Feinstaub in aller Munde und Lunge: RUB-Geographen simulieren Umweltbelastung

Geographen der Ruhr-Universität Bochum um Dr. Michael Bruse haben ein Computerprogramm entwickelt, das die innerstädtische Umweltbelastung simuliert. „BOTworld“ ist eine so genannte Multi-Agenten-Simulation. Mit den heutigen leistungsfähigen Rechnern navigieren die Wissenschaftler beliebig viele virtuelle Fußgänger durch unsere Innenstädte und lassen sie die angebotene Umweltqualität bewerten. Das System leistet somit einen wertvollen Beitrag zu aktuellen Diskussionen, etwa, wie sinnvoll innerstädtische Fahrverbote sind.

Virtuelle Fußgänger atmen Stadtluft und bewerten die Umwelt

Wenn Forscher wissen wollen, wie Bürger zum Beispiel die aktuelle Feinstaubbelastung in Innenstädten empfinden, „befragen“ sie virtuelle Fußgänger im Computer: Das System „BOTworld“, entwickelt von Dr. Michael Bruse am Geographischen Institut der RUB, ist eine so genannte Multi-Agenten-Simulation. Das ist ein neues Verfahren, bei dem der Computer in die Haut der Fußgänger „schlüpft“ und mit ihnen die virtuelle Realität erlebt. Egal ob einen Bürger, 100 oder 1000, mit den heutigen leistungsfähigen Rechnern navigieren die Wissenschaftler beliebig viele „Agenten“ durch unsere Innenstädte und lassen sie die angebotene Umweltqualität bewerten. Das System leistet somit einen wertvollen Beitrag zu aktuellen Diskussionen, etwa, wie sinnvoll innerstädtische Fahrverbote sind.

Erstmals Umweltbewertung möglich

Was im Bereich der Verkehrssimulation bereits erfolgreich angewendet wird, ist mit dem Multi-Agenten-System BOTworld nun auch für die Umweltbewertung möglich. Dr. Michael Bruse: „In BOTworld bauen wir einen Ausschnitt der Stadt mit seinen Straßen, Häusern und Plätzen im Computer nach, den dann virtuelle Fußgänger, die BOTs, bevölkern. Zusätzlich füttern wir BOTworld mit Umweltdaten wie dem Mikroklima, der Fein- und Schwebstaubbelastung. Diese Daten können aus Messungen vor Ort stammen oder können beispielsweise direkt aus dem Mikroklimamodell ENVI-met importiert werden.“

Fragen Sie doch den BOT!

Anhand von Infrastrukturdaten wie Bushaltestellen, Parkplätzen oder Geschäftseingängen erstellt das Programm dann für jeden virtuellen Fußgänger individuelle Besuchspläne, und der Agent macht sich auf die Reise durch die Computerstadt. Eine Reihe von komplexen Berechnungsverfahren wachen dabei über jeden Schritt der BOTs und geben Rückmeldung darüber, wo er oder sie ist, wie das allgemeine Befinden ist, wie viel Schwebstaub die Person bereits eingeatmet hat und ob der Agent mit seiner Umwelt zufrieden ist. Ist er es nicht, versucht er, alternative, angenehmere Wege zu seinen Zielen zu finden – falls es sie gibt. „Man erhält die Ergebnisse wie im richtigen Leben, indem man die virtuellen Fußgänger abschließend nach ihrer Meinung zum Erlebten befragt“, so Bruse.

Was bringen Fahrverbote?

Das System „BOTworld“ kann auf diese Weise Antworten geben auf die Fragen, die aktuell diskutiert werden: Wie viel Feinstaub atmen die Fußgänger tatsächlich ein? Verbessert sich ihre Situation, wenn man den Verkehr auf eine andere Straße umleitet? Riskiert man lieber eine belastete Straße und hält dadurch die anderen sauber – oder ist es besser, das „Übel“ gleichmäßig zu verteilen? Der Clou des Systems BOTworld ist, dass es das tatsächliche Fußgängerverhalten simuliert: Die BOTs bewegen sich schnell durch das Straßensystem, sind also möglicherweise nur kurz hohen Feinstaubkonzentrationen auf einer belasteten Straße ausgesetzt. Die Rückschlüsse, die die Wissenschaftler daraus auf die Umweltbelastung ziehen können, sind wesentlich detaillierter und aussagekräftiger als ein einzelner punktueller Messwert.

Individuelle BOTs

Das Programm BOTworld kann Stadtplanern, Architekten oder Wissenschaftlern helfen, Umweltbedingungen aus der Sicht des Nutzers objektiv zu beurteilen. Durch die Nachbildung vieler hundert „virtueller Menschen“ im Computer kann es ein breites Spektrum von verschiedenen Eigenschaften (Alter, Bekleidung, Vorlieben) und Verhaltensweisen sehr transparent simulieren. „Die Gefahr, einzelne Faktoren – unbewusst oder bewusst – zu vernachlässigen, wird hierdurch erheblich reduziert“, sagt Dr. Bruse.

Weitere Informationen

Dr. Michael Bruse, AG Geomatik, Geographisches Institut der RUB, Tel. 0234/32-23358, E-Mail: michael.bruse@rub.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer