Wenn dein Fön mit dir spricht…

Im Auto weisen uns sprechende Navigationsgeräte den Weg, in der Wohnung warnen uns Rauchmelder bei Feuer, im Garten mähen Roboter selbständig den Rasen. Wie intelligente Elektronikgeräte und Mikrosysteme uns bereits helfen und welche Technologien in Zukunft möglich sind, darüber diskutierten Experten auf dem 35. Treffpunkt WissensWerte in der Urania in Berlin. Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion wird am 27. Januar 2008 um 09:22 Uhr auf rbb Inforadio 93,1 ausgestrahlt.

Das Handy, der Persönliche Digitale Assistent (PDA), das Navigations- und Bremssystem im Auto, die vorprogrammierte Kaffee- oder Waschmaschine oder der selbstständig saugende Staubsauger – viele digitale Helfer sind aus unserem Leben heute kaum noch wegzudenken. Ambient Assisted Living – Intelligente Assistenzsysteme erleichtern uns dabei nicht nur unseren Alltag, sondern machen ihn auch sicherer.

Videokamera-System kann Stürze sehen und um Hilfe funken

„Gerade die Sicherheit ist besonders für ältere Menschen wichtig“, sagt Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen. Sie ist Chefärztin am Evangelischen Geriatriezentrum Berlin und Leiterin der Forschungsgruppe Geriatrie der Berliner Charité. Unsere Gesellschaft wird immer älter und immer mehr ältere Menschen leben alleine zu Hause, so Steinhagen-Thiessen. „Viele wollen auch im Alter in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Aber alters- oder auch krankheitsbedingt sind viele ältere Menschen massiv sturzgefährdet. Bei einem Sturz liegen sie oft viele Stunden am Boden, oder werden erst am nächsten Tag gefunden.“

Eine in der Wohnung installierte Kamera kann diese Stürze sehen und um Hilfe funken. Wie das funktioniert? „Der Gang eines Menschen ist sehr individuell“, sagt Steinhagen-Thiessen. „Jede Bewegung wird von der Kamera aufgezeichnet, in einem Computer gespeichert und ausgewertet. So entsteht ein ganz individuelles Bewegungsmuster, aus dem der Computer erkennen kann, ob die Person gestürzt ist und am Boden liegt.“ Und: Dieses System lässt sich auch mit anderen kombinieren, so die Medizinerin. Zum Beispiel mit Sensoren im Teppich, die ebenfalls merken, ob jemand darüber läuft oder gestürzt ist.

Autos werden immer intelligenter

„Es sind heutzutage längst nicht nur Computer, die uns unterstützen, sondern es sind ganze Systeme aus Sensoren, Rechnern und intelligenten Programmen, die zusammenwirken und selbstständig reagieren“, erklärt Dr. Klaus-Dieter Lang. Er ist stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration. „Diese Systeme haben wir vielerorts schon. Zum Beispiel im Auto.“ Gerade Autos sind in den letzten Jahrzehnten immer intelligenter geworden. Systeme wie ABS, ESP oder Notbremsassistenten bewahren uns vor Unfällen. Falls es doch zu einem Unfall kommt, schützen Sicherheitsgurte mit Straffer oder Airbags vor Verletzungen. „Diese Systeme braucht man vielleicht nie. Aber sie sind im Hintergrund und für den Notfall da“, so Lang.

T-Com Haus: Vernetzung aller Hausfunktionen

Intelligente Assistenzsysteme im Auto sind für viele Menschen bereits Normalität und die Entwicklung neuer Systeme in diesem Bereich schreitet ständig voran. Intelligente Assistenzsysteme in unseren Häusern und Wohnungen sind dagegen noch lange nicht Alltag und für die meisten Menschen noch eine Zukunftsvision. Wie diese aussehen kann, hat das T-Com Haus gezeigt, sagt Michael C. Balasch. Er ist Senior Projektfeldmanager für den Bereich Innovation Development, Deutsche Telekom AG, Laboratories. Ein Jahr war das T-Com Haus unter anderem in Berlin zu besichtigen. Besucher konnten darin sogar jeweils ein Wochenende lang Probewohnen. „Ein Haus, das mitdenkt“ hieß es in einer Werbung für das Hightech-Gebäude. Sämtliche Hausfunktionen, angefangen vom Licht, über Jalousien, Heizung, Alarm, bis hin zum Fernseher oder dem Telefon waren miteinander vernetzt, erklärt Balasch. „Am faszinierendsten für die Besucher war, dass sich all die Funktionen mit nur einem Gerät steuern ließen, dem PDA“, so Balasch.

Massentauglich ist das T-Com Haus noch nicht. „Für die starke Vernetzung war ein gewaltiger technischer Aufwand nötig. Ein Raum im Haus war nur für Computer freigehalten“, sagt Balasch. Die Technik ist in der Erprobungsphase und hat in ihrer Entwicklung auch noch nicht den Grad erreicht, den sich die Forscher wünschen.

Kühlschrank mit Internetanschluss

Was es im T-Com Haus nicht gab, war der Kühlschrank mit Internetanschluss, der selbstständig fehlende Milch und Butter im Supermarkt bestellt. „Ich weiß nicht, woher das kam, aber den gab es nie und den wird es auch nie geben“, so Balasch. „Technik muss zwar einen konkreten Nutzen haben, aber sie darf nicht über den Nutzer bestimmen. Ein Kühlschrank kann gar nicht von allein wissen, welche Milch man haben möchte, ob man plötzlich nicht Erdbeerjoghurt, sondern lieber Pflaumenjoghurt kaufen würde.“ Die Frage ist, was soll das Gerät alles können und was ist reine Spielerei, führt sein Kollege Klaus-Dieter Lang weiter. „Ein Fön, der sprechen kann, hat keinen Nutzen. Unsinnig wäre es, Produkte mit Funktionen zu versehen, die man eigentlich nicht braucht“, so Lang.

Kamera und Fernseher gestalten Trainingsprogramm

Technik soll nicht über den Nutzer bestimmen, kann ihn aber anleiten und korrigieren. Pulsuhren machen das mittlerweile schon, indem sie ein Signal geben, wenn man nicht im optimalen Bereicht trainiert. Dieses System lässt sich ausbauen, sagt Elisabeth Steinhagen-Thiessen. „Mit über 50 Jahren, wenn es mal hier und da zwickt, man erste Mobilitätsverluste bemerkt, kann Sport und Bewegung helfen, diesen Prozess aufzuhalten. Das ist ja keine Krankheit, sondern das sind Funktionsverluste“, so die Medizinerin. Aber mit zunehmendem Alter oder bei Krankheit können sich diese Funktionen verschlechtern.

Mit einem individuellen Trainingsprogramm lässt sich hier präventiv viel tun. „Bestimmte Übungen kann man vor dem Fernseher oder dem Computer machen. Sensoren an den Armen und am Oberkörper registrieren jede Bewegung. Macht man eine Übung falsch, kann der Computer gezielt korrigieren“, sagt Steinhagen-Thiessen. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Schlaganfall-Patienten, die nach Hause entlassen werden und vom Arzt aus Kostengründen keine Krankengymnastik mehr verschrieben bekommen, können die Übungen, die sie schon im Krankenhaus gelernt haben, so auch zu Hause selbstständig weitermachen.

Telemedizin verbindet Patienten mit Arzt

„Diese Art von Szenarien gibt es bereits – in der Telemedizin“, sagt Michael Huch. Er ist im Auftrag des Bundesforschungsministeriums für die europäische Programmkoordination Ambient Assisted Living zuständig. In Landstrichen, in denen nur wenige Menschen leben, wie zum Beispiel der Uckermark im Land Brandenburg und dort, wo nicht so viele Ärzte niedergelassen sind, funktioniert Telemedizin schon. Bei Herzpatienten zum Beispiel. „Durch ein Gerät unterstützt, erheben die Patienten selber alle relevanten Daten. Die Daten werden dann vom Gerät in die Praxis übertragen und vom Arzt ausgewertet“, erklärt Huch.

Der Nutzen ist hier gut nachweisbar. „Der Patient kann auch bei ständiger Kontrolle in seiner gewohnten Umgebung bleiben. Zudem erkennt die Technik Unregelmäßigkeiten eher als der Patient sie merkt. Bei einem Schlaganfall kann das bis zu zwei wertvolle Stunden ausmachen“, so Huch. Er kann sich vorstellen, dass die Geräte in Zukunft als Mikrosystemtechnik unter die Haut des Patienten gesetzt werden und von dort aus selbstständig arbeiten.

Geräte müssen immer kleiner und preiswerter werden

Huch spricht damit ein Hauptproblem der Intelligenten Assistenzsysteme an. Sein Kollege Klaus-Dieter Lang führt weiter: „Wichtig bei all diesen Systeme ist, dass sie uns nicht behindern. Demzufolge müssen die Geräte immer kleiner werden und sich an die Gegebenheiten anpassen“, erklärt Lang. „Zum Beispiel bei Sensoren in Jacken oder T-Shirts muss man auch bedenken, dass die Sachen mal gewaschen werden.“ Die Systeme müssen sich aber auch an uns Menschen anpassen. „Es geht nicht ohne Technik, aber sie darf uns keine Angst machen. Auch mit Ambient Assisted Living müssen wir uns in unserer eigenen Umgebung wohl fühlen“, so Lang.

Ein weiteres Hauptproblem: Die Kosten. „Der Preis lässt sich erst reduzieren, wenn sich größere Stückzahlen herstellen lassen. Und das wird erst sein, wenn der Markt, also wir alle, diese Technik akzeptieren, wollen und bezahlen“, sagt Lang. Problematisch dabei wird auch sein, die neue Technik in die alte einzubringen. Es wird sich zum Beispiel kaum jemand ein neues Haus bauen, bloß weil er seine Haustechnik vernetzen will. Eine Herausforderung dabei: Technik zu verkleinern und zusammenzubringen. „Niemand möchte zehn Geräte mit sich herumtragen, sondern ein Gerät soll alles können“, sagt Lang. „Dass das funktionieren kann, zeigt sich bereits im Auto.“

Problematisch: Standardisierung und Sicherheit der Systeme

Ein weiteres Problem ist die fehlende Standardisierung der Systeme. „Jede Entwicklung kostet Geld. Wenn man diese dreimal machen muss, nur um sie auf die bestehenden Geräte und Entwicklungen anzupassen, ist das wenig effektiv“, sagt Michael C. Balasch. Ebenso problematisch ist bislang noch, die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Systeme zu garantieren. „Es gibt durchaus Geräte, die funktionieren reibungslos und sind sicher, aber das hat auch seinen Preis“, sagt Klaus-Dieter Lang. „Einzellösungen werden immer teurer bleiben. Nur eine Standardisierung und eine breite Anwendung werden die Kosten senken können.“ Für Lang werden dabei viele Entwicklungen über die Unterhaltungsgeräte laufen.

Dass wir aber bei aller neuer Technik zu unsozialen Eigenbrötlern werden, das ist nicht zu befürchten, sagt Elisabeth Steinhagen-Thiessen. „Für ein Projekt wurden Patienten von uns, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen können, mit Fernseher und Videokameras ausgestattet. Sie waren mit Ärzten und Verwandten verbunden und einmal in der Woche gab es eine Konferenzschaltung zwischen den Patienten. Eine virtuelle Selbsthilfegruppe sozusagen. Einige Damen haben sich vorher extra einen Friseur ins Haus bestellt, denn nicht zurechtgemacht, wollten sie sich nicht vor der Gruppe zeigen. Und während der Konferenzschaltung ging dann richtig die Post ab. Da gab es viele wunderbare Momente“, so Steinhagen-Thiessen.

Was die Intelligenten Assistenzsysteme in Zukunft bringen sollen, ist also klar: Sie sollen unseren Alltag sicherer und bequemer machen, vor allem aber unsere Lebensqualität erhöhen. Das haben auch die Länder der europäischen Union verstanden. „Bereits 21 europäische Staaten haben sich darauf verständigt, in einem gemeinsamen Förderprogramm für diesen neuen Forschungsbereich Gelder in die Hand zu nehmen“, so AAL-Programmkoordinator Michael Huch. „Wir erwarten, dass noch in diesem Jahr eine erste Ausschreibung für AAL-Projekte veröffentlicht wird.“

Kristin Krüger

Media Contact

Annette Kleffel idw

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