Neue Maßstäbe in der Software-Entwicklung

Software ist nicht gleich Software – das weiß intuitiv jeder Schüler, der sich spielerisch am PC oder im Internet versucht. Doch auch in der industriellen Praxis sind Beispiele von Qualitätsmängeln bei Software nur allzu häufig.

Dabei spielt Software im täglichen Leben eine immer größere Rolle – in Form von komplexen eingebetteten Software-Steuerungssystemen in der Automobiltechnik, in internetbasierten eCommerce-Systemen oder Informationssystemen bei Behörden (eGovernment) und im Gesundheitswesen (eHealth). Was in der Automobil- und Elektronikbranche seit Jahrzehnten selbstverständlich ist, damit tut sich die Software-Industrie noch immer schwer: Ingenieurmäßiges Vorgehen beim Entwerfen von Systemen ist selbst bei international führenden Software-Entwicklern ein Wunschtraum.

Neue Wege werden dagegen am Lehrstuhl „Software-Entwurf und -Qualität“ von Professor Dr. Ralf Reussner an der Universität Karlsruhe betreten. Er will Software so entwickeln, dass sich bereits anhand der Software-Architektur in der Planungsphase systematisch Aussagen über die Qualität der später implementierten Software treffen lassen. Das an Reussners Lehrstuhl entwickelte Verfahren erlaubt es, die Auswirkungen von Entwurfsentscheidungen vorherzusehen und dadurch gezielt Qualitätsanforderungen von Kunden zu erfüllen. Die Arbeiten seiner Forschungsgruppe wurden beim diesjährigen internationalen „Workshop on Software-Performance“ der Association of Computing Machinery in Buenos Aires, Argentinien, als bester Beitrag ausgezeichnet.

Nach vier Jahren Forschung, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, will Reussner nun auch seine Studierenden in das zukunftsweisende Thema einbeziehen: Sein Lehrstuhl bietet im kommenden Sommersemester erstmals ein Praktikum „Ingenieurmäßiger Software-Entwurf“ an, in dem Studierende auf Basis aktueller Forschungsarbeiten und neuester Werkzeuge lernen, Software-Systeme aus verschiedenen Einzelkomponenten nach vorgegeben Qualitätskriterien zu entwickeln. Dieser auf den Entwurf orientierte Ansatz von Software-Architekturen ist nicht nur neu, sondern laut Reussner für Lehre und Industrie von großem Interesse: „In Software-Unternehmen könnte unser Ansatz die noch heute angewandte Trial-and-Error-Methode ersetzen, bei der mit riesigem personellen Aufwand immer nur ein Prototyp mit einer bestimmten beabsichtigten Funktionalität entwickelt wird, dieser schließlich ausprobiert und oftmals gleich wieder verworfen wird. Dann beginnt die Entwicklung von vorne und kostet wiederum Zeit und Geld“, schildert der Karlsruher Software-Experte das Problem.

Beim Brückenbau, so Reussners Lieblingsbeispiel, werde auch nicht einfach eine Brücke gebaut und geschaut, ob sie hält. Wissenschaftlich fundierte, baustatische Gesetzmäßigkeiten, mit denen vorher genau berechnet wird, wann eine Brücke wie viel trägt, kommen in diesem Bereich zur Anwendung. Eine mit der Baustatik vergleichbare Theorie der Software-Entwicklung gibt es weltweit bislang nicht. Mit seinem Ansatz, die Software-Entwicklung auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen, ist Reussner an der Universität Karlsruhe an der richtigen Adresse: Bereits Ferdinand Redtenbacher begründete hier vor fast 150 Jahren den wissenschaftlichen Maschinenbau als Ingenieursdisziplin und legte damit den Grundstein für die internationale Reputation der Karlsruher Technischen Hochschule als Stätte exzellenter Forschung und Ingenieurausbildung.

An der Karlsruher Fakultät für Informatik, einer der ersten Adressen für den systematischen Entwurf von Software-Systemen, sollen die Studierenden nun fit gemacht werden für den Entwurf nach geforderten Qualitätseigenschaften wie Skalierbarkeit und Zeitverhalten. Qualitätsansprüche, die über die bisherigen industriellen Möglichkeiten weit hinausgehen. Sehr oft, so weiß Reussner aus eigener Erfahrung, habe die Industrie zwar die Software, doch ein Kunde will sie anders verwenden: Wird die Software auch dann noch den abweichenden Kundenwünschen gerecht? Durch konsequent wissenschaftliches Herangehen ließen sich solche Fragen effektiv beantworten.

Parallel zu seiner universitären Software-Technik-Professur ist Professor Reussner seit einem halben Jahr als zugleich jüngster Direktor des Karlsruher Forschungszentrums Informatik (FZI) um die Annäherung von akademischer Software-Forschung und industrieller Anwendungsentwicklung bemüht. Mit einem Ohr stets nahe am Technologietransfer kann er bereits von ersten Interessenten aus IT-Unternehmen berichten, denen sein entwurfsorientierter Ansatz – und damit auch seine hoch qualifizierten Studierenden – eine engere Zusammenarbeit in naher Zukunft wert sind.

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Angelika Schukraft
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