Hannover Messe 2014: Big Data hält komplexe Produktionsanlagen am Laufen

Industrieanlagen sind komplexe Gebilde. Wer sie überwachen will, muss die Daten unterschiedlicher Prozessvariablen überwachen. Das IOSB entwickelt Tools, die diese Datenmengen schnell auswerten. © Daimler AG

Wenn Industrieunternehmen ihre Anlagen überwachen, fallen große Datenmengen an. Sensoren kontrollieren Temperaturen, Drücke, Förderströme oder Energiedaten. »Innerhalb einer Woche können leicht mehrere Terabytes zusammenkommen, wenn sekundengenau abgetastet wird«, sagt Dr. Olaf Sauer, Geschäftsfeldkoordinator »Automatisierung« am IOSB. Doch oft fehlen noch geeignete Verfahren, um die Informationen auszuwerten.

»Heute nutzen die Betreiber lediglich sieben Prozent der Daten, um ihre Anlagen zu warten und vor Ausfällen zu schützen«, ergänzt Sauer. Der Forscher stellt auf der Hannover Messe Digital Factory zusammen mit seinen Kollegen aus Karlsruhe und Lemgo Verfahren vor, die dieses brachliegende Potenzial heben.

Die Systeme des IOSB sind in der Lage, die gewonnen Daten so aufzubereiten, dass die Verfügbarkeit der Anlagen signifikant steigt und sich der Energieverbrauch reduziert.

Die Wissenschaftler aus Karlsruhe fokussieren sich auf kontinuierliche Prozesse in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie. »Am Fraunhofer-Anwendungszentrum Industrial Automation IOSB-INA in Lemgo haben wir Lösungen entwickelt, mit denen komplexe Fertigungstechnik und hybride Anlagen einfach überwacht werden können«, erklärt Prof. Oliver Niggemann, stellvertretender Leiter des IOSB-INA in Lemgo.

Gemeinsam sind die Systeme des Fraunhofer IOSB für alle Industrieanlagen geeignet, die kapitalintensiv sind und lange laufen sollen. »Selbst Windenergieanlagen können damit überwacht werden«, so Sauer.

Die Forscher nutzen lernfähige Data-Mining-Methoden, die je nach Art der Fertigungsverfahrens, die optimalen Abläufe errechnen. Das Referenzmodell wird mit den Ist-Daten verglichen, um Abweichungen schnell zu entdecken, genau zu lokalisieren und treffsicher zu beseitigen. Eine aufwändige separate Modellierung der komplexen Anlagenstrukturen ist nicht nötig. Spezielle Datenlogger erfassen die Informationen zeitgenau und legen sie über das Netzwerk in einer Datenbank ab. Eine Software normalisiert diese dann, macht sie vergleichbar und stellt Zusammenhänge zwischen ihnen her.

Die Ergebnisse werden übersichtlich in einem Webportal dargestellt – anhand einer dreidimensionalen Landkarte. »Täler« und »Berge« stellen die einzelnen Prozessphasen dar, auftretende Störungen und Anomalien lassen sich schnell erkennen. »Die Tools sind bereits seit einiger Zeit erfolgreich in der industriellen Praxis im Einsatz«, sagt Niggemann. »Unsere Toolbox proKNOWS wird beispielsweise aktuell in Projekten mit unseren Partnern der Jowat AG und der Siemens AG erprobt.«

Die Wissenschaftler aus Karlsruhe und Lemgo überwachen und analysieren damit auch Energiedaten von Anlagen. Einerseits lassen sich damit Rückschlüsse auf den Zustand der Anlagen ziehen. Andererseits ist es möglich, deren Energieverbrauch zu senken, wenn man die Informationen nutzt, um die Steuerung entsprechend anzupassen. »Wir haben das bereits bei Antrieben von fördertechnischen Anlagen nachgewiesen«, so Sauer.

Auf dem Weg zur Industrie 4.0 mit Condition Monitoring

»Condition Monitoring« nennen die Forscher ihr Tätigkeitsfeld. Der Begriff steht dafür, industrielle Anlagen mit Hilfe moderner IKT-Systeme so zu überwachen, dass sie nicht ausfallen. Die meisten Industrieunternehmen setzen vergleichbare Technologien heute ein. Doch oft werden nur einzelne Komponenten kontrolliert und nicht die gesamte Anlage. Das ist jedoch gerade bei kontinuierlichen Fertigungsprozessen nötig, die sich nur schleichend verändern und sehr plötzlich zum Ausfall der Anlage führen können, wenn man nicht alle Variablen im Blick hat – beispielsweise verstopfte Rohre, wenn flüssige oder viskose Stoffe verwendet werden.

Auch das Modellieren eines Referenzmodels direkt aus den gewonnen Daten– wie bei den Tools des IOSB – ist selten. Eine weitere aktuelle Herausforderung: Die Systeme laufen meist für sich alleine und sind nicht Teil der Produktions-IKT. »Die Industrie hat den Nachholbedarf jedoch erkannt. Der Trend geht eindeutig dazu, sie in das Produktionsleitsystem (engl.: Manufacturing Execution Systems/MES) zu integrieren. Von der Vision der Industrie 4.0, wo intelligente Maschinen automatisch und selbstständig melden, wenn sie Wartung bzw. Ersatzteile benötigen, sind wir noch entfernt. Mit unseren Verfahren sind wir diesem Ziel einen Schritt näher gekommen«, sagt Sauer.

Auf der Hannover Messe Digital Factory zeigen die Forscher die gesamte Palette ihrer Condition Monitoring-Tools und geben Einblicke in ihre Lemgoer Modellfabrik (Halle 7, Stand B10). Diese verknüpft die Standorte Karlsruhe, Lemgo und Ilmenau über ein verteiltes Industrie 4.0-Produktionssystem. Dort untersuchen das Anwendungszentrum »Industrial Automation« des IOSB zusammen mit dem »Institut Industrial IT« der Hochschule Ostwestfalen-Lippe zukünftige IKT-Lösungen für die Automatisierung.

http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2014/Maerz/big-data-haelt…

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Tobias Steinhäußer Fraunhofer-Gesellschaft

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