Parkplatzsuche ade

Alltägliche Herausforderung: Für viele Großstädter heißt es mehrmals am Tag, eine der wenigen freien Parklücken zu finden. Eine Studie von 2013 zeigt: Um einen Parkplatz in einer deutschen Stadt zu finden, muss der Suchende durchschnittlich 4,5 Kilometer Strecke zurücklegen.

Keine Frage, Männer können es wesentlich besser als Frauen. Das zumindest sagen die meisten Männer dieser Erde. Eine aktuelle Studie von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim behauptet das Gegenteil. Sie beobachtete 400 Teilnehmer und kam zu dem Fazit: Es sind die Frauen, die besser und schneller einparken können als Männer.

Man sieht schon: Wer wirklich geschickter ist, ein Auto in eine Parklücke zu manövrieren, ist seit Jahrzehnten umstritten. Eine Antwort auf diese Frage ist jedoch spätestens dann völlig unerheblich, wenn es kaum Parkplätze gibt, an denen die eigenen Parkkünste unter Beweis gestellt werden können. Und das ist in Großstädten oft ärgerlicher Alltag.

Eine Studie, 2013 von der Apcoa Parking Holding GmbH in Auftrag gegeben, unterstreicht, dass ein Parkplatzsuchender in deutschen Städten durchschnittlich 4,5 Kilometer braucht, um fündig zu werden. Nimmt man den durchschnittlichen CO2-Ausstoß eines Automobils, der laut Kraftfahrt-Bundesamt bei rund 140 Gramm pro Kilometer liegt, als Richtwert, so heißt das: Jede Parkplatzsuche verursacht mindestens 630 Gramm unnötig erzeugtes CO2 im Schnitt. Bei Stop-and-Go-Verkehr kann dieser Wert noch deutlich steigen.

Parkplatzsuche entspricht einem Drittel des städtischen Gesamtverkehrs

Neben Abgasen und Feinstaub sind auch der Lärm für die Anwohner und die strapazierten Nerven der erfolglosen Parkplatzsuchenden die negativen Folgen der Parkflächenarmut. „Je nach Größe der Stadt macht der Parkraumsuchverkehr rund 30 Prozent des Gesamtverkehrsaufkommens einer Stadt aus“, weiß Marcus Zwick, Projektleiter zu intelligenter Parkraumüberwachung bei der Geschäftseinheit Mobility der Siemens AG. „Künftig wird es aber nicht ausreichen, neue Parkplätze zu schaffen und öfter auf das Fahrrad umzusteigen, um das Parkraumproblem in Großstädten weltweit in den Griff zu kriegen“, erklärt er. Grund: 2014 wuchs das Personenverkehrsaufkommen um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr; für 2015 ist laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ein weiterer Anstieg um ein Prozent zu erwarten.

Deshalb entwickelt Zwick seit Oktober 2013 mit mehreren Kollegen andere Ansätze. Seine Lösung, die im November 2014 auf der Jahrestagung des Städtenetzwerks Eurocities in München vorgestellt wurde, heißt Advanced Parking Management. Die Idee: Radarsensoren in Straßenlaternen oder an Hauswänden montiert überwachen permanent den städtischen Parkraum und melden freie und belegte Parkplätze an eine Software. Von dort kann die Stadt die Informationen abrufen und an App-Betreiber weitergeben. Dann kann sich jeder Verkehrsteilnehmer jederzeit informieren, wo er einen freien Parkplatz findet. Über sein Endgerät wie Smartphone, Tablet oder Navigationsgerät. In Echtzeit.
Navigationsgerät

Parkraumüberwachung von unten

Sensoren, die Straßenzüge überwachen und die Parkplatzsituation dokumentieren, sind an sich nichts Neues. So gibt es im Londoner Stadtteil Westminster ein Versuchsprojekt mit 3.000 Bodensensoren. Diese Sensoren sind im Straßenasphalt eingelassen und erkennen lediglich, ob sich über ihnen etwas befindet, nicht aber Größe oder Position des Fahrzeugs. Sobald Schnee auf den Boden fällt oder sonstiger Schmutz die Bodensensoren bedeckt, liefern sie meist keine Messergebnisse mehr. „Daraus entstand die Idee, die Straße nicht von unten, sondern von oben zu überwachen“, erklärt Dr. Florian Poprawa, Leiter der Hardware-Entwicklung im Forschungsprojekt Advanced Parking Management.

Radarsensoren statt Überwachungskameras

Die Siemens-Techniker entschieden sich bewusst, in dem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt radargestützte Sensoren zu verwenden. „Zwar haben Radarsensoren eine geringere Auflösung als gewöhnliche Überwachungskameras, aber sie bieten andere Vorteile“, erklärt Zwick. So führt die niedrige Auflösung der Aufnahmen dazu, dass Radarsensoren lediglich schematische Bilder aufzeichnen. „Daher lassen sich keinerlei Rückschlüsse auf Personen ziehen, die sich vor dem Sensor bewegen. Die Persönlichkeitsrechte der einzelnen Verkehrsteilnehmer bleiben gewahrt“, bestätigt Zwick. Daneben sind Radarsensoren wesentlich unempfindlicher bei Nebel, Regen, wechselnden Lichtverhältnissen oder winterlichen Wetterlagen und kostengünstiger als Bodensensoren. Nicht zuletzt können sie auch erkennen, ob ein parkendes Auto gerade oder schräg zum Bordstein steht.

Erkennen freier Parkplätze

„Um erstmals parkende Autos vor unserem Bürogebäude zu überwachen, montierten wir einen autoreifengroßen Kasten, in dem ein Radarsensor montiert war, neben das Bürofenster“, erinnert sich Poprawa. Poprawa und seine Kollegen, die für die Entwicklung der Sensoren verantwortlich sind, konnten nun den Parkverkehr in verschiedenen Farben in Echtzeit auf einem Monitor beobachten: stehende und fahrende Autos wurden in Rot angezeigt, freie Parkflächen in Blau.

Das Prinzip ist einfach: Die Sensorplatine, etwa so groß wie die Faust eines Erwachsenen, sendet Mikrowellen auf eine definierte Fläche aus, die zu ihm reflektiert werden, sobald sie auf ein Hindernis treffen. Daraus errechnet der Sensor mit einem ausgeklügelten Algorithmus, ob und auf welcher Position sich ein Objekt auf der Parkfläche befindet und welche Größe es hat. „Der Asphalt reflektiert permanent Mikrowellen an den Sensor. Sobald sich ein Auto auf die Fläche bewegt, erhält der Sensor die Strahlen anders rückgeworfen“, erklärt Poprawa. Die Strahlenbelastung liegt dabei weit unter den gesetzlichen Grenzwerten.

Einen solchen Hochfrequenzsensor zu entwickeln, war eine große Herausforderung. Schließlich muss er mit seinen „Kollegen“ kommunizieren können, und das bei einfacher Bauweise und geringer Größe. „Der Sensor besteht aus einer Antenne, einer analogen Elektronik, einem Analog-Digital-Konverter und einem Bauteil zur Signalverarbeitung. Er soll ohne großen Aufwand in die städtische Infrastruktur eingebaut werden können“, sagt Poprawa.

Einfache Montage an Straßenlaternen

In der Tat. Denn um den Parkplatzmangel durch ein radargestütztes Überwachungssystem zu entschärfen, müssen Städte weniger Mühen auf sich nehmen, als es auf den ersten Blick scheint. „Außer den Sensoren muss kaum neue Infrastruktur aufgebaut werden“, erklärt Poprawa. Warum? Ganz einfach: Die geringen Maße des Sensors ermöglichen es, ihn in die Köpfe von Straßenlaternen einzubauen. Dort wird er auch mit Strom versorgt. Die Sensoren können aber auch an Laternenmasten oder an Hauswänden montiert werden. Von dort oben kann er einen Kegelraum von etwa 30 Metern mal 9 Meter überwachen. Das entspricht etwa fünf bis sieben parkenden Autos in einer Reihe. „Je nach Bedarf können wir die Größe des Überwachungsraumes aber flexibel variieren“, sagt Poprawa. Im Gegensatz zu Kameras oder Ultraschallsensoren lässt sich ein Radarsensor zum Schutz mit einer Plastikverschalung bedecken, ohne dass die Radarstrahlen gestört werden. Damit bleibt er im Stadtbild unsichtbar.

Optimiert dank lernenden Systemen

Wie aber gelangen die Informationen des Sensors zukünftig an den Autofahrer, der entnervt nach leeren Parklücken Ausschau hält? Die Sensoren geben ihre Messdaten über Mobilfunk an eine Software in einem Kontrollzentrum weiter. Sie verarbeitet die Daten und bereitet sie nutzergerecht auf, indem sie die Echtzeitbelegung der Parkflächen errechnet. Der Autofahrer kann dann über Smartphone oder Navigationsgerät sein Fahrtziel eingeben und sich informieren lassen, ob und wo dort und in der Umgebung freie Parkplätze zur Verfügung stehen.

Der Clou: Die Software arbeitet mit lernenden Systemen. Sie erkennt, wenn sich die Parkplatzsituation in wiederkehrenden Zyklen identisch gestaltet, also beispielsweise zu bestimmten Tageszeiten oder Wochentagen besonders prekär oder entspannt ist. Daraus errechnet sie Prognosen für den Verkehrsteilnehmer, welche Parkplatzsituation ihn am Ziel voraussichtlich dann erwartet, wenn er ankommt.

Noch ist das Siemens-Konzept nicht flächendeckend erprobt, aber ein erstes Pilotprojekt in Berlin startet im Frühjahr 2015. Hier werden mehr als 100 Meter Parkfläche eines Straßenzugs mit Sensoren ausgerüstet. „Das Parkproblem betrifft jede Großstadt und jeden ihrer Einwohner“, sagt Zwick. „Wir sind optimistisch, in Zukunft die Parkplatzsituation weiterer Städte mit unserem System zu entspannen.“

Stressfreie Parkplatzsuche und einfach Kontrolle der Parkberechtigung

„Das Advanced Parking Management könnte auch helfen, den städtischen Parkstress zu entzerren und optimal zu verteilen“, erklärt Zwick weiter. Mit automatischen Preismodellen, angepasst an Tages- und Wochenzeit sowie Parkdauer. Denkbar wäre es beispielsweise, in kleinen, autoleeren Seitenstraßen günstigere Parkgebühren zu verlangen als an überlasteten Hauptstraßen. Damit ließe sich Parkverkehr auf verschiedene Stadtviertel gleichmäßig verteilen, zugunsten von Stadt, Parkplatzsuchenden und Anwohnern. In die Großstadt strömender Individualverkehr ließe sich ebenfalls drosseln.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Für den Verkehrsteilnehmer verringert sich die Suchdauer nach einer freien Parklücke, der Komfort steigt. Somit könnte der Großstadtverkehr für den Einzelnen erheblich entspannter werden. Auch Lärm und Abgasemissionen würden sinken, die Stadt sauberer werden.

Doch das ist nicht alles. Zusatzfunktionen für die Zukunft sind vielzählig. Um die Transparenz in Anwohnerparkbereichen zu erhöhen, denken die Siemens-Experten daran, Autos mit RFID-Chips auszustatten. Bereits vor der Abfahrt könnte die daran gekoppelte App darauf hinweisen, wo der Fahrer in seiner Zielregion parken darf oder nicht. Bereits heute getestet: Vor Ort lesen zusätzliche RFID-Sensoren die Chips aus; eine LED-Anzeige am Parkplatz zeigt die Parkberechtigung in grüner oder roter Farbe an.

Davon könnten auch Politessen profitieren. Eine so genannte Enforcement Software würde sie, auf Basis der Radarsensor-Messdaten, auf Falschparker hinweisen. Auch das Bezahlen von kostenpflichtigen Parkplätzen über eine RFID-Kennung wäre eine Erweiterungsoption. Parken könnte somit in der Zukunft automatisch, bargeldlos und minutengenau abgerechnet werden. Weniger Bürokratie, weniger Parkautomaten – das würde den Städten bares Geld sparen.

Weit mehr als ein reines Parkmanagement

„Das System kann wesentlich mehr, als nur die Parksituation zu optimieren“, sagt Poprawa. Auch ist es denkbar, dass die Sensoren zusätzlich den Fließverkehr messen, das autonome Fahren der Zukunft an Verkehrsknotenpunkten erleichtern oder über die Belegung von Ladesäulen für Elektroautos informieren. „Natürlich wollen wir dafür sorgen, dass diejenigen Autofahrer, die Ziele ansteuern, an denen es keine freien Parkplätze gibt, auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen“, ergänzt Zwick. Möglich ist es auch, die Informationen zum Verkehrsaufkommen an die Leitstellen der städtischen Straßenbeleuchtung weiterzugeben. Diese könnte dann je nach Verkehrssituation reagieren und die Beleuchtung anpassen. „Damit leistet unsere Parkraumüberwachung einen wichtigen Beitrag zur Smart City der Zukunft“, ist sich Zwick sicher.

Noch ist das eine Vision, aber schon heute ist klar: Die intelligente Parkraumüberwachung würde es deutlich einfacher machen, im parkplatzarmen Großstadtdschungel eine freie Stellfläche zu finden. Was das Advanced Parking Management aber nicht leisten kann: Einem Autofahrer das Rangieren in eine enge Parklücke erleichtern. Ganz egal, ob hinter dem Steuer ein Mann sitzt oder eine Frau.

http://www.siemens.com/innovation/de/home/pictures-of-the-future/infrastruktur-und-finanzierung/lebensqualitaet-in-staedten-intelligente-parkraumueberwachung.html

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Ulrich Kreutzer Siemens Research News

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