Forschungsprojekt – Wald und Gesellschaft im Ruhrgebiet

Erforschen Wald im Ruhrgebiet (v. l.): Dr. B. Hermans (Bistum Essen), G. Naendrup (Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, NRW), Prof. Dr. A. Schulte (Wald-Zentrum Uni Münster), J. Wipf (Kommunalverband Ruhrgebiet)

Das Internationale Institut für Wald und Holz NRW an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Kommunalverband Ruhrgebiet, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald NRW sowie das Bistum Essen haben im April dieses Jahres ein dreijähriges Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Thema „Wald und Gesellschaft im Ruhrgebiet am Beispiel der Stadt Essen und Umgebung“ gestartet.

Das Internationale Institut für Wald und Holz NRW an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der Kommunalverband Ruhrgebiet, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald NRW sowie das Bistum Essen haben im April dieses Jahres ein dreijähriges Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zum Thema „Wald und Gesellschaft im Ruhrgebiet am Beispiel der Stadt Essen und Umgebung“ gestartet. Ziel der Untersuchung ist die Erforschung des Wandels der Waldnutzung und -bewirtschaftung vor dem Hintergrund der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen in einem Ballungsraum. Die Ergebnisse sollen in einer Publikation und als multimediales Informationssystem präsentiert werden. Vor allem Waldbesitzer, forst- und naturschutzfachliche Einrichtungen, Bildungseinrichtungen sowie die allgemeine Öffentlichkeit werden hiervon profitieren.

Essen und Umgebung mit „beispielhafter“ Kulturlandschaftsentwicklung

Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die Stadt Essen und ihre Umgebung (Oberhausen und Bottrop) zwischen dem 19. Jahrhundert und der Gegenwart. Das Ruhrgebiet als montan-industriell geprägte Kulturlandschaft eignet sich besonders als Fallstudiengebiet: So hat sich das Ruhrgebiet in teils rasanter Geschwindigkeit von einer bäuerlich geprägten Kulturlandschaft über eine Stadtund Industrielandschaft, bis hin zur (gegenwärtigen) Landschaft der postindustriellen Zivilisation gewandelt. Aus einer früher städtearmen Region entstand ein Ballungsraum mit der zeitweilig höchsten Siedlungs- und Bevölkerungsdichte und der größten Konzentration von Industrie und Verkehr in ganz Europa. Gab es um 1820 noch rund 4.600 Hektar Wald auf dem Gebiet der heutigen

Stadt Essen, so waren es 1927, sieben Jahre nach Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (der Vorgängerinstitution des KVR), nur noch knapp 1.500 Hektar, heute hingegen bereits wieder über 2.500 Hektar.

Seit den 1950er-Jahren sind durch die massive Unterstützung des SVR / KVR viele ehemalige Industriestandorte im Ruhrgebiet renaturiert und wieder aufgeforstet worden.

Der massive Abbau von Steinkohle, die Ansiedlung riesiger Industrieanlagen, der steigende Bevölkerungsdruck auf den Wald und eines der dichtesten Straßen- und Eisenbahnnetze weltweit führten zu einer rasanten Entwaldung und zu einer erheblichen Belastung der Wälder mit Schadstoffen. Betrug der Schwefeldioxid-Ausstoß allein der Dortmunder Kokereien 1913 noch fast 28.000 Tonnen, so lagen die Gesamtemissionen an Schwefeldioxid im Dortmunder Stadtgebiet 1999 / 2000 bei rund 4.900 Tonnen.

Als Folge der Industrialisierung finden sich nur noch an wenigen Stellen Reste der vorindustriellen Agrar- und Waldlandschaft.

Das Gebiet weist durch die äußerst intensive Nutzung und die damit verbundenen negativen Auswirkungen sowie aufgrund entsprechender Waldschutz- und Renaturierungsmaßnahmen den wahrscheinlich umfangreichsten Erfahrungsschatz der Bundesrepublik Deutschland auf. So ist das Ruhrgebiet das wohl größte, am längsten und teils am stärksten von Luftverunreinigung und „Rauchschäden“ betroffene Gebiet in Deutschland.

Wandlung der „Rolle des Waldes“ – Erfahrungsschatz für Megazentren weltweit

Die genannten Entwicklungen führten schon Anfang des letzten Jahrhunderts dazu, die Schutz- und Erholungsfunktionen gegenüber der Nutzfunktion (Rohstoffproduktion, Arbeit, Einkommen) des Waldes mehr in den Vordergrund zu rücken. Die Menschen suchten nach Möglichkeiten, die Waldflächen wieder zu vermehren. Heute wird zudem verstärkt eine „neue Rolle des Waldes“ besonders in den Ballungsgebieten („Urbane Forstwirtschaft“) diskutiert.

Mit dem geplanten Projekt werden, bisher noch nicht umfassend aufgearbeitete, wertvolle Erfahrungen in der urbanen Waldbewirtschaftung gesammelt und erforscht, die auch für andere Megazentren weltweit von Interesse sein könnten.

Das Wald-Zentrum, Westfälische Wilhelms-Universität, in Kürze

Das Wald-Zentrum, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, wird gebildet aus dem Fachgebiet für Waldökologie, Forst- und Holzwirtschaft im Institut für Landschaftsökologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Internationalen Institut für Wald und Holz NRW e. V. an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Inhaber des Lehrstuhls für Waldökologie, Forst- und Holzwirtschaft ist Prof. Dr. Andreas Schulte. Vorrangiges Ziel ist es, den Studierenden der Landschaftsökologie, Geografie und Geoinformatik am Fachbereich Geowissenschaften einen Einblick in die nachhaltige Waldbewirtschaftung zu ermöglichen. Dazu werden grundlegende waldökologische sowie forst- und holzwirtschaftliche Themen zunächst in Vorlesungen vermittelt und anschließend das erlernte Wissen in der Praxis erprobt. Durch die interdisziplinäre Lehre soll das gegenseitige Verständnis für die unterschiedlichen Ansprüche von Natur- und Artenschützern auf der einen Seite und Waldbesitzern bzw. der Forstwirtschaft auf der anderen Seite gefördert werden.

Das Internationale Institut für Wald und Holz NRW wurde im Oktober 2003 auf Initiative der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als gemeinnütziger Verein gegründet. Es hat seinen Sitz an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Das Institut fungiert als eigenständige Einrichtung und arbeitet im Rahmen eines Kooperationsvertrages mit der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zusammen. Es ist nach § 32 Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen anerkanntes An-Institut dieser Hochschule und versteht sich als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis. Vorstandsvorsitzender ist Prof. Dr. Andreas Schulte.

Zu den Hauptaufgaben gehören die anwendungsbezogene, regional und international ausgerichtete Forschung und Beratung sowie die Fort- und Weiterbildung in allen Bereichen, die den Wald, die Forstwirtschaft und den Roh- und Werkstoff Holz betreffen.

Neben den vielfältigen Aufgaben in der Ausbildung von Studierenden des Wald-Zentrums haben sich bisher folgende Arbeitsschwerpunkte herausgebildet:

* Forst- und Naturschutzpolitik, multifunktionale Waldbewirtschaftung (insbesondere Erholungsnutzung im Wald), Waldnaturschutz und Nachhaltigkeitsevaluation von Forstwirtschaft (Kriterien und Indikatoren, Zertifizierung)
* Struktur- und Marktanalysen der Forstwirtschaft und Holz verbrauchenden Industrie (Cluster-Studien, Cluster-Management)
* Wald und Klimawandel (Kyoto-Prozess), Energiewälder, Energieholznutzung
* Waldökosystemforschung (Stoffhaushalt von Waldökosystemen, z. B. Kohlenstoff, Schwermetalle; Einfluss von Megaherbivoren auf die Wald¬entwicklung)
* Rehabilitation degradierter Waldökosysteme in verschiedenen Regionen der Welt: z. B. Südamerika und Südostasien
* Entwicklung eines modularen, vierdimensionalen Informationssystems Wald

Das Wald-Zentrum hat mit derzeit acht Mitarbeitern seine Arbeit im Januar 2004 aufgenommen.

Media Contact

Dorothe Tesch idw

Weitere Informationen:

http://www.wald-zentrum.de

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