Individuelle Software-Lösungen aus dem Baukasten

Memorandum zur „Vereinheitlichten Spezifikation von Fachkomponenten“ schafft Voraussetzung für komponentenorientierte betriebliche Anwendungssysteme –

Das vom Augsburger Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Klaus Turowski herausgegebene Memorandum „Vereinheitlichte Spezifikation von Fachkomponenten“ schafft die Voraussetzungen dafür, betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware in ihre Einzelteile, in Komponenten also, zerlegbar machen zu können. Es weist damit einen neuen Weg, der zu entscheidenden Kostenvorteilen und Qualitätsverbesserungen bei der Software-Entwicklung führen wird.

Traditionelle Ingenieurdisziplinen zeichnen sich dadurch aus, dass in der Regel verbindliche Standards für Notation, Benennung, Bemaßung etc. zur Spezifikation der jeweiligen Konstruktionsergebnisse vorgegeben sind, die deren (Wieder-)Verwendung vereinfachen. Für den Bereich des Software Engineering und besonders für die Entwicklung betrieblicher Anwendungssysteme stellt sich die Situation jedoch völlig anders dar: Das Fehlen verbindlicher methodischer Standards steht einer Software-Entwicklung entgegen, die auf breiter Front bereits entwickelte Lösungen wiederverwenden und damit das Wirtschaftlichkeitspotential eines Produktentstehungsprozesses nach industriellem Muster ausschöpfen könnte. Hier setzt der Arbeitskreis „Komponentenorientierte betriebliche Anwendungssysteme“ der Gesellschaft für Informatik (GI) an. Das vom federführend beteiligten Augsburger Wirtschaftsinformatiker Turowski herausgegebene Memorandum „Vereinheitlichte Spezifikation von Fachkomponenten“ dokumentiert jetzt die ersten Ergebnisse der innerhalb des Arbeitskreises von Experten aus Wissenschaft und Praxis verfolgten Standardisierungsbemühungen.

KOMPLEXE ABLÄUFE ERFORDERN KOMPLEXE ANWENDUNGSSOFTWARE

Anwendungssoftware wird eingesetzt, um die Betriebsabläufe in Unternehmen zu unterstützen. Wie diese Abläufe selbst so ist auch die Anwendungssoftware häufig sehr komplex und unüberschaubar. Man braucht sich nur vor Augen zu halten, wie viele verschiedene einzelne Arbeitschritte vollzogen werden müssen, bis z. B. ein Auto fertig vom Band rollen kann: Das passende Material muss gefertigt und beschafft werden, die Teile müssen im richtigen Moment an der richtigen Stelle sein, um montiert zu werden, und das fertige Auto muss am Schluss verkauft werden – von unzähligen Teilaufgaben und -schritten, die dazwischen liegen, abgesehen.

STATT NACHTRÄGLICHER ANPASSUNG VON STANDARD-SOFTWARE AN INDIVIDUELLE BEDÜRFNISSE …

Meist wird die IT-Unterstützung all dieser Einzelaufgaben nicht mit einem auf jeden einzelnen Schritt individuell zugeschnittenen separaten Programm vorgenommen, denn die Abstimmung einer Vielzahl solch maßgeschneiderter einzelner Programme aufeinander ist naturgemäß außerordentlich aufwändig. Stattdessen gehen die meisten Firmen den umgekehrten Weg und arbeiten mit sogenannter Standard-Software. Dabei handelt es sich um große, integrierte Anwendungsprogramme (wie z. B. SAP R/3), die nachträglich an die speziellen Bedürfnisse und individuellen Probleme eines Unternehmens angepasst werden.

… INDIVIDUELLE SOFTWARE-LÖSUNGEN AUS STANDARDISIERTEN KOMPONENTEN

Fortschritte, die die Softwareentwicklung im Laufe der letzten Jahre gemacht hat und die hier neue Möglichkeiten eröffnen, führen aber dazu, dass die Käufer von Anwendungssoftware die nachträgliche Individualisierung von Standard-Software nicht mehr als optimal betrachten, sondern zunehmend kostengünstigere, von Beginn an maßgeschneiderte Lösungen für ihre spezifischen Probleme nachfragen. An dieser Stelle greift der Ansatz der Komponentensoftware: Ziel ist es, die großen, integrierten Anwendungsprogramme so in ihre verschiedenen, für Einzelaufgaben zuständigen Komponenten zerlegbar zu machen, dass idealerweise schließlich einzelne Komponenten verschiedener Anwendungsprogramme unterschiedlicher Anbieter mit Blick auf eine kundenindividuelle Lösung miteinander kombiniert werden können. Auf diese Weise ließen sich die Vorteile von kostengünstiger Standard-Software einerseits und maßgeschneiderter Individual-Software andererseits miteinander verbinden.

(WIEDER-)VERWENDBARKEIT DURCH STANDARDISIERUNG UND SPEZIFIKATION

Das entscheidende Problem dabei ist, dass die Entwicklung von Software immer noch wesentlich weniger einheitlich und weniger standardisiert abläuft, als etwa die Entwicklung eines Autos. Die Automobilindustrie profitiert von etablierten Ingenieursdisziplinen, in deren langen Traditionen sich verbindliche Notations- oder Bemaßungsstandards zur Spezifikation der jeweiligen Konstruktionsergebnisse herausgebildet haben. Diesen Standards ist es zu verdanken, dass im Automobilbau ein Entwicklungsingenieur anhand der Spezifikation eines bereits vorliegenden (Fremd-)Teils erkennen kann, ob er dieses Teil für seine eigene Aufgabenstellung (wieder-)verwenden kann. In der Software-Entwicklung hingegen ist dies nach wie vor die Ausnahme: Dass ein Software-Haus Programme anderer Hersteller in das eigene Produkt einbaut, geschieht nur in Einzelfällen, und meist ist ein solches Vorgehen – insbesondere wegen des Fehlens von Spezifikationen – mit erheblichem Aufwand verbunden. Genau dieses Defizit will die sogenannte Komponentenforschung beheben. Dadurch, dass sie mittels einheitlicher Standards beschrieben werden, werden Programme zu mehrfach wiederverwendbaren Software-Bausteinen (Fachkomponenten), die es überflüssig machen, das Rad – bzw. in diesem Fall: einzelne Rädchen im großen Getriebe einer maßgeschneiderten Anwendungssoftware – immer wieder von Neuem zu erfinden.

KOSTENREDUZIERUNG UND QUALITÄTSVERBESSERUNG

Unter der Voraussetzung einer Einigung auf einheitliche Spezifikationen wird sich die Entwicklung von Anwendungssoftware auf weite Strecken darauf konzentrieren können, bereits existierende Bausteine, die sich für spezifische Einzelproblemlösungen optimal eignen, nach Maßgabe einer kundenindividuellen Gesamtlösungen zu kombinieren. Abgesehen von den darin liegenden enormen wirtschaftlichen Vorteilen wird die vereinheitlichte Spezifikation von Fachkomponenten automatisch auch zu einer besseren Qualität der Softwarelösungen führen: Je genauer und eindeutiger die Spezifika und Fähigkeiten eines Programms erfasst und beschrieben sind, desto leichter lassen sich vom Entwickler etwaige Widersprüche zwischen einzelnen Komponenten aufspüren und beseitigen und desto ausfallsicherer und wartungsärmer werden die Programme.

„Die vom Memorandum erfassten Beschreibungsebenen einer Fachkomponente und die auf diesen Ebenen zu spezifizierenden Sachverhalte“

WWW.FACHKOMPONENTEN.DE

Das von Turowski für den GI-Arbeitskreis „Komponentenorientierte betriebliche Anwendungssysteme“ herausgegebene Memorandum „Vereinheitlichte Spezifikation von Fachkomponenten“ ist das Ergebnis einer rund eineinhalbjährigen Kooperation der 17 AK-Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis. Ergänzt durch Beispiele und Fallstudien zur memorandumskonformen Spezifikation von Fachkomponenten sowie durch Hinweise auf einschlägige Projekte und Lehrmaterialien, ist der Text des Memorandums auch im Internet verfügbar.

KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
Prof. Dr. Klaus Turowski
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik II
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon: 0821/598-4431, Fax: -4432
E-Mail: klaus.turowski@wiwi.uni-augsburg.de

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Klaus P. Prem idw

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