Fackelträger im Datentunnel

Ein einzelnes Photon kann Hackern ein Licht aufstecken und Schnüfflern ein Schnippchen schlagen. Es auf die Reise durch die Datenkanäle zu schicken ist jedoch eine knifflige Sache. Doch ein Prototyp ist bereits in Sicht. Physiker der TU Berlin forschen an einer sicheren Datenübertragung und nutzen die Erkenntnisse der Quantenoptik.

Wettrüsten auf der Datenautobahn: Um elektronischen Geldverkehr, militärische Nachrichtenkanäle oder das Rote Telefon zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Weißen Haus abzusichern, werden mit immer stärkeren Computern immer kompliziertere Verschlüsselungsmethoden erfunden. Doch auch die Gegenseite rüstet auf: Hacker, Kriminelle und Geheimdienste nutzen immer leistungsstärkere Supercomputer, um die mathematischen Algorithmen zu knacken.

Es ist nur eine Frage der Zeit und der Leistungsfähigkeit der Rechenmaschine, bis eine neue Runde des Wettlaufs beginnt. Dabei könnte es so einfach sein: Wenn nur der Sender und der Empfänger den Schlüssel für eine Nachricht kennen, ist es unmöglich, die Informationen zu knacken. Aber nur große Geheimdienste können es sich leisten, vertrauensvolle Kuriere durch die Welt zu schicken, um sichere Schlüssel zu verteilen. Alle anderen müssen sich auf komplizierte mathematische Verfahren verlassen.

Bei der heute benutzten sogenannten asymmetrischen Verschlüsselung können zwei Partner eine Nachricht verschlüsseln, ohne vorher einen Schlüssel auszutauschen. Die Sicherheit ist jedoch nur durch den Aufwand gegeben, den ein Rechner benötigt, um die Nachricht zu knacken. So wird für das Online-Banking zurzeit ein Schlüssel verwendet, für den normale PC einige Millionen Jahre brauchen. Der leistungsstärkste Computer der Welt erledigt diese Aufgabe jedoch in zehn Sekunden.

Ein einziges Photon kann dem Kesseltreiben ein Ende setzen. Die beiden Doktoranden Erik Stock (31) und Marc Anatol Lochmann (32) des Instituts für Festkörperphysik der TU Berlin wollen ein Konzept aus der Quantenoptik nutzen, um Schlüssel abhörsicher zu senden – ohne Kuriere. „Wenn man zur Übertragung des Schlüssels ein einzelnes polarisiertes Photon durch die Leitung schickt, kann man feststellen, ob jemand mithört“, erläutert Marc Anatol Lochmann. „Ein Photon kann man nicht spalten oder kopieren. Sitzt jemand an der Leitung, verschwindet es oder verändert sich. In diesem Falle wird der übertragene Schlüssel nicht verwendet.“ Ein Photon ist der Grundbaustein des Lichts. Ein bisschen kann man es mit dem Fackelträger vergleichen, der im dunklen Tunnel vorneweg geht: Er prüft, ob die Luft rein ist.

„Wir können nicht verhindern, dass eine Datenleitung abgehört wird“, sagt Erik Stock. „Aber mithilfe des Späher-Photons wissen wir, ob die Übertragung gefährdet ist. Das allein genügt, um den Datenverkehr abzubrechen oder andere Kanäle zu nutzen.“

Einzelne Photonen sind die kleinsten Bausteine des Lichts, mikroskopische Energieportionen. Sie entstehen beispielsweise durch kurze elektrische Strompulse im Innern von Halbleitern. Die freigesetzten Photonen haben fest definierte Eigenschaften, beispielsweise eine bestimmte Frequenz. „Die Schwierigkeit besteht nun darin, auf einen Stromimpuls hin nur ein einziges Photon zu erzeugen, nicht zwei oder drei, und auf die Reise durch die Datenleitung zu schicken“, erklärt Lochmann. „Man könnte abgeschwächte Laserpulse verwenden. Dabei ist man aber nicht sicher, ob nicht manchmal gar keine oder gar zwei oder mehr Photonen das Ergebnis sind.“

Will man die Photonen als Sicherheitsdienst durch Millionen sensibler Datenkanäle schicken, braucht man eine preiswerte und robuste Technik. Im Zeitalter der unbegrenzten Informationsnetze muss eine solche Technologie faktisch überall einsetzbar und vor allem bezahlbar sein. Der Einzelphotonenemitter muss sich zum Massenprodukt eignen. „Wir haben ein Bauelement entwickelt, das einer herkömmlichen Laserdiode sehr ähnlich ist“, fährt Lochmann fort. „Auch das Wachstum der Halbleiterschichten, die Prozessierung und die Aufbautechnologie des Bauelements sind klassischen Dioden verwandt. Wir schöpfen aus einem Pool bekannter Technologien der Massenfertigung von Diodenlasern.“

Die jungen Forscher setzen auf sogenannte Quantenpunkte, das sind kleinste gezielt erzeugte Cluster im Halbleitermaterial, in denen elektrische Strompulse in Photonen mit kontrollierten Eigenschaften umgewandelt werden. „Ein Quantenpunkt ist nur wenige Nanometer groß“, rechnet Erik Stock vor. „Als Bauelement kommen nicht mehr als 40 Kubikmikrometer zusammen. Um daran einen Draht für den Strompuls anzuschließen, muss man das Bauteil ungefähr einen Quadratmillimeter groß machen.“ Ein Mik-rometer ist der tausendste Teil, ein Nanometer gar nur ein Millionstel eines Millimeters. Der Draht zum Anschluss des elektronischen Pulsgebers hat nur ein Viertel der Dicke eines Menschenhaares. „Das ist eine ziemlich filigrane Angelegenheit“, meint Marc Anatol Lochmann.

Die Quantenpunkte wachsen im Trägermaterial nach eigenen Regeln, man nennt diesen Vorgang Selbstorganisation. Pro Quadratzentimeter und Se-kunde entstehen in den Laboren der TU Berlin zwischen 100 Millionen und 100 Milliarden Quantenpunkte. „Davon wird nur ein einziger ausgewählt, um das Photon zu erzeugen“, beschreibt Erik Stock die Details. „Wir versuchen in Zusammenarbeit mit befreundeten Wissenschaftlern aus Novosibirsk die Quantenpunkte auszudünnen. Das gelingt bis zu einem gewissen Maß und ist von entscheidender Bedeutung. Zusätzlich engt man den Pfad des Stromes so ein, dass nur ein einziger Quantenpunkt zum Leuchten angeregt wird.“ Erste Prototypen existieren und beweisen die prinzipielle Machbarkeit. „Wir rechnen damit, dass wir mit der nächsten Generation unserer Bauelemente erste Übertragungsexperimente realisieren können.“

Kanone für ein einziges Photon
Stock und Lochmann legen den Schwerpunkt ihrer Arbeiten auf den Emitter, auf die Kanone für ein einziges Photon mit bestimmten Eigenschaften. Dass die Absicherung von Datenleitungen mithilfe von Späher-Photonen überhaupt Erfolg verspricht, haben Wissenschaftler in der Schweiz bewiesen: Sie nutzten die noch nicht perfekte Technologie der abgeschwächten Laserimpulse, um einen mit Photonen verschlüsselten Code auf die Reise zwischen zwei kanarischen Inseln zu schicken. Durch häufige Leerpulse ist die Übertragungsrate bei diesem Verfahren deutlich geringer und auch nicht so sicher wie bei der Einzelphotonenkanone. „Wenn zufällig zwei Photonen zugleich unterwegs sind, ist es theoretisch möglich, die Leitung unbemerkt anzuzapfen“, meint Erik Stock. „Man könnte ein Photon ausschleusen.“

Marc Anatol Lochmann ist sich sicher, dass die Späher-Photonen schon in zehn bis 15 Jahren in sicherheitskritischen Datentransfers zum Einsatz kommen. Derzeit kooperieren die Berliner Forscher mit einer Reihe von internationalen Gruppen. Die NATO fördert die Forschungen an der TU Berlin, in Russland, England sowie den USA im Rahmen eines unter der Leitung des Nobelpreisträgers Professor Zhores Alferov aus St. Petersburg und des Max-Born-Preisträgers Professor Dieter Bimberg aus Berlin stehenden „Science for Peace“-Projektes. „Die sichere Datenübertragung wird wohl die spektakulärste Massenanwendung der Nanophotonik der Zukunft sein“, sagt er. „Weltweit wird ein riesiger Aufwand betrieben, um solche Bauelemente und darauf basierende Systeme zu bauen.“ Noch ist unklar, welches das optimale Materialsystem zur Herstellung der Einzelphotonenemitter ist. So arbeitet die Universität in Magdeburg an ähnlichen, auf Galliumnitrid basierenden Emittern. „Wir an der TU Berlin können aus dem Wissenspool unserer großen Arbeitsgruppe und unserer Kooperationen mit anderen Gruppen schöpfen“, meint er. „Denn ohne Teamwork kommt man auf diesem Gebiet nicht sehr weit.“

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Dieter Bimberg, Insti-tut für Festkörperphysik, TU Berlin, Tel.: 030/314-22783, Fax: 030/314-22569, E-Mail: bimberg@physik.tu-berlin.de

Hinweis: Dieser Beitrag ist das „Thema der Woche – EIN-Blick für Journalisten“ auf dem TUB-newsportal. Sie finden dort neben dem Beitrag einen Expertendienst sowie weiterführende Links: www.pressestelle.tu-berlin.de/newsportal

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