Frauenerwerbsarbeit ab 50 steigt – im Bereich geringfügiger Beschäftigung und Teilzeit

In Ostdeutschland geringere Erwerbsbeteiligung von Älteren wegen Arbeitslosigkeit und Frührente. IAT untersuchte regionale und sozioökonomische Merkmale des Altersübergangs

Die Erwerbstätigkeit im Alter nimmt zu, weil auch immer mehr Frauen berufstätig sind. Die Erwerbstätigkeit von Männern zwischen dem 50. und 54. Lebensjahr ist dagegen rückläufig bzw. die Zuwächse ab dem 55. Lebensjahr fallen im Vergleich zu den Frauen geringer aus. Allerdings resultieren die Zuwächse bei der Frauenerwerbsarbeit zu einem erheblichen Teil aus geringfügiger oder Teilzeit-Beschäftigung. Im Jahr 2002 war jede fünfte erwerbstätige Frau zwischen dem 60. und 64. Lebensjahr geringfügig beschäftigt. Das zeigen aktuelle Ergebnisse des „Altersübergangs-Monitors“ am Institut Arbeit und Technik (IAT/ Gelsenkirchen), ein von der Hans-Böckler-Stiftung zur Analyse des Übergangsgeschehens zwischen Erwerbs- und Ruhestandsphase gefördertes Projekt.

Sowohl für Männer als auch für Frauen stellt der aktuell online erschienene Altersübergangs-Report 2005-05 fest, dass (Alters-)Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung die Vollzeittätigkeit im Alter zunehmend ersetzen. Dieser auf Grundlage des Mikrozensus bis 2002 ermittelte Trend nimmt seit Einführung der Mini-Jobs im März 2003 noch zu: Laut Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten innerhalb eines Jahres um 523.100 erhöht. Die Älteren, 55 bis 64 Jahre alt, waren hier mit 17 % und Frauen mit 68,1 % überdurchschnittlich vertreten. „Insofern sind für die Zukunft Verdrängungseffekte bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit weitere Einnahmelücken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwarten, wenn die Politik nicht umsteuert“, warnt die IAT-Wissenschaftlerin Renate Büttner.

In den neuen Bundesländern ist die Erwerbstätigkeit ab dem 60. Lebensjahr zwar ebenfalls gestiegen, dennoch liegt die Erwerbstätigkeitsquote deutlich unter Westniveau. Selbst westdeutsche Frauen haben im Alter die Erwerbstätigkeit ihrer Altersgenossinnen in den neuen Bundesländern inzwischen ein- und zum Teil überholt. Die Anteile an Rentenbeziehern und Arbeitslosen sind im Osten dagegen deutlich höher. Das spiegelt die massive Ausgliederung von Älteren aus dem ostdeutschen Arbeitsmarkt über Arbeitslosigkeit und Frühverrentung wider.

Ob und wie lange jemand im Alter berufstätig ist, hängt in hohem Maße von der Qualifikation ab. Eine gute schulische und berufliche Bildung ist nicht nur Voraussetzung zum Eintritt in den Arbeitsmarkt, sondern auch zur Verlängerung der „Aufenthaltsberechtigung“ auf dem Arbeitsmarkt, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in allen EU-Ländern. Nach den Mikrozensus-Auswertungen ist die Erwerbsbeteiligung von Älteren mit geringer Qualifikation am niedrigsten, und nach Schätzungen des IAB sind 20 bis 40 Prozent aller Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss ausschließlich geringfügig beschäftigt.

Wie die Untersuchungen weiter zeigen, sind gering Qualifizierte vor dem 60. Lebensjahr stärker von Arbeitslosigkeit betroffen und scheiden relativ häufig über Frührente aus dem Erwerbsleben aus. Im Alter sind sie zudem häufiger auf Sozialhilfe angewiesen. Gering Qualifizierte treten in der Regel eher ins Berufsleben ein, arbeiten häufig in gesundheitlich belastenden Tätigkeitsfeldern mit zumeist begrenzten Tätigkeitsdauern und geringer Entlohnung und scheiden aufgrund gesundheitlicher Probleme im Durchschnitt früher aus. Insofern ist nicht nur ihre Lebenserwartung, sondern auch ihr Alterseinkommen im Vergleich zu Älteren mit mittlerer und höherer Qualifikation – selbst bei längerer Erwerbstätigkeit – geringer.

„Um der mit der Qualifikation verbundenen Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt begegnen zu können, wäre nicht nur eine flexiblere, an der Lebensarbeitszeit orientierte Öffnung von Altersgrenzen, sondern auch eine vorzeitige Austrittsoption für „verbrauchte“ Menschen erforderlich, die ihnen eine finanziell abgesicherte Ruhestandsphase ermöglicht,“ meint Renate Büttner. Um die vom Europäischen Rat für die 55- bis 64-Jährigen anvisierte Beschäftigungsquote von mindestens 50 Prozent bis 2010 realisieren zu können, müsste zudem die Beschäftigungsfähigkeit – insbesondere von gering Qualifizierten – durch geförderte Weiterbildungsangebote und durch verbesserte, altersgerechtere Arbeitsbedingungen erhöht werden. Durch gezielte personal-, gesundheits- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen könnte das Arbeitsvermögen nicht nur länger, sondern – als Voraussetzung dazu – im Verlauf des Erwerbslebens auch schonender genutzt werden.

Um die anhaltenden arbeitsmarkt- und rentenpolitischen Probleme lösen zu können, müssten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet und zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden, was allerdings wirtschaftliches Wachstum bzw. eine Stärkung der Binnennachfrage voraussetzt.

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Renate Büttner
Durchwahl: 0209/1707-254

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Claudia Braczko idw

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