Turbomotor der Informationstechnik

Niedrige Leistungsabstrahlung, sichere Datenübertragung und verbesserte Übertragungsqualitäten. Das sind die Forderungen der Anwender an den modernen Mobilfunk. Welche Schlüsselfunktion in diesem Szenario der effektiven Kanalcodierung zukommt, wurde auf der Tagung „Turbo-Coding“ 2006 deutlich, zu der die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (ITG )rund 300 internationale Experten aus 34 Ländern nach München eingeladen hatte.

Selbst ein Genie wie Leonardo da Vinci hatte sich einst die Zähne daran ausgebissen: Die Rede ist von der „Quadratur des Kreises“ mit der Aufgabenstellung, mittels Lineal und Zirkel ein Quadrat mit derselben Fläche eines gegebenen Kreisels zu konstruieren. Die erst im Jahre 1882 nachgewiesene Unmöglichkeit des Vorhabens, das zuvor Generationen von Mathematikern beschäftigte, hat das Bonmot bekannt gemacht. Heute gilt es allgemein als Synonym für Anforderungen, die von vornherein als aussichtslos eingestuft werden.

Auch Kommunikationstechniker bedienen sich bisweilen der Metapher. Das gilt zum Beispiel für die Aufgabenstellung, den Kommunikationsverkehr mit Merkmalen auszustatten, die sich offensichtlich im Widerspruch befinden. So soll die Mobilkommunikation einerseits in der Lage sein, eine nahezu fehlerlose drahtlose Datenübertragung zwischen zwei Teilnehmern zu gewährleisten, wobei die Anforderungen an die Datenrate immer höher werden. Andererseits wird erwartet, dass der Leistungsverbrauch der mobilen Endgeräte auf ein Minimum reduziert wird.

Im Gegensatz zu Leonardo´s grundlegendem Problem hat die Natur beim Mobilfunk zumindest ein Hintertürchen offen gelassen. Dieses basiert auf einem besonderen Verfahren der Kanalcodierung, der so genannten Turbo-Codierung. Das Verfahren wurde 1993 von den französischen Wissenschaftlern Prof. Claude Berrou und Prof. Alain Glavieux entdeckt, die an Hand von Vorarbeiten, die Prof. Dr. Joachim Hagenauer vom Lehrstuhl für Nachrichtentechnik der Technischen Universität München geleistet hatte, auf die neue Klasse von Codes stießen.

Wie die Themen der Tagung zeigen, kommt die Turbo-Codierung heute in vielen Bereichen der Kommunikationstechnik zum Einsatz. Das gilt für UMTS, WLAN und WiMax ebenso wie für den Satellitenrundfunk, DVB und Raumsonden. „Auch die Fortschritte beim Handy TV wären ohne Turbo-Codierung nicht vorstellbar“, unterstreicht Hagenauer.

Claude Shannon gilt als „Albert Einstein“ der Informationstechnik

Das Fundament für effiziente Kanalcodierungen lieferte die im Jahre 1948 durch den amerikanischen Forscher Claude Shannon, einem entfernten Verwandten von Thomas Edison, begründete Informationstheorie. So bewies Shannon, dass es ähnlich wie beim absoluten Nullpunkt oder der Lichtgeschwindigkeit eine absolute Grenze der Informationsübertragung gibt. Danach benötigt ein Mobilfunkempfänger im günstigsten Fall eine Energie von etwa 10-21 WS (Joule), um ein Bit fehlerfrei zu empfangen. Von dieser fortan als „Shannon-Grenze“ bezeichneten Schallmauer waren die Kommunikationstechniker bis 1993 um den Faktor 10 bis 100 entfernt. Mit Hilfe von Turbo-Codes ist es jedoch möglich, sich der Shannon-Grenze bis auf den Faktor 1.5 bis 2 zu nähern.

In einem Turbo-Empfänger werden zwischen zwei Empfängerstufen Informationen ausgetauscht, ähnlich wie bei einem Turbomotor Energie zwischen dem Motor und dem Kompressor ausgetauscht wird. Zu diesem Zweck werden zwei unabhängige Kanal-Codes miteinander verkettet und im Decoder alternierend ausgewertet. Der Gewinn des einen Decoders dient dem anderen als a-priori Information. Durch iteratives Aufrufen der Decoder können beide fortwährend von dem verbesserten Wissen des jeweils anderen profitieren und somit die Gesamtqualität deutlich erhöhen.

Überzeugender Beweis für die Innovationskraft der europäischen Forschung

Den Erfindern Hagenauer, Berrou und Glavieux wurden für ihre mehrfach durch Patente abgesicherten Erfindungen vom „Institute of Electrical and Electronics Engineers“ IEEE (USA) die weltweit höchsten informationstechnischen Auszeichnungen verliehen. Dieser Erfolg demonstriert auch die Innovationskraft der europäischen Forschung in einer sonst durch Amerika und Asien dominierten Technologie.

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Rolf Froböse Rolf Froböse

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