3-D-Strukturen aus einer 2-D-Schablone bauen

Tief unter die Siliziumoberfläche hat das SPRIE-Verfahren regelmäßige Strukturen im Mikrometerbereich erzeugt, an denen sich Licht brechen kann. (Foto: KIT / CFN)<br>

Im Fachjournal AFM berichten Forscher aus Berlin, Louvain und vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nun über ein Herstellungsverfahren für photonische Kristalle, mit dem sich die optischen Eigenschaften durch mikrometergroße Strukturen einstellen lassen. Es verspricht schnell, günstig und einfach zu sein und nutzt teilweise das Selbstorganisationsprinzip. (DOI: 10.1002/adfm.201201138)

„Durch gezielte Strukturierung lassen sich die optischen Eigenschaften von Materialien ganz entscheidend beeinflussen“, erklärt Andreas Frölich vom Karlsruher Institut für Technologie. Silizium wird schon heute in der Telekommunikation in Bauteilen wie Filtern oder Umlenkern verwendet. Alle diese Bauteile sind jedoch bisher im wesentlich flach, also zweidimensional. Mit dreidimensionalen Bauteilen ließen sich jedoch ganz neuartige Konzepte realisieren. Dem Silizium, die dafür notwendige Struktur aufzuprägen, ist aber sehr aufwendig. Sie muss in allen drei Raumrichtungen regelmäßig sein und Details aufweisen, die mit rund einem Mikrometer Größe etwa einem Hundertstel der Dicke eines Haares entsprechen.

„Unser neues Fertigungsverfahren SPRIE nutzt bewährte Technologie wie das Ätzen, innovative Verfahren wie Selbstorganisation und kombiniert diese auf kreative Weise“, freut sich Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik und Institut für Nanotechnologie des KIT und Koordinator des DFG-Center for Functional Nanostructures (CFN). Das SPRIE-Verfahren strukturiert einfach, großflächig und dreidimensional Silizium. Zunächst wird auf der Siliziumoberfläche eine Lösung mit mikrometergroßen Kugeln aus Polystyren gegeben. Nach dem Trocknen ordnen diese sich selbst zu einer dichten, einlagigen Kugelschicht auf dem Silizium an. Nach einer Metallbeschichtung und dem Entfernen der Kugeln bleibt eine wabenförmige Ätzmaske auf der Siliziumoberfläche zurück.

„Diese Ätzmaske ist unsere zweidimensionale Schablone für die Konstruktion der dreidimensionalen Struktur“, sagt Frölich. Die freiliegenden Bereiche werden durch ein reaktives Plasmagas weggeätzt. Ob die Gasteilchen dabei überwiegend nur in die Tiefe oder gleichmäßig in alle Richtungen ätzen, lässt sich mit einem elektrischen Feld beeinflussen. „Zusätzlich können wir die Wände des Loches gezielt passivieren, also mit einer Polymerschicht vor weiterem Ätzen schützen.“

Durch wiederholtes Ätzen und Passivieren wachsen die Löcher der Ätzmaske in die Tiefe. Mit bis zu 10 Mikrometern sind sie mehr als zehnmal so tief, wie sie breit sind. Stimmt man sehr genau die beiden Prozessschritte und das elektrische Feld aufeinander ab, kann man die Struktur der Wände steuern. Statt eines einfachen Loches mit senkrechten, glatten Wänden, erzeugt jeder Ätzschritt eine kugelförmige Vertiefung mit gewölbter Oberfläche. Diese Wölbung ist der Baustein für die regelmäßigen, sich wiederholenden Strukturen bei neuartigen Lichtwellenleitern. „Optische Telekommunikation findet bei einer Wellenlänge von 1,5 Mikrometern statt. Deshalb erzeugen wir mit unserem Ätzverfahren entlang der Wand eine Riffelung, die ebenfalls im Mikrometerbereich liegt.“ Das Feld an dicht nebeneinanderliegenden und sehr tiefen, strukturierten Löchern wirkt in seiner Summe wie ein regelmäßiger Kristall, an dem Licht auf die gewünschte Art gebrochen wird.

Das Verfahren SPRIE (Sequential Passivation and Reactive Ion Etching) kann innerhalb von wenigen Minuten einen dreidimensionalen photonischen Kristall erzeugen, da es auf Prozesse zurückgreift, die heute schon in der Industrie üblich sind. Im Prinzip lässt sich damit aus einer frei wählbaren Maske eine dreidimensionale Struktur in Silizium erzeugen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, die an optische Bauteile gestellten Anforderungen in der Telekommunikation zu lösen.

Photonische Kristalle gibt es in verschiedensten Ausführungen. Je nach Bauart werden sie beispielsweise als Wellenleiter mit sehr kleinen Kurvenradien bei geringen Verlusten oder als extrem schmalbandige optische Filter und Multiplexer eingesetzt. In einigen Jahrzehnten wären vielleicht sogar Computer denkbar, die mit Licht statt Strom arbeiten. Neben dem KIT waren an der Entwicklung auch die belgische Université catholique de Louvain und die Humboldt Universität zu Berlin beteiligt.

Zur Publikation beim Journal Advanced Functional Materials:
http://onlinelibrary.wiley.com/journal/10.1002/%28ISSN%291616-3028

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung – Lehre – Innovation.

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