Wie brechen Kontinente auseinander?

Übernachtungscamp in Nord-Namibia (Foto: C. Haberland, GFZ)

Als vor 130 Millionen Jahren der westliche Teil des Urkontinents Gondwana auseinanderbrach und die Geburt des Süd-Atlantik einleitete, trennten sich das heutige Afrika und Südamerika voneinander. Man nahm bisher an, dass enorme Mengen von Magma aus dem tiefen Erdmantel aufstiegen, und dass diese heiße Gesteinsblase (genannt Tristan-Mantelplume) Gondwana von unten heizte, aufweichte und schließlich aufriss.

Eine Gruppe deutscher Geoforscher stellt nun diese grundlegende Annahme mit einer neuen Studie in Frage. Die Wissenschaftler aus Potsdam, Kiel und Bremen zeigen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Geology“ anhand seismischer Messungen, dass die Auswirkungen des Tristan-Mantelplume auf die kontinentale Kruste Gondwanas räumlich überraschend begrenzt waren.

Das passt keineswegs zu den bisherigen Vorstellungen, die von einem entscheidenden Einfluss eines Mantelplumes beim Aufbrechen des Kontinents ausgehen. Somit kann eine dominante oder gar ausschlaggebene Rolle einer solchen Gesteinsblase beim Aufbrechen von Gondwana im Südatlantik ausgeschlossen werden.

Aufsteigende heiße Gesteinmassen im Erdmantel sind ein wichtiger Motor der Plattentektonik. Bei einem angenommenen großen Durchmesser von Tausenden von Kilometern ist die von der Kern/Mantel-Grenze aus 2900 Kilometern Tiefe mitgebrachte Hitze so groß, dass sie ausreicht, die kontinentale Lithosphäre zu durchbrechen oder gar aufzulösen.

An der Erdoberfläche finden sich an diesen Stellen gewaltige Mengen so genannter Flutbasalte. So auch im südlichen Afrika und – parallel dazu – Südamerika. Diese Etendeka/Parana-Flutbasalte gelten als oberirdischer Beleg für das Aufschmelzen des westlichen Gondwanakontinents vor 130 Millionen Jahre. Belege dieses Auseinanderbrechens findet sich auch im Ozean: der Walfischrücken vor der Westküste Namibias zeichnet die Spur nach, die der Mantelplume hinterließ, als Afrika begann, sich zu formieren und nach Osten zu treiben.

Die deutschen Geoforscher wollten diesem Vorgang detailliert auf die Spur kommen. Die Spuren solcher gewaltiger Gesteinsmassen finden sich in den unterschiedlichen Geschwindigkeiten wieder, mit denen seismische Wellen durch das Gestein laufen. Gemeinsam mit Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut AWI (Bremerhaven) und vom GEOMAR (Kiel) und unterstützt durch den Geologischen Dienst Namibias haben Geowissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ daher umfangreiche seismische Untersuchungen an Land und im angrenzenden küstennahen Bereich des Südatlantiks vorgenommen. Sie legten seismische Profile parallel zur namibischen Küste und von der Küste inland laufend an.

Die Geowissenschaftler konzentrierten sich auf das Gebiet an der Westküste Namibias. „Wir konnten erstmals mit tiefreichender Seismologie die Struktur der Erdkruste an der Stelle abbilden, wo der Walfischrücken mit dem Kontinent zusammenläuft, und konnten eine Wechselwirkung zwischen dem Mantelplume und der Erdkruste feststellen,“ erläutert Trond Ryberg vom GFZ.

„Unsere Messungen weisen eine ausgeprägte seismische Hochgeschwindigkeitsanomalie in der Unterkruste bei 20 bis 40 Kilometern Tiefe auf.“ Dieser Bereich mit hohen Wellengeschwindigkeiten erklärt sich dadurch, dass hier heißes Gesteinsmaterial aus dem Erdmantel in die Erdkruste eingedrungen ist.

Das entspricht auch der gängigen Theorie. Völlig überraschend aber sind die gemessenen begrenzten Ausmaße des identifizierten Gesteinskörpers, die den vermuteten entscheidenden Einfluss eines riesigen Mantelplumes bei Aufbrechen des Kontinents nicht bestätigen. Die Forscher erklären sich den Sachverhalt damit, dass Gondwana von Süden her begann, auseinander zu reißen. In diese Riss-Struktur drang das aufsteigende Gestein des heißen Plume ein und beschleunigte dadurch das Abtrennen von Afrika und Südamerika.

Trond Ryberg: „Die Krustenstruktur im Untersuchungsgebiet widerspiegelt eher den Prozess des Aufbrechens als den unmittelbaren Effekt des Aufschmelzens der kontinentalen Lithosphäre Gondwanas. Wir konnten wir mit unseren Messungen auch den Aufstiegsweg der Flutbasalte abbilden.“ Das Aufbrechen von Gondwana im Südatlantik und generell die Rolle von Mantelplumes beim Aufbrechen kontinentaler Kruste muss wohl neu evaluiert werden.

T. Ryberg, Ch. Haberland, Th. Haberlau, M. H. Weber, K. Bauer, J. H. Behrmann, W. Jokat: “Crustal structure of Northwest Namibia: Evidence for plume-rift-continent interaction”, Geology, August 2015, Vol. 43, p. 739-742, doi:10.1130/G36768.1, http://geology.geoscienceworld.org/content/43/8/739.full

Abb. in druckfähiger Auflösung finden sich hier:

Übernachtungscamp in Nord-Namibia (Foto: C. Haberland, GFZ).
https://media.gfz-potsdam.de/gfz/wv/pm/15/Suedafrika.jpg

Ausführungen von Bohrungen für seismische Messungen (Foto: C. Haberland, GFZ).
https://media.gfz-potsdam.de/gfz/wv/pm/15/Suedafrika2.jpg

Übernachtung im Gebiet der Skelettküste, Namibia (Foto: C. Haberland, GFZ).
https://media.gfz-potsdam.de/gfz/wv/pm/15/Suedafrika3.jpg

Auf dem Weg ins Untersuchungsgebiet (Foto: T. Ryberg, GFZ).
https://media.gfz-potsdam.de/gfz/wv/pm/15/Suedafrika4.jpg

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Franz Ossing Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

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