Wir brauchen einen Masterplan für die Infrastruktur der Gigabitgesellschaft

Wir leben breitbandpolitisch in einer Übergangszeit von der Megabitwelt zur Gigabitwelt. Wir entscheiden heute über die Infrastruktur von morgen und stellen damit die Weichen, ob Deutschland in dieser Gigabitwelt eine relevante Rolle spielen kann.

Die Breitbandstrategie der Bundesregierung sieht im Verbund mit den in den aktuellen Koalitionsverhandlungen angedachten Maßnahmen vor, der deutschen Bevölkerung flächendeckend einen Breitbandzugang von mindestens 50 Mbit/s zu ermöglichen. Das Erreichen dieses Ziels bedarf erheblicher Anstrengungen. Davon ausgehend ist der Blick bereits heute auf die Zeit danach zu richten, wenn Deutschland im europäischen und globalen digitalen Wettbewerb nachhaltig eine vordere Position einnehmen will.

Denn im internationalen Vergleich besteht erheblicher Aufholbedarf gegenüber den Ländern und Regionen, die ihren Breitbandausbau auf hohem Niveau vorantreiben.

Bislang sind in Deutschland zwei Festnetzinfrastrukturen großflächig vorhanden, die Telefon- und die TV-Kabelnetze. Das Telefonnetz ist in Deutschland flächendeckend vorhanden; das TV-Kabelnetz erreicht etwa zwei Drittel der deutschen Haushalte. Diese auf Kupferdoppelader und Koaxialkabel basierenden Infrastrukturen unterscheiden sich in ihren physikalischen Eigenschaften: die Zugangsnetze mit Doppelader erreichen auch bei Nutzung zusätzlicher Technologien nicht mehr als etwa 50-100 Mbit/s Übertragungsbandbreite, ein solcher Ausbau ist freilich nicht in allen vom Telefonnetz derzeit versorgten Gebieten möglich, sondern vorwiegend in dicht besiedelten Räumen.

Über die Koaxialkabel in Form von Hybrid Fiber Coax (HFC) sind aus heutiger Sicht Bitraten bis in den unteren Gigabitbereich technisch möglich als „shared medium“. Rund 30 Prozent der Haushalte werden von den Koaxialkabelnetzen derzeit nicht erreicht. Glasfaserkabel haben demgegenüber Kapazitäten bis weit in den hohen Gigabit-Bereich. Glasfaseranschlüsse beim Endnutzer gibt es in Deutschland bisher in nur sehr geringer Zahl (weniger als ein Prozent der Haushalte).

Bei der flächendeckenden Breitbandversorgung spielt die drahtlose Anbindung aller Regionen, insbesondere auch der schwer erreichbaren Randgebiete, eine wichtige ergänzende Rolle. Dabei müssen die Funkstationen mit weit in die Fläche reichenden Breitbandverbindungen, vorzugsweise Glasfaser, angebunden werden.

Damit Deutschland seine Position als führendes Industrieland im weltweiten Wettbewerb halten kann, ist ein schneller Übergang zu den Netzen der nächsten Generation unausweichlich. Nur möglichst schnelle, durchgängige und flächendeckend verfügbare Gigabitanschlüsse bis in die Häuser werden den künftigen Anforderungen an ultraschnellen Netzzugang gerecht.

Wie dann die Vernetzung, auch innerhalb der Gebäude, realisiert wird – Koaxialkabel, drahtlos oder Glasfaser – hängt von den jeweiligen örtlichen Bedingungen ab und kann an dieser Stelle offen bleiben. Die Zeit drängt. Andere Industrieländer sind uns beim Glasfaserausbau schon weit voraus . Selbst in den deutschen Ballungszentren ist der Glasfaserausbau kein Selbstläufer. Im ländlichen Raum ist derzeit noch überhaupt nicht absehbar, wie der notwendige flächendeckende Ausbau von Hoch- und Höchstgeschwindigkeitsnetzen gelingen kann.

Unzureichende Übertragungsgeschwindigkeiten, lange Reaktionszeiten und mangelnde Verfügbarkeit schaffen Hürden für deutsche Unternehmen und Selbständige im Bereich von breitbandigen Anwendungen, Innovationen und Applikationen. Damit erwachsen für den Standort Deutschland schon heute wirtschaftspolitische Nachteile. Modellrechnungen zeigen, dass sich flächendeckende Glasfasernetze bereits mit einem dadurch induzierten Produktivitätswachstum von einem bis zwei Prozent in den Sektoren Transport, Energie, Gesundheit und Bildung rechnen. Hochleistungs-Breitbandanschlüsse auf der letzten Meile sind daher die wichtigste Infrastrukturaufgabe der Gegenwart.

Der MÜNCHNER KREIS unterstreicht die dringende Notwendigkeit des Handelns. Zu diesem Thema sind bereits genügend fundierte Studien und Statistiken, Daten und Fakten öffentlich verfügbar. Deswegen beschränkt sich das vorliegende Papier auf fünf Feststellungen und Forderungen zum Ausbau ultraschneller Anschlüsse.

1. Richtige Infrastrukturentscheidungen lösen gewaltige Entwicklungen aus. Der Sprung von der einfachen Telefon- und Internetwelt zur Gigabitgesellschaft ist essenziell für die Zukunft Deutschlands. Flächendeckend verfügbare ultraschnelle Breitbandnetze sind eine unverzichtbare Voraussetzung für die gesellschaftliche Weiterentwicklung und den künftigen Erfolg unseres Landes im weltweiten Wettbewerb. Diese Forderung zielt insbesondere auf jene etwa 30 bis 50 Prozent der Haushalte (insbesondere außerhalb der Ballungszentren), die derzeit nicht an Hochleistungs-Breitbandanschlüsse anschließbar sind.

2. Neue Anwendungen und Dienste entstehen und verbreiten sich nur auf Hochgeschwindigkeitsnetzen – oder überhaupt nicht. In Netzindustrien schafft das Angebot die Nachfrage. Bandbreitentreiber sind standortfeste und mobile Nutzungen von Big Data, Cloud Computing, Datenaustausch, Digitaler Bildung, eCommerce, eEntertainment, eGovernment, eHealth, eMobility, Industrie 4.0, Intelligenten Netzen, vom Internet der Dinge, Online Gaming, Smart Energy, Sozialen Netzwerken, Teleheimarbeit, UHD-Video, Videokonferenzen und weiteren Anwendungen. Deren Anforderungen an Übertragungsgeschwindigkeit und Reaktionszeit erfüllen in nachhaltiger Weise nur Netze der nächsten Generation, bevorzugt auf Glasfaserbasis, die zugleich auch die erforderliche breite Nutzerbasis schaffen. Der Ausbau solcher Hochgeschwindigkeitsnetze – wo marktgetrieben möglich – geht zwar gut voran, bei reinen Glasfaseranschlüssen zählt Deutschland allerdings bislang zu den Schlusslichtern.

3. Breitbandige Mobilfunknetze müssen kleinzelliger werden, um dem rapide steigenden Datenverkehr in akzeptabler Qualität gerecht zu werden; sie benötigen in der Regel an jeder Basisstation einen Glasfaseranschluss, um das hohe Datenverkehrsaufkommen zu bewältigen.

4. Der Infrastrukturwettbewerb erzielt bei der Erschließung von dicht bevölkerten Gebieten gute Ergebnisse. Jenseits der Verdichtungsgebiete, insbesondere im ländlichen Raum und bei hohen und höchsten Zugangsbandbreiten kann er diese Versorgungsleistung nicht erbringen. Für einen flächendeckenden Zugang zur Gigabitgesellschaft steht gegebenenfalls der Staat mit dem ihm zur Verfügung stehenden Instrumentarium in der Verantwortung .

5. Eine auf die Gigabitgesellschaft optimierte Netzinfrastruktur ist im öffentlichen Interesse. Wir fordern daher den Bund als die für die Telekommunikation zuständige Körperschaft auf, gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen „Masterplan für die Infrastruktur der Gigabitgesellschaft“ vorzulegen. Dieser Masterplan sollte die kurz-, mittel- und langfristigen Ausbauziele festlegen, die denkbaren Handlungsoptionen diskutieren, die jeweils hierfür geeigneten Instrumente vorstellen und dabei die vorhandenen Infrastrukturen berücksichtigen. Der Universaldienst ist dazu jedoch kein geeignetes Instrument. Bei der Gelegenheit sollte untersucht werden, welche Änderungen gegebenenfalls in den rechtlichen Rahmenbedingungen (EU-Rechtsrahmen, Telekommunikationsgesetz, Planungs- und Baurecht, Gemeindeordnung, Kartell- und Wettbewerbsrecht u.a.) erforderlich sind. Der Auf- und Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandinfrastrukturen bis zum Endkunden, also der Übergang zur Gigabitgesellschaft, ist für ein hochentwickeltes Industrieland wie Deutschland vom Umfang her finanzierbar und genauso wichtig wie intakte Straßen-, Schienen- oder Energieinfrastrukturen.

Über den MÜNCHNER KREIS:

Der MÜNCHNER KREIS ist eine gemeinnützige übernationale Vereinigung für Kommunikationsforschung. An der Nahtstelle von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien befasst er sich mit Fragen der Technologie, der Gesellschaft, der Ökonomie und der Regulierung im Bereich von Informations- und Kommunikationstechniken sowie der Medien. Er begleitet und fördert die Entwicklung der Informationsgesellschaft in verantwortungsvoller Weise und wirkt an der Verbesserung der Rahmenbedingungen durch wissenschaftlich qualifizierte Beiträge und sachlichen Dialog konstruktiv mit.

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