Wie gehen Heranwachsende mit neuen Trends in den Medien um?

Das Computerspiel zum Film, die Internetseite zur Fernsehserie, das Buch zum Sammelkartenspiel – derartige Verknüpfungen, Konvergenz genannt, sind gang und gäbe auf dem Medienmarkt. Es sind Angebote, die häufig auf Kinder und Jugendliche zielen. Ob und inwieweit diese auch bei den potenziellen Nutzern ankommen, dazu gibt es bislang nur wenige fundierte empirische Befunde. Das „Medienkonvergenz Monitoring“ am Lehrstuhl für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig hat sich dieser Lücke angenommen.

„Kinder und Jugendliche stellen eine Gruppe dar, die in der kommunikations- und medienwissenschaftlichen Diskussion um das Thema Medienkonvergenz oft außen vor bleibt. Dabei sind gerade Heranwachsende für dieses Thema besonders interessant. Erstens sind gerade sie besonders offen für die Medien Computer und Internet, besonders ab dem Jugendalter, was die Ergebnisse verschiedener Nutzungsstudien einhellig belegen. Zweitens zeigt sich auf Seiten des Medienangebots, dass viele neue Medienprodukte und -inhalte, die entweder auf die Verknüpfung zwischen Medien angelegt sind oder technische Neuerungen beinhalten wie beispielsweise multifunktionale Geräte, insbesondere jüngere Zielgruppen ansprechen sollen.“ Wenn Iren Schulz über das Projekt „Medienkonvergenz Monitoring“ spricht, dann hat sie immer zwei Aspekte im Blick: In einem ersten Schritt die Konvergenzen zu erfassen und zu beschreiben, die sich auf Seiten des Medienangebots entwickeln. Und im zweiten Schritt dieses Angebot aus der Sicht der Nutzer wahrzunehmen und darzulegen. „Bisher wurde die Frage der Konvergenz lediglich aus der wirtschaftlichen Perspektive betrachtet“, begründet die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die das Projekt koordiniert, das Anliegen.

Nachdem die Medienwissenschaftler unter Leitung von Prof. Bernd Schorb seit dem Start des Projekts im Jahr 2003 den Medientrends wie den Musiktausch im Internet, LAN-Partys und Sammelkartenspiele wie „Yu-Gi-Oh“ und „Magic – The Gathering“ genauer beleuchtet haben, steht derzeit der Mobilfunk im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dabei stützen sie sich in ihren Aussagen generell sowohl auf die Beobachtung der sich rasch verändernden Medienofferten als auch auf die regelmäßige Befragung von 250 medienbegeisterten Mädchen und Jungen im Alter zwischen 8 und 19 Jahren zur Aneignung und Nutzung konvergenter Medienangebote.

Aktuell sind mit dem Ausbau der UMTS-Netze Handys auf dem Markt, die technisch und inhaltlich als flexibel einsetzbare Multimediageräte genutzt werden können. Entsprechend stellen die Anbieter mehr und mehr Dienste bereit, die das Telefon(ieren) eher als Vehikel benutzen: Dazu gehören unter anderem die inzwischen schon wieder gängigen Kameras, eigens fürs Handy gedrehte GZSZ-Folgen, Livestreams vom Fußball oder Klicks ins Internet. Als unangefochtener Spitzenreiter behauptet sich im Moment jedoch die Vermarktung von Musik via Handy, vor allem als Download von Klingeltönen und Songs. Das Heikle, für Kinder und Jugendliche oft schwer Überschaubare dabei sind die finanziellen Konsequenzen: Nicht selten hängen am ersten Download langfristige und kostspielige Abonnements, die sich – einmal via SMS abgeschlossen – zudem als unwiderruflich erweisen. Inzwischen wird aus Sicht des Jugendmedienschutzes diskutiert, das Telekommunikationsgesetz zu ändern, um Heranwachsende vor teuren Handy-Diensten zu schützen.

Derweil machen die „Betroffenen“ ihre eigenen Erfahrungen, wie das Monitoring verdeutlicht: Aus Neugier auf die vor allem in den Werbepausen der Musiksender ausgestrahlten Angebote versuchten die Heranwachsenden, sich Töne, Spiele und andere Informationen auf ihr Handy zu laden. „Ihre Bewertungen“, so Iren Schulz, „fallen allerdings besonders wegen der undurchsichtigen Darstellung von Download- und Vertragsbedingungen negativ aus.“ Die Medienwissenschaftlerin erzählt von Laura, die in einem Interview meinte: „Wer drauf reinfällt, hat Pech.“ Das 15-jährige Mädchen würde es grundsätzlich verbieten, dass Jugendliche Mobilfunkverträge abschließen können: „Die müssen erstmal lernen mit dem ganzen Geld umzugehen und die verdienen ja auch noch nichts. Und wenn du im Internet surfst, dann ist eine Stunde sehr viel Geld auf dem Handy.“

Klar ist: Mit den heute 8- bis 19-Jährigen, die im Laufe des Monitorings befragt werden, ist die erste Generation herangewachsen, zu deren Alltag Computer, Gameboy, Internet so selbstverständlich gehören wie Fernsehen zum Alltag ihrer Eltern und Radio zu dem ihrer Großeltern gehörten. Allein mit Beschränkungen und Verboten, so die Erfahrung von Iren Schulz aus den Fragebögen und Interviews mit den Kindern und Jugendlichen zur Mediennutzung, ist überteuerten Angeboten oder gefährdenden Inhalten allerdings nicht wirksam zu begegnen. Sie verweist auf das Internet, wo weder das Sperren von Webseiten noch die Installierung von Filtersoftware noch Altersbeschränkungen den Zugang zu problematischen Portalen tatsächlich verhindern. Die Leipziger Medienwissenschaftlerin plädiert für einen „kritischen und kompetenten Umgang mit Medien“. Und der muss erlernt werden.

In diesem Sinne dienen die Ergebnisse des Monitorings nicht allein der medienpädagogischen Forschung. Sie fließen zugleich in die Beratung von Eltern und Erzieher/innen ein. Medienpädagogische Erkenntnisse in die Ausbildung von Lehrer/innen einzubinden, gehört aus Sicht von Iren Schulz zu den erforderlichen Schritten. „Je mehr Digitalisierung in die Medien Einzug hält, umso mehr ist Medienkompetenz gefordert.“

Veranstaltungen:

7. Mai 2005: Zum „campus 2005“ der Universität Leipzig wird das „Medienkonvergenz Monitoring“ im Zelt 6 vorgestellt.

9. bis 11. Mai 2005: Zum „Medientreffpunkt Mitteldeutschland“ diskutieren Fachleute und Profis der Medienbranche auf über 40 Podien die neuesten Entwicklungen und Trends der Branche unter dem Thema ’’Die Kraft der Wahrheiten – Gesetze der Medienwelt’’.

Dienstag, 10. Mai: Von 11.00 Uhr bis 12.30 Uhr „Zielobjekt Taschengeld. Die Mehrfachvermarktung medialer Angebote“: Iren Schulz stellt aktuelle Ergebnisse des Projekts Medienkonvergenz Monitoring vor und diskutiert mit Experten/innen aus Wirtschaft und Jugendmedienschutz; 15.30 bis 17.30 Uhr, findet das Podium „Kompetenz und Schutz – Jugend außer Gefahr?“ statt, zu dem auch Prof. Bernd Schorb eingeladen ist.

11. Mai 2005, Neues Rathaus Leipzig, Festsaal, 9 bis 16.30 Uhr: Zur „Fachtagung Medienpädagogik für vor- und außerschulische Kinder- und Jugendarbeit“ wird Prof. Bernd Schorb vom Lehrstuhl für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig zum Thema „Medienbildung zwischen ’Medienverwahrlosung’ und ’Informationsdidaktik’ sprechen und diskutieren. (E-Mail: mgransow@leipzig.de)

Daniela Weber

Weitere Informationen:
Lehrstuhl für Medienpädagogik und Weiterbildung
Iren Schulz
Telefon: 0341 97-35887
E-Mail: redaktion-memo@uni-leipzig.de

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