Virtuelle Zeitreise für Skulpturen

Was wollen uns Kunstwerke sagen? Wenn Skulpturen nicht mehr in ihrer ursprünglichen Umgebung stehen, ist die Frage schwer zu beantworten. Außer man versetzt digitale Modelle von Figurengruppen wie die des Barockbildhauers Bernini in künstlich erzeugte Räume.

„Regisseur des Barock“ war eine Ausstellung über Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) betitelt. In der Tat beherrschte der Bildhauer, Städtebauer, Architekt und Maler den Kunstbetrieb Roms über sechs Jahrzehnte. Einige seiner Skulpturen dienen seit einem Jahr als Grundlage für ein interdisziplinäres Forschungsprojekt von Kunsthistorikern, Informatikern und Medienwissenschaftlern. Es trägt den Titel „Virtualisierung von Skulptur“ und ist Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG geförderten Forschungskollegs 615 „Medienumbrüche, Medienkulturen und Medienästhetik zu Beginn des 20. Jahrhunderts und im Übergang zum 21. Jahrhundert“. Als virtuelle Bildhauer betätigen sich Forscher des Fraunhofer-Instituts für Medienkommunikation IMK mit Kollegen vom Bereich Kunstgeschichte der Universität Siegen bis Juli 2005: Sie digitalisieren Skulpturen Berninis aus der Villa Borghese in Rom. Dazu projizieren sie auf die Statue ein Gitterraster, das Stück für Stück fotografiert wird. Jedes Einzelbild dient als Baustein einer dreidimensionalen, virtuellen Kopie.

Dreidimensionale Statuen im Computer zu rekonstruieren, klingt zunächst vielleicht wie ein Zeitvertreib für Informatiker. Jedoch geben die Figurengruppen, die Bernini seinerzeit speziell für die Villa Borghese anfertigte, erhebliche Rätsel auf. „Die Villa wurde im Laufe der Jahrhunderte umgestaltet und nur aus literarischen Quellen ahnt man, wie das Gebäude im Inneren ursprünglich gestaltet war“, erklärt Roland Kuck vom IMK-Kompetenzzentrum „Virtuelle Umgebungen“.

Am Computer versetzen die Wissenschafler deshalb die Figuren Berninis wieder in die Villa Borghese. Dadurch erhoffen sie sich Aufschlüsse über die eigentliche Wirkung, die der Künstler mit seinem Werk beabsichtigte. „Wir haben uns für Bernini entschieden, weil gerade seine Figuren installativ, also mit dem Raum zusammen gesehen werden müssen“, betont Projektleiter Professor Gundolf Winter von der Uni Siegen. Durch das Projekt soll der virtuelle Besucher der Villa Borghese eine Vielfalt sehen können, die physikalisch nicht mehr vorhanden ist. „Die Qualität der virtuellen Skulptur in feinen Details und aus jeder Perspektive ist dabei für uns die größte Herausforderung“, betont Kuck. Er und seine Kollegen wollen noch einen Schritt weiter gehen: Indem sie ihren Figuren virtuell Leben einhauchen, wird das Standbild zum Film. Ein wesentliches Ziel des Projekts ist auch die Darstellung in immersiver, virtueller Realität. Vor einer großen 3-D-Leinwand werden dann nicht nur Kunstgeschichtler in die Villa eintauchen können.

Ansprechpartner:
Dipl.-Inform. Roland Kuck, Telefon 02241 – 14-2132, Fax -2040, Roland.Kuck@imk.fraunhofer.de
Prof. Dr. Gundolf Winter, Telefon 0271 – 740-3368, winter@kunstgeschichte.uni-siegen.de

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Dr. Johannes Ehrlenspiel idw

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