Geld ohne Gegenleistung: Das bedingungslose Grundeinkommen in der öffentlichen Diskussion

Wie würde unser Gemeinwesen aussehen, wenn niemand mehr arbeiten gehen müsste? Wenn jeder vom Staat ein Grundeinkommen ohne jegliche Verpflichtung zur Gegenleistung bekäme und gut davon leben könnte? Würde dieses Modell die Bürger zum Müßiggang anstiften und die deutsche Wirtschaft in der Folge zusammenbrechen? Oder wäre genau das Gegenteil der Fall, und die Menschen würden ihre Autonomie verstärkt nutzen, um sich – in Form von verschiedenen Tätigkeiten – neben anderem mehr für das Gemeinwesen einzusetzen?

Seit 2004 ist in Deutschland eine öffentliche Debatte über die Frage entbrannt, welche Folgen die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) hätte. Der Sozialwissenschaftler Dr. Sascha Liebermann analysiert die unterschiedlichen Haltungen, die in der Debatte zutage treten.

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Gesellschaftliche Teilnahme

Das BGE ist ein Einkommen, das der Staat jeder Person zahlt – „von der Wiege bis zu Bahre“. Die Bedingungslosigkeit besteht darin, dass für dieses Einkommen keine Gegenleistung in Form von Erwerbsarbeit oder anderweitigen Tätigkeiten gefordert wird. Auch spielt es keine Rolle, ob die Person über privates Vermögen verfügt, also eigentlich finanziell abgesichert ist. Das BGE ist so hoch, dass damit zum einen die Existenz gesichert, zum anderen eine gesellschaftliche Teilnahme möglich ist (z.B. dadurch, dass sich die Person einen Computer leisten kann, um sich auf diesem Wege zu informieren). Neben dem BGE kann die Person erwerbstätig sein, ist aber in der Lage – weil ihre Existenz bereits finanziell abgesichert ist –, sich ihren Job „freier“ auszusuchen.

Widerspruch bestimmt Debatte

Solch ein Szenario ruft sofort Kritiker auf den Plan: Wer soll das alles in Zeiten leerer Kassen bezahlen? Wird Deutschland dann nicht von einer Einwanderwelle erfasst? Sascha Liebermann schaut sich Standpunkte in der öffentlichen Diskussion an und analysiert, was für ein Selbstverständnis als Gemeinwesen sich daraus ableiten lässt. Dabei stößt er immer wieder auf einen Widerspruch: Einerseits basiert das Gemeinwesen schon heute auf freiwilligem Engagement, andererseits befürchten Kritiker, dass sich niemand mehr engagieren würde, gäbe es ein BGE. Einerseits wird dem Bürger durch das deutsche Grundgesetz größtmögliche Autonomie abverlangt („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“, Grundgesetz, Artikel 20 (2)), andererseits traut man ihm nicht zu, diese sinnvoll zu nutzen. Für den Sozialwissenschaftler wirft dieser Widerspruch interessante Fragen auf: Was bedeutet es zum Beispiel langfristig für das Fundament der Demokratie, wenn die Bürger einerseits ausdrücklich dazu aufgerufen sind, sich einzubringen, ihnen andererseits aber ständig abgesprochen wird, dass sie dazu in der Lage sind?

Themen in RUBIN Winter 2012
In RUBIN Winter 2012 finden Sie darüber hinaus folgende Themen: Fumarsäureester gegen MS; Mit Speck fängt man Mäuse, mit Honeypots Angreifer im Internet; Religionskontakt um die Ecke; Jahrhunderte alte Gespräche belauschen; Stammzellen füllen Knochenlücken; Auf dass sich die Balken biegen: große Betonteile im Labor testen; E-Autos im Alltagstest; Moderne Spurenleser: Was wogen Dinosaurier?; Schwimmende Überlebenskünstler: Wie sich der Wasserfloh verteidigt; Im Gewand des Feindes: Autonome Nationalisten. RUBIN ist erhältlich in der Stabsstelle Strategische PR und Markenbildung der RUB, Tel. 0234/32-26952, und online unter http://www.rub.de/rubin.
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Dr. Sascha Liebermann, Methoden & Statistik, Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel.: 0234/32-29176, E-Mail: Sascha.Liebermann@rub.de

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