Innovation made in Mannheim: Europaweit schnellster Netzwerkchip von Hochschul-Forschern entwickelt

ATOLL beschleunigt Computernetzwerke / Projekt am Lehrstuhl für Rechnerarchitektur / Angebot zur Nutzung der Technologie an die Industrie

Als erste Universität in Europa hat die Universität Mannheim einen der schnellsten Computerchip zur Kommunikation zwischen Rechnern ohne industrielle Partner, ausschließlich innerhalb der Universitätsforschung entwickelt. Der Chip ermöglicht es, Computer-Netzwerke erheblich zu beschleunigen. Der sogenannte ATOLL (ATOmic Low Latency) wurde am Lehrstuhl für Rechnerarchitektur des Instituts für Technische Informatik entwickelt. Lehrstuhlinhaber Professor Dr. Ulrich Brüning bietet nun der Industrie an, diese Technologie zu nutzen.

Fünf mal fünf Millimeter misst das Siliziumplättchen, von dem es bislang eine Prototypenserie gibt. Auf dieser winzigen Fläche sind 4,5 Millionen Transistoren untergebracht – die elektronischen „Schalter“ des Computers, mit denen der Computer alle Informationen verarbeitet. Das besondere an ATOLL ist nicht die Zahl, sondern die Anordnung der Transistoren. Informatiker sprechen dabei von der Architektur des Chip.

Die Architektur des ATOLL ermöglicht es, Computer ohne weitere Vermittlungsstationen direkt untereinander zu riesigen Netzwerken zu verbinden. Diese Netzwerke werden genutzt, um die Rechenleistung aller angeschlossenen Computer zu einem Art Supercomputer zu bündeln. Bisher war für den Aufbau eines solchen Netzwerkes immer noch eine Vermittlungsstation nötig, der sogenannte „Switch“, an die jeder Rechner einzeln angeschlossen war.

Über den Switch liefen gleichzeitig alle Informationen, die von einem Rechner an den anderen geschickt wurden. Zu kritischen Situationen kann es dabei immer wieder kommen, wenn der Switch überlastet ist, oder er zu lange braucht, um die ankommenden Informationspakete an die richtigen Rechner weiterzuleiten. Durch den ATOLL können, wenn er in jedem Rechner integriert ist, Informationen direkt von einem Rechner zu einem beliebigen anderen innerhalb des Netzwerkes gesendet werden, auch wenn diese beiden Computer beispielsweise nicht direkt, sondern über einen dritten Rechner verbunden sind.

Gerade bei hoch komplexen Anwendungen wie in der Klimavorhersage, bei Crashsimulationen oder bei der Auswertung von Physikexperimenten, wie bei der Arbeit mit Teilchenbeschleunigern, kommt es auf die Geschwindigkeit an, mit der das Programm auf die Rechenleistung der an das Netzwerk angeschlossen Computer zugreifen kann. Durch den ATOLL werden, im übertragenen Sinne „die Wege kürzer“. Die Programme werden dadurch schneller.

Mit einem einzigen ATOLL können gleichzeitig vier benachbarte Computer verbunden werden, über einen sogenanntes ATOLL-Netzwerk ist die Zahl der Rechner, auf die ein Programm zugreifen kann, fast unbegrenzt. „Ein Netzwerk aus beispielsweise 1.000 Rechnern ist mit dem ATOLL überhaupt kein Problem mehr“, berichtet Professor Brüning.

Die Idee zu diesem ehrgeizigen Forschungsprojekt entstand schon 1996 bei der Gründung des Lehrstuhls. Rund vier Jahre dauerte die Realisierung des Vorhabens, wobei „das Schwierigste an der Arbeit war, mit Energie das Ziel konsequent weiterzuverfolgen“, beschreibt Professor Brüning seine Erfahrungen.

Ungewöhnlich ist neben dem Ergebnis auch die Entstehungsgeschichte. Einen solchen Hochleistungschip ohne Industriebeteiligung ausschließlich innerhalb der Universität zu entwickeln, also mit wissenschaftlichen Assistenten und Diplomanden, gelingt äußerst selten an einer Hochschule. Prof. Brüning zu Gründen: „In der Anfangsphase des Projekts waren wir mit einem Industriepartner liiert, leider zerbrach diese Kooperation und wir standen vor der Frage: Sollen wir das Abenteuer auf uns nehmen und die Chipentwicklung alleine durchführen. Wir haben diese Herausforderung angenommen und wie wir meinen mit Bravour gelöst. Der ATOLL-Chip funktionierte bereits in der ersten Prototypenrealisierung, die jetzt in einem Clustersystem am Lehrstuhl ihre Arbeit verrichtet.“

„Der ATOLL Chip zeichnet sich darüber hinaus durch seinen Preis aus“, berichtet Professor Brüning. „Da er alle nötigen Netzwerkkomponenten direkt auf dem Chip integriert hat, sind die Produktionskosten erheblich geringer als bei anderen Netzwerkkonzepten. Bei einer Produktion in größeren Stückzahlen würde sich das natürlich auch positiv auf den Verkaufspreis auswirken.“

Weitere Informationen:

Institut für Technische Informatik
Lehrstuhl für Rechnerarchitektur
Professor Dr. Ulrich Brüning
Tel. 0621 / 181 – 27 23

Ein Fachbeitrag Prof. Brünings zum ATOLL-Projekt ist bei Professor Brüning oder in der Pressestelle der Universität (Tel. 0621/ 181 – 10 16, presse@uni-mannheim.de) erhältlich.

Media Contact

Achim Fischer idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer