Notfallerkennung für Senioren

Frau K. ist sehbeeinträchtigt und nicht mehr so gut auf den Beinen. Dennoch möchte die alleinlebende Achtzigjährige auf gar keinen Fall ins Heim. Diesen Wunsch hegen die meisten alten Menschen. Sie wollen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben und ein selbstbestimmtes Leben führen.

Vielen ist nicht bewusst, dass sie ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Denn mit dem Alter nehmen nicht nur Herz-Kreislaufprobleme zu, auch das Sturzrisiko steigt: Nach Schätzungen stürzt jeder dritte der über 65-Jährigen einmal pro Jahr; bei den über 80-Jährigen ist es fast jeder zweite. Viele der Unfälle ereignen sich in Privathaushalten bei alltäglichen Verrichtungen, oft auch nachts. Häufig dauert es Stunden, bis den Betroffenen geholfen wird. Selbst Hausnotrufsysteme helfen nur bedingt, da die Senioren oftmals nicht in der Lage sind, ein Notrufsignal auszulösen, weil sie verletzt oder desorientiert sind oder einfach den Druckknopf nicht bei sich tragen.

Abhilfe schaffen könnte ein intelligentes System, das derartige Notlagen automatisch erkennt und darauf reagiert. Eine solche Lösung entwickeln die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE in Kaiserslautern im Projekt »ProAssist4Life«, kurz für »Proaktive Assistenz für kritische Lebenslagen«. Zu den Projektpartnern gehören die Firma CIBEK technology + trading, Binder Elektronik und das Westpfalz Klinikum.

Die IESE-Wissenschaftler arbeiten an einem unaufdringlichen System, das ältere Personen im Eigen- oder im Altenheim permanent »begleitet«. An der Zimmerdecke montierte Multisensorknoten erfassen die Bewegungsabläufe des Bewohners. »Unsere Lösung erfasst, wie lange und wo sich jemand aufhält«, sagt Holger Storf, Wissenschaftler am IESE. Die Daten werden per Funk an einen Computer übermittelt. Eine Software dokumentiert die täglichen Aktivitäten des Bewohners und lernt somit kontinuierlich sein »Normalverhalten«. Das Auswertungsprogramm vergleicht das aktuelle Handeln des Betroffenen permanent mit dem erstellten Modell. Auf diese Weise erkennt es abweichende Situationen, die darauf hindeuten können, dass die Person gestürzt ist, reglos am Boden liegt und sich in einer hilflosen Lage befindet.

»Hält sich jemand beispielsweise deutlich länger als sonst im Bad oder an einem anderen Ort der Wohnung auf, wird das registriert. Um einen Fehlalarm zu vermeiden, wird der Bewohner zunächst angesprochen«, erläutert Storf. Dies kann etwa per Telefon oder über einen Touch-Bildschirm mit integriertem Lautsprecher geschehen. Der Betroffene antwortet durch Berühren des Monitors. Sollte der ältere Mensch tatsächlich nicht reagieren, informiert die Software per SMS eine Person des Vertrauens, etwa einen Angehörigen oder Pfleger.

»Unsere Lösung soll Hausnotrufsysteme nicht ersetzen, sondern als Airbag fungieren, der Alleinlebenden und deren Angehörigen ein Sicherheitsgefühl vermittelt und im Notfall eingreift«, betont der Forscher. Anders als bei vergleichbaren Konkurrenzprodukten sind weder Kameras noch Mikrofone erforderlich. Auch müssen die Senioren keine Sensoren am Körper tragen. Da das System per Funk funktioniert, entfällt das Verlegen von Kabeln. Der Installationsaufwand ist gering.

»Eine vergleichbare lernfähige Lösung, die sich kontinuierlich an das individuelle Verhalten von Personen anpasst, ist bislang nicht erhältlich«, sagt Storf. Der Forscher und sein Team haben die Software und den Multisensorknoten zum Patent angemeldet. Auf der CeBIT 2011 in Hannover zeigen die Experten einen Prototyp der »Notfallerkennung im Eigenheim« und demonstrieren dessen Funktionsweise in einer eigens aufgebauten Küche am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand (Halle 9, Stand B36).

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Holger Storf Fraunhofer Mediendienst

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