Bremer Studie zu Karrieren von (Ehe)Partnern in modernen Gesellschaften: Arbeitsteilung unverändert?

Wie stimmen junge (Ehe-)Partner ihre beruflichen Karrieren in verschiedenen Ländern aufeinander ab? Dieser Frage geht die Studie der Bremer Uni nach. Koordiniert wurde das internationale Forschungsprojekt von Prof. Hans-Peter Blossfeld und Dr. Sonja Drobnic. Ein Ergebnis der Studie: Trotz verbesserter Karrierechancen von Frauen leisten sie nach wie vor die Familienarbeit!

Angela aus Köln ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist als Sekretärin Teilzeit erwerbstätig. Ihr Mann, der als leitender Angestellter Karriere macht, hilft nur hin und wieder im Haushalt und bei den Kindern mit. Er betrachtet die Erwerbstätigkeit seiner Frau eher mit gemischten Gefühlen. Dörte lebt in Stockholm mit Jan zusammen. Sie haben ein gemeinsames Kind und beide sind Vollzeit erwerbstätig. Jan ist sehr stolz auf den beruflichen Erfolg seiner Partnerin und fördert diesen nach Kräften. Wenn das Kind krank ist, bleibt allerdings meist Dörte zu Hause. Auch der größte Teil der Hausarbeit wird in der Regel von ihr alleine erledigt. Elisabetta in Florenz ist schwanger und hat trotz ihrer Ganztagstätigkeit als Apothekerin die Hausarbeit wie selbstverständlich zu leisten. Ihr Ehemann, ein erfolgreicher Zahnarzt, möchte gerne, dass Elisabetta ihre Erwerbstätigkeit vollkommen unterbricht und ganz für das Kind da ist.

Diese Beispiele sind heute für junge Familien in Europa durchaus typisch. Neben vielen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch größere Unterschiede in der Organisation der Paarbeziehung zwischen diesen Ländern: Wie stimmen also junge (Ehe-)Partner ihre beruflichen Karrieren in verschiedenen Ländern aufeinander ab? Dieser und ähnlichen Fragen geht die jetzt erschienene Studie „Careers of Couples in Contemporary Society: From Male-Breadwinner to Dual-Earner Families“ nach. Es ist die erste international vergleichende Studie über die Veränderung der Lebensläufe von (Ehe)Partnern in unserer modernen Doppelverdiener-Gesellschaft. Unter der Leitung von Professor Dr. Hans-Peter Blossfeld (Universität Bielefeld) und Dr. Sonja Drobnic (Universität Bremen) untersuchte ein internationales Forscherteam, wie sich die Berufskarrieren von Paaren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in zwölf sehr unterschiedlichen Nationen verändert haben. Untersucht wurden Deutschland, die Niederlande, Italien, Spanien, Großbritannien, USA, Schweden, Dänemark, Polen, Ungarn und China.

Als Erstes zeigte sich eine überraschende Gemeinsamkeit in allen Ländern. Trotz deutlicher Verbesserung der Ausbildung von Frauen und ihrer zunehmenden Karrierechancen, hat sich in innerhalb der Paare wenig Grundsätzliches geändert: Frauen sind in allen Nationen immer noch die Hauptverantwortlichen für Hausarbeit und Kinderbetreuung geblieben. Zu den traditionellen Aufgaben der Frauen ist allerdings durch die Erwerbstätigkeit noch eine Doppelbelastung hinzugekommen.
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Wie eh und je betrachten Männer in allen Ländern Beruf und Familie als getrennte Lebenswelten und beteiligen sich nach wie vor selten an der Familienarbeit. Frauen müssen dagegen auch heute noch wegen ihrer weitgehenden Zuständigkeit für den häuslichen Bereich, zwischen Familie und beruflichem Erfolg wählen. Sie sind zwar oft Teilzeit tätig, können allerdings keine gezielte Karrierelaufbahn mehr verfolgen. Dadurch entstehen nur schwer zu ändernde Widerstände in der Fortentwicklung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung innerhalb der Familie.

Die Studie zeigt weiter, dass sich die Karrierechancen junger Frauen durch bessere Ausbildung und kontinuierlichere Berufserfahrung beträchtlich steigern lassen. Aber nach der Partnerwahl und Eheschließung sieht es meist wieder anders aus: Dann kommen geschlechtsspezifische Wirkungen zum Tragen, insbesondere dann, wenn Kinder zu versorgen sind. Männer sind meist lebenslang erwerbstätig. Ihre Karriereverläufe sind von den beruflichen Verläufen ihrer Frauen unabhängig. Umgekehrt gilt dies nicht immer. Die Forscher zeigen auf, dass das gesellschaftliche Umfeld in den weiblichen Lebensläufen eine wichtige Rolle spielt: In Wohlfahrtsstaaten (wie z. B. in Deutschland) steigt mit der Position des Mannes der Druck auf die Partnerin, ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie zu reduzieren oder sogar vollkommen aufzugeben. Konservative Wohlfahrtsstaaten zeichnen sich hier durch eine besonders traditionelle Arbeitsteilung bei verheirateten Paaren aus. Die Folge ist aber, eine größer werdende Lücke zwischen männlichen und weiblichen Berufsverläufen, eine wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit der Frauen von ihren Partnern sowie ein schwer zu änderndes traditionales Familienmodell.

Anders dagegen in Wohlfahrtsstaaten wie Dänemark oder Schweden und generell in den ehemals sozialistischen Ländern: Hier gibt es einen starken positiven Einfluss des beruflichen Status der Männer auf die Berufstätigkeit ihrer Partnerinnen: Die Männer sind stolz auf den Erfolg ihrer Frauen und unterstützen ihre Karrieren, indem sie ihr Verhalten am meisten verändert haben und zumindest Teile der Familienarbeit übernommen haben.

Die Untersuchung zeigt schließlich auf, dass politische Interventionen, die sich nur auf die Ausbildung der Frauen oder auf den Beruf und die Arbeitsmarktstrukturen konzentrieren, zu kurz greifen. Die gemeinsame Verantwortung für Hausarbeit und Kindererziehung muss in diese Maßnahmen mit einbezogen werden. Die Studie „Careers of Couples in Contemporary Society: From Male Breadwinner to Dual Earner Families“ ist in der Oxford University Press erschienen. 

Weitere Informationen bei:

Prof. Dr. Hans-Peter Blossfeld
Tel.: (04208) 91842; Fax.: (04208) 91843
E-Mail: hpb3007@t-online.de

Dr. Sonja Drobnic
c/o Radcliffe Institute for Advanced Study, Harvard University
34 Concord Avenue, Cambridge, MA 02138, U.S.A.
Tel.: (617) 496-3080; Fax: (617) 495-8136;
E-Mail: drobnic@radcliffe.edu

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Angelika Rockel idw

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