlagen der Informatik, mathematische Grundlagen beziehungsweise Softwareengineering lehren.

„Es macht uns stolz, im Studium ein so anspruchsvolles Projekt zu realisieren, das einen realen Nutzen hat“, sagt Nico Gerhardt.

Hintergrund

Der Name des Computerprogramms, DICOM-Analyser, basiert auf der Abkürzung für Digital Imaging and Communications in Medicine, einem offenen Standard für die Speicherung und den Austausch von Informationen im medizinischen Bilddatenmanagement. Mit dem in der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der TU Dresden entwickelten Programm [1] werden auf CT-Bildern gesunde und geschädigte Teile der Lunge automatisch erkannt. Eine wesentliche Information ist hierfür die von dem englischen Elektrotechniker und Nobelpreisträger für Medizin, Godfrey Hounsfield (1919-2004), entwickelte Hounsfield-Skala. Mittels dieser Skala können die Werte der CT-Bilder den verschiedenen Organen und Strukturen zugeordnet werden. Ausschlaggebend ist dabei die jeweilige Dichte. Je dichter ein Objekt ist, desto höher ist auch der Wert auf der Hounsfield-Skala. Deren praktisch genutzter Bereich liegt zwischen minus 1024 und plus 3071 Hounsfield-Einheiten (HU). Speziell für die Lunge reicht dieser von etwa minus 1000 bis 0 HU.

Nachdem mit dem Programm DICOM-Analyser der Lungenbereich abgegrenzt wurde, kann anhand der Hounsfield-Einheit der prozentuale Anteil der geschädigten Lunge berechnet werden, woraus die Forscher ihre Schlussfolgerungen ziehen. Das Computerprogramm, welches Nico Gerhardt und Igor Nesterow – Masterstudenten der Informatik mit der Vertiefung Medizininformatik an der BTU – seit fast einem Jahr wöchentlich etwa sechs Stunden überarbeiten und für einen breiteren Anwendungsbereich optimieren, steht kurz vor der Fertigstellung und soll dann im Rahmen der klinischen Forschung angewendet werden. Ein weiteres Projekt zur Optimierung der Algorithmen im Computerprogramm DICOM-Analyser soll im noch jungen universitären Studiengang Medizininformatik im bevorstehenden Wintersemester 2018/19 folgen.

Zum Studiengang Medizininformatik

Für diesen Studiengang wurde das Konzept 'ProTrack' entwickelt, das den Studierenden die Möglichkeit gibt, vom vierten Bachelor-Semester an bis zum Ende des Studiums oder darüber hinaus kontinuierlich an einem oder mehreren Klinik-Projekten mitarbeiten zu können. Den zulassungsfreien universitären Studiengang Medizininformatik an der BTU Cottbus–Senftenberg gibt es seit dem Wintersemester 2016. Er verbindet das Wissen aus der Informatik und den Informationstechnologien mit dem Wissen aus der Medizin. Dieses Jahr wird mit Studienbeginn zum Wintersemester der dritte Jahrgang immatrikuliert.

1: Cuevas L.M. et al., 2009, Automatic Lung Segmentation of Helical-CT Scans in Experimental Induced Lung Injury. IFMBE Proceedings, volume 22, Springer, Berlin, Heidelberg

Prof. Dr.-Ing. Ingrid Bönninger
Brandenburgische Technische Universität Cottbus–Senftenberg
Fachgebiet Softwareengineering
T +49 (0) 3573 85-613
E Ingrid.Boenninger(at)B-TU.De

https://www.b-tu.de/medizininformatik-bs/steckbrief
https://www.b-tu.de/studium/studienangebot

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