Wie aus Fotos Hausmodelle werden

Die Jenaer Informatiker Prof. Dr. Klaus Voß (links) und sein Mitarbeiter Christian Bräuer-Burchardt bei der "Begradigung" eines Architekturfotos. (Foto: Bildstelle Uni Jena)

Jenaer Informatiker entwickeln Software zur 3D-Gebäuderekonstruktion

Jena (21.08.00) Aus wenigen Fotos eines Hauses kann dank neuer Software, die von Informatikern der Friedrich-Schiller-Universität Jena geschrieben wurde, in kürzester Zeit ein dreidimensionales Computermodell entstehen. Die Algorithmen, die das Team um Prof. Dr. Klaus Voß entwickelt hat, beseitigen die Verzerrungen, die in jedem Foto mehr oder weniger stark auftreten, durch eine so genannte Bildrektifikation. Für die Erfurter Softwarefirma ASH haben die Jenaer Informatiker damit eine preiswerte und effektive Methode entwickelt, um Modelle von Gebäuden zu entwerfen, die jedem Architekten Einblicke in den kompletten Gebäudekörper gestatten. Diese berührungslose Vermessung ermöglicht auf einfache Art, etwa Restaurierungsvorhaben zu planen.

Unerwarteter Nebeneffekt des Forschungsprojekts, das vom Thüringer Wissenschaftsministerium in den letzten beiden Jahren mit rund 177.000 Mark gefördert wurde: Auch bereits zerstörte Gebäude, von denen nur noch Fotos oder Ansichtskarten existieren, können am Computer rekonstruiert und in historische Stadtansichten integriert werden. Jedoch fehlen bei älteren Bildern fast immer Daten über Kamera und Objektiv, über die benutzte Brennweite, den Abstand zum Gebäude oder die Lage der Kamera zur Zeit der Aufnahme. Außerdem sind Bilder immer mehr oder weniger stark verzerrt. So hat etwa die mit einem Fish-Eye-Objektiv fotografierte Wartburg scheinbar keine Geraden mehr. Solche Bilder sind deshalb nicht problemlos in Modelle überführbar.

Für die Modellbildung griffen die Jenaer Informatiker auf „A-priori-Informationen“ zurück. „Unsere Software basiert darauf, das Vorwissen des Architekten in die Rekonstruktions-Algorithmen zu integrieren“, erläutert Voß’ Mitarbeiter Christian Bräuer-Burchardt (33). So ist bekannt, dass Architekturobjekte meistens gerade Linien, Parallelen und Senkrechte aufweisen. Fenster etwa sind überwiegend in einer Achse und einer Größe gestaltet. „Was der Mensch unbewusst ergänzt, wenn er einen Gebäudeausschnitt sieht, mussten wir unserem Programm mühsam beibringen“, erläutert der Lehrstuhlinhaber für Automatische Bildverarbeitung Klaus Voß. „Im ersten Schritt wurden die Verkrümmungen der Bilder begradigt“, erklärt Bräuer-Burchardt das komplizierte System. Dank des A-priori-Wissens bestimmt und korrigiert die Software in weniger als einer Minute die radialsymmetrischen Verzeichnungen. „Jetzt sind die geraden Linien wirklich gerade“, ergänzt Prof. Voß, „aber sie sind noch lange nicht parallel“.

Mit einem weiteren Algorithmus wird nun der richtige Mittelpunkt des Bildes aus den Fluchtpunkten von – eigentlich parallelen – Linien berechnet. Dabei griffen die Jenaer Informatiker auf bekannte mathematische Gesetzmäßigkeiten zurück und passten sie der aktuellen Aufgabenstellung an. Mit marktüblicher Rechentechnik wird auf der Basis der gewonnenen und korrigierten Daten auch das abschließende Modell errechnet. Je nach Bedarf werden dabei Teilobjekte, wie etwa gleich aussehende Fenster einer Hausfront, entsprechend eingefügt – bei schwierigen Aufgaben sind zum Teil manuelle Eingriffe notwendig und möglich. Nach nicht einmal einer halben Stunde entsteht in einfachen Fällen aus wenigen Bildern ein dreidimensionales Modell des Bauwerks. Es wird um so genauer, je mehr Bilder eingespeist werden.

Die entwickelte Methode arbeitet weitgehend automatisch. „Wenn ein Architekt mit einer digitalen Kamera vor Ort die Bilder aufnimmt und sie dann in seinen Laptop eingibt, kann er dank unserer Algorithmen die rektifizierten Bilder schon fertig vorliegen haben, wenn er zu Hause ankommt“, beschreibt Prof. Voß den enormen Zeitgewinn des ausgereiften Systems. Derzeit werden die Jenaer Algorithmen bei der Firma ASH, die auf Architektursoftware spezialisiert ist, in ein komplexes 3D-Modellierungssystem integriert und sollen bald dauerhaft zum Einsatz kommen.

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Klaus Voß
Institut für Informatik der Universität Jena
Ernst-Abbe-Platz 1-4
07743 Jena
Tel.: 03641/946410
Fax: 03641/946002
E-Mail: nkv@uni-jena.de


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Fürstengraben 1
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